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Dieser Schritt erfolgte unmittelbar nach Straßenprotesten am Vorabend in Bukarest mit ca. 30.000, vor allem jungen, Beteiligten, vor dem Hintergrund eines tragischen Brandes in einem Club in der Hauptstadt, bei dem 32 Menschen ums Leben gekommen und Dutzende schwer verletzt worden waren.
In der Öffentlichkeit war letzteres als Ergebnis des korrupten politischen Systems gedeutet worden, zumal der Club etliche gesetzlich verankerte Sicherheitsvorkehrungen nicht eingehalten hatte, jedoch im Besitz einer behördlichen Genehmigung gewesen war. Gleichwohl war vor zwei Wochen ein Polizeibeamter gestorben, der eine motorisierte Eskorte des Vizepremierministers und Innenministers Gabriel Oprea (zugleich UNPR-Vorsitzender) geführt hatte, auf die dieser aber kein gesetzliches Anrecht gehabt hätte. Unter diesen Bedingungen hatten sich die Proteste gegen die vor allem von der Jugend und von der städtischen Mittelschicht als korrupt wahrgenommene politische Elite gerichtet, wobei konkret der Rücktritt sowohl von Ponta, als auch von Oprea verlangt wurde.
Dabei hatte zumindest Ponta seit Monaten öffentlich unter Druck geraten. Gegen ihn läuft ein Strafverfahren und selbst innerhalb der PSD hatte er den Rückhalt verloren, deren Vorsitz er an den ehemaligen Vizepremierminister und bekannten PSD-Hintermann Liviu Dragnea bereits im Sommer hatte abgeben müssen. Auch der Rücktritt Opreas war nach dem Unfall seiner Eskorte sowohl von der Opposition, als auch von der Zivilgesellschaft verlangt worden. Nach dem Rücktritt Pontas erklärte Oprea, selbst kein weiteres Regierungsamt anstreben zu wollen. Insofern könnte der von Ponta und Oprea als Reaktion auf die Stimme der Straße dargestellte Rücktritt auch als willkommene Exit-Strategie gedeutet werden, die auch der PSD und UNPR die Möglichkeit bieten, sich im Vorfeld der im nächsten Jahr anstehenden Kommunal- und Parlamentswahlen öffentlich neu aufzustellen. PSD, UNPR und ALDE haben über die Stimmen ihrer Vorsitzenden eine Fortsetzung der Regierungskoalition in Aussicht gestellt, wobei Dragnea auch angekündigt hat, dem Präsident einen noch nicht genannten Kandidaten für das Amt des Premierministers vorschlagen zu wollen.
Tatsächlich muss laut Verfassung Präsident Klaus Iohannis Konsultationen mit sämtlichen im Parlament vertretenen Parteien zwecks Bildung einer neuen Regierung durchführen. Zunächst aber muss aus den Reihen des scheidenden Kabinetts ein Interim-Premierminister ernannt werden, der die Regierungsgeschäfte für maximal 45 Tagen kommissarisch leitet. Hierfür hat die PSD den Verteidigungsminister Mircea Dușa vorgeschlagen, das Ernennungsrecht obliegt jedoch dem Staatsoberhaupt. Derweil müsste infolge der Konsultationen mit den Parteien der Präsident einen neuen Premierminister vorschlagen. Falls sich PSD, UNPR und ALDE tatsächlich auf einen Kandidaten einigen könnten, wäre es verfassungsrechtlich für Iohannis äußerst schwierig, einen entsprechenden Kandidaten abzulehnen. Ferner scheint die oppositionelle PNL nicht gewillt, selbst den Versuch einer Koalitionsaufstellung zu unternehmen. Stattdessen haben die Co-Vorsitzenden der PNL, Alina Gorghiu und Vasile Blaga, vorgezogene Parlamentswahlen gefordert. Dies ist jedoch ein laut Verfassung fast unmöglicher Vorgang. Eine Auflösung des Parlaments durch den Präsidenten ist nur möglich, nachdem zwei vorgeschlagene Regierungen das Vertrauen des Parlaments nicht gewinnen konnten – ein Fall, der nur eintreten könnte, wenn Iohannis mit Absicht zwei aussichtslose Kandidaten hintereinander vorschlüge, die zur Bewahrung der Form dem Parlament sogar ein Regierungsprogramm und ein vollständiges Kabinett präsentieren müssten. Ein von Gorghiu ebenfalls in den Raum gestellter kollektiver Rücktritt aller Parlamentarier scheint nicht nur wegen des mangelnden politischen Willens der PSD, UNPR und ALDE unmöglich, sondern auch, weil nach geltendem Recht das künftige Parlament weniger Mitglieder hätte und viele Hinterbänkler aus allen Parteien sich einem solchen Schritt verweigern würden.
Auf jeden Fall scheint die Kluft zwischen der rumänischen Politik und Gesellschaft einen neuen Höhepunkt erreicht zu haben. Dieses Thema griff Präsident Iohannis in einer Presseerklärung am Abend des Rücktritts der Regierung auf. Dabei sprach er die von ihm für legitim erachtete Empörung der Bevölkerung darüber an, dass weder der Unfall des Polizisten aus der Eskorte von Oprea, noch die Tragödie im Bukarester Club „Colectiv“ dazu geführt hätten, dass Politiker die entsprechende Verantwortung übernommen hätten. Außerdem betonte er, dass beide Ereignisse auf die Nichteinhaltung von Gesetzen wie auch auf die Untätigkeit der für die Umsetzung Verantwortlichen zurückzuführen seien. Die Protestierenden hätten Recht gehabt und klar gezeigt, dass sie einen Wandel wollen.
Iohannis kündigte für die nächsten Tage Konsultationen mit den politischen Parteien an und brachte die Hoffnung zum Ausdruck, dass die nächste Regierung – auf deren Zusammensetzung er bewusst nicht einging – die bisherigen Fehler nicht wiederholen werde. Dabei betonte er, dass allein ein Regierungswechsel die Probleme des Landes nicht lösen werde. Es sei notwendig, dass die Politiker auf die Stimme der Bürger hören. Iohannis knüpfte im Rahmen seiner Rede an seine Kernbotschaft bei der Präsidentschaftswahl 2014: die Notwendigkeit, einen Wandel in der Gesellschaft herbeizuführen, die von den Bürgern bereits durch seinen Wahlsieg signalisiert wurde. Inwieweit er aber den Rückhalt der politischen Parteien für seine Forderungen in den nächsten Tagen gewinnen kann, ist noch schwer abzuschätzen. Vieles wird wohl auch davon abhängen, inwieweit sich die Protestbewegung mit den Rücktritten abfindet, oder weiterhin gegen die gesamte politische Elite auf die Straße gehen wird.
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