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Wahlsystem und Rolle der Wahlkommission
Gewählt wird nach einem modifizierten Verhältniswahlsystem. Von den 225 Abgeordneten werden 196 auf Wahlkreisebene gewählt. Um diese 196 Sitze haben sich 4610 Kandidaten aus 15 Parteien und sieben unabhängigen Gruppen beworben. Weitere 29 Sitze werden auf der Basis der Stimmen, die die Parteien auf nationaler Ebene bekommen haben, verteilt.
Auf diesen Nationallisten befinden sich einige hundert Bewerber. Viele Parteien haben Wahlbündnisse geschlossen. So haben sich z.B. alle Tamilenparteien, die sonst ständig zerstritten waren, zusammengeschlossen, bis auf die EPDP (Eelam People's Democratic Party) von Douglas Devananda, die zur PA (People's Alliance) von Präsidentin Kumaratunga gehört. Zu diesem "Volksbündnis" gehören außer der SLFP (Sri Lankan Freedom Party) der Präsidentin noch einige kleinere linke Parteien. Die größte Oppositionspartei, die UNP (United National Party) hat sich mit den Dissidenten, die die Regierung verlassen haben, und dem Sri Lanka Muslim Congress (SLMC) zu einem Wahlbündnis, der UNF (United National Front), zusammengeschlossen.
Der Vorsitzende der Wahlkommission, Dayananda Dissananayke, hat davor gewarnt, dass er keine freien und fairen Wahlen garantieren könne. Er würde aber alle neuen Befugnisse, die er durch den 17. Zusatzartikel zur Verfassung erhalten hat, in Anspruch nehmen. Es bleibt aber abzuwarten, ob er sich durchsetzen kann. Leider hat er sich auch bei früheren Wahlen nicht als sehr durchsetzungsfähig erwiesen.
Bis jetzt ist es ihm nicht gelungen, sich gegen den Polizeikommissar durchzusetzen und ihn daran zu hindern, Polizeioffiziere auch nach dem Beginn des Wahlkampfs nach politischen Kriterien zu versetzen. Er scheint auch nicht imstande zu sein, die staatlichen Medien dazu zu bringen, objektiv zu berichten. Sie beteiligen sich ganz ungeniert an der Regierungspropaganda und ziehen die Opposition durch den Schmutz. Der stellvertretende Vorsitzende der UNP, Karu Jayasuriya, hatte sich an das Verfassungsgericht gewandt, um Klage gegen diese einseitige Berichterstattung zu erheben. Diese Klage soll erst im Februar 2002 gehört werden, also 3 Monate nach den Wahlen!
Es sollen auch Transportmittel und Personal von Ministerien sowie Waffen der Regierungspartei für den Wahlkampf zur Verfügung gestellt worden sein. Die "Kommission zur Überwachung von Missbrauch des Staatseigentums während der Wahlen" hat die Ministerien gewarnt, dass Minister und andere Politiker, die Staatseigentum für Wahlzwecke benutzen, vor Gericht gebracht werden können. Auch dürften Beamte nicht für den Wahlkampf eingesetzt werden und nicht durch Gehaltserhöhungen und Beförderungen bestochen werden.
Wahlkampf wie im Wilden Westen
Wichtigste Wahlkampfziele der Parteien sind Wirtschaftsreformen und Verhandlungen, um den ethnischen Konflikt zu beenden. Aber Friedensbemühungen werden auch immer wieder als Waffe im Wahlkampf benutzt. So unterstellt die Regierung der UNP ein Geheimabkommen mit der LTTE, um die Singhalesen, die eine Teilung des Landes befürchten, auf ihre Seite zu bringen. Dabei hat sie selbst Verhandlungen angestrebt. Peinlich ist nur, dass ein Mitglied ihres Wahlbündnisses, nämlich die EPDP sich für ein unabhängiges "Eelam" (tamilisches Heimatland) ausgesprochen hat.
Tätliche Übergriffe scheinen an der Tagesordnung zu sein. Die meisten Beschwerden kommen von der Opposition. So soll z.B. der ehemalige Minister Reggie Ranatunga einen jungen Anhänger der UNP in Gampah tätlich angegriffen haben und von seinen Leuten so zusammenschlagen lassen, dass dieser an den Folgen starb.
Der UNP Kandidat in Batticoloa, Thambirajah Jayakumar, wurde auf offener Strasse ermordet. Das Haus des UNP Kandidaten Premadasa in Hambantota wurde mit automatischen Waffen beschossen. Die Sicherheitsleute von Minister Mangala Samaraweera beschossen einen Lastwagen mit jungen Leuten, die Plakate für die UNP geklebt hatten, selbst aber unbewaffnet waren. Bei dem darauffolgenden Unfall wurden einige schwer verletzt. Die Liste der Gewalttätigkeiten könnte beliebig fortgeführt werden. Aber was kann man schon in einem Land erwarten, dessen Präsidentin öffentlich auf einer Wahlkundgebung erklärt, das ihre Anhänger ihre politischen Gegner ermorden dürften. Wir werden jetzt eine "Auge um Auge, Zahn um Zahn" - Politik praktizieren, erklärte sie.
Dementsprechend enttäuscht zeigte sich auch der Leiter der Wahlbeobachtungsmission der Europäischen Union, John Cushnahan, der schon die Parlamentswahlen im letzten Jahr beobachtet hatte Er hatte damals einige Empfehlungen gegeben, die aber nicht befolgt wurden. Jetzt plädiert er für einen Verhaltenskodex, den alle Parteien befolgen sollten. Die Wahlbeobachter der Europäischen Union sollen insbesondere in den Bezirken eingesetzt werden, die als besonders unsicher gelten. Allerdings war man hier im letzten Jahr etwas enttäuscht über die ausländischen Wahlbeobachter, weil sie sich nicht zu einer klaren Verurteilung der Gewalttätigkeiten und Wahlfälschungen hatten durchringen können.
Das französische Regierungssystem und seine Chancen in Sri Lanka
Die große Frage ist aber, wie es nach den Wahlen weitergehen soll, denn die Präsidentin ist ja noch für weitere vier Jahre gewählt. Und sie scheint nicht gewillt zu sein, mit der Opposition zusammenzuarbeiten, auch wenn diese die Mehrheit im Parlament haben sollte. Als "Executive President" verfügt sie natürlich über eine große Machtfülle, aber sie ist nicht das einzige Machtzentrum. Nach der Verfassung ist die Hoheitsgewalt sowohl in der direkt vom Volke gewählten Präsidentin als auch in dem ebenfalls vom Volk gewählten Parlament begründet.
Die rechtliche Lage ist ähnlich wie in Frankreich, wo ein konservativer Präsident durchaus mit einer sozialistischen Regierung koexistieren kann, oder auch umgekehrt. Dieses System der "cohabitation" funktioniert in Frankreich, weil die Franzosen das Wohl ihrer Nation über das ihrer Partei oder ihre persönliche Macht setzen. So hat seinerzeit Präsident Mitterand sich ganz aus den Parlamentswahlen herausgehalten und den Wahlkampf der sozialistischen Partei überlassen. Auf diese Art hat er die Würde des Präsidentenamtes erhalten.
Ob das hier funktionieren wird, ist eine offene Frage.
Sollte die Präsidentin sich weigern, die Mehrheitspartei zur Regierungsbildung aufzufordern, auch wenn es sich nicht um ihre eigene Partei handeln sollte, dann würde sie undemokratisch und unkonstitutionell handeln. Schließlich ist sie direkt vom Volk und nicht vom Parlament oder ihren eigenen Partei in das Amt des Präsidenten gewählt worden und hat eine besondere Verantwortung gegenüber der Nation, um das Land nicht im Chaos versinken zu lassen.
Es scheint hier aber weniger um das Wohl des Landes als um Machterhalt zu gehen. Der Bruder der Präsidentin, Anura Bandaranaike, der ehemalige Sprecher des Parlaments, der inzwischen von der UNP zur Partei seiner Schwester, der SLFP, übergetreten ist, hat schon öffentlich erklärt, dass seine Schwester nicht bereit sei, mit der Opposition zusammenzuarbeiten. Lieber würde sie das Parlament immer wieder vertagen, bis sie es nach einem Jahr offiziell auflösen und Neuwahlen ansetzen könnte.
Das würde natürlich ein weiteres Jahr Regierung ohne "checks and balances" mit den zu erwartenden gravierenden Folgen bedeuten.
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