Länderberichte
Sie stürmen drei dort vor Anker liegende Schiffe der britischen East India Trading Company und werfen die 45 Tonnen Tee, die die Schiffe geladen haben, in das Hafenbecken.
Beobachtet werden sie von Schaulustigen, die am Ufer stehen. Sie unterstützen die Aktion zwar, Anfeuerungsrufe sind allerdings kaum zu hören. Einzelne versuchen, sich Tee für den eigenen Gebrauch zu sichern, werden aber von anderen Bürgern abgehalten. Immerhin geht es hier darum, ein Zeichen gegen die Steuerpolitik Englands zu setzen. In die Geschichte geht dieses nächtliche Treiben im Hafen von Boston als die Boston Tea Party ein.
Es ist der 15. April 2009. Vor dem Weißen Haus in Washington stehen etwa 1.000 Demonstranten, in ihren Händen halten sie Plakate mit Aufschriften wie „Stop Big Government“ oder „Taxation is Piracy“. Einer von ihnen wirft eine Box mit Teebeuteln über den Zaun. Die Polizei beginnt mit der Evakuierung im Weißen Haus und der Secret Service prüft mit einem Roboter, ob es sich um eine Bombe handelt. Handelt es sich nicht. Auch hier geht es um Proteste gegen die Steuerpolitik. Wie damals vor 236 Jahren. Ob dieser Tag allerdings in die Geschichte eingehen wird, ist fraglich.
Der 15. April ist in den USA der offizielle „Tax Day“ - der letztmögliche Tag, an dem die Steuererklärungen eingereicht werden können. Der 15. April 2009 war der erste große Protest-Tag der Tea-Party Bewegung. Die Demonstrationen fanden verteilt über das ganze Land in mehr als 750 Städten statt. In manchen trafen sich nur einige Dutzend Demonstranten, in anderen, wie zum Beispiel Atlanta, bis zu 15.000 Menschen. Insgesamt - laut Schätzungen - etwa eine halbe Millionen Amerikaner.
Seitdem hat es eine Reihe von größeren und kleineren Protesten gegeben. Unter anderem Aktionen am Independence Day 2009, Townhall-Meetings im August 2009, einen „Taxpayer March on Washington“ am 12. September 2009 und landesweite Proteste am Tax Day 2010. Innerhalb eines Jahres hat sich die Bewegung zu einer ernstzunehmenden „Graswurzelbewegung“ entwickelt, die von Politikern und Bevölkerung mit großer Aufmerksamkeit beobachtet wird.
Aber was genau ist die Tea-Party-Bewegung? Wer sind die Menschen, die sich bei den Protest-Aktionen ihren Frust über die aktuelle Politik zum Ausdruck bringen wollen? Welche Ziele verfolgen sie? Und wie einflussreich sind sie wirklich? Reicher und besser gebildet
Eine Umfrage von CNN im Februar 2010 ergab folgendes: Von den Befragten, die angaben, an den Tea-Party-Aktivitäten teilzunehmen, waren 80 Prozent weiß (in der gesamten Befragung lag der Anteil der Weißen bei 71 Prozent), 60 Prozent Männer, 40 Prozent von ihnen waren College-Absolventen (wohingegen dieser Anteil in der gesamten Grund-Stichprobe nur bei 28 Prozent lag) und 4 Prozent bezeichneten sich als Demokraten (verglichen mit 32 Prozent in der Grund-Stichprobe). Zu ähnlichen Ergebnissen kam auch die New York Times im April 2010 bei einer Umfrage: Verglichen mit der Gesamtbevölkerung ist auffällig, dass ein Großteil der Tea-Party-Anhänger weiß ist, gut ausgebildet und besser verdienend als der Durchschnitt der Bevölkerung. Zudem sind überdurchschnittlich viele von ihnen verheiratet und regelmäßige Kirchgänger.
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