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„Es gibt Dinge, die verschweigt man sogar den Toten“

by Sophie Meiser

Hans-Ulrich Treichel stellte sein Werk „Tagesanbruch“ in der Reihe „Literatur und Integration“ vor

Der Schriftsteller Hans-Ulrich Treichel stellte in der Akademie der Konrad-Adenauer-Stiftung seine neue und viel beachtete Erzählung „Tagesanbruch“ vor. Es ist die eindrückliche Geschichte einer Frau, die am Totenbett ihres Sohnes versucht, sich ihrem bislang tabuisierten Kriegstrauma zu stellen. „Tagesanbruch“ ist mehr als ein Zeitdokument über die Verdrängungsmechanismen im Nachkriegsdeutschland; es ist ein Buch über Identität, Verlust, Heimat und schließlich auch Familie.

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Hans-Ulrich Treichels Lesung war Teil der Veranstaltungsreihe „Literatur und Integration“, in der literarische Werke mit vielseitigem Integrationsbezug vorgestellt werden. „Tagesanbruch“ ist mehr als ein Zeitdokument über die Verdrängungsmechanismen im Nachkriegsdeutschland; es ist ein Buch über Identität, Verlust, Heimat und schließlich auch Familie.

Flucht, Vertreibung und Identitätsfindung

Zentrale Themen in Hans-Ulrich Treichels Schaffen sind Flucht und Vertreibung. Schon in seinem Erfolgsroman „Der Verlorene“ setzte sich der Autor intensiv mit der Flucht seiner Eltern aus den deutschen Ostgebieten im Zweiten Weltkrieg und ihrem beschwerlichen Neuanfang im Nachkriegsdeutschland auseinander. Seine Werke seien somit unweigerlich biografisch motiviert, unterstrich Treichel. In der Retrospektive habe er sich jedoch erst spät bewusst für das Schicksal seiner Familie interessiert. Flucht und Vertreibung seien für lange Zeit Teil der Identität seiner Familie, jedoch nicht seiner eigenen, gewesen. Erst als der Schriftsteller im Erwachsenenalter erfuhr, dass sein älterer Bruder bei der Flucht ums Leben gekommen war, habe er begonnen, sich der Vergangenheit seiner Familie - und somit seiner Herkunft - anzunehmen. Ein schmerzlicher wie auch prägender Prozess, den der Autor in seinen Werken offenlegt.

Das Unaussprechliche aussprechen

Die Flucht aus dem Osten, der Neuanfang im Nachkriegsdeutschland und auch das Schweigen über Erlebtes – all das ist auch der Stoff, aus dem Hans-Ulrich Treichels neues Buch gemacht ist. „Tagesanbruch“ erzählt die Geschichte einer Mutter, die ihren toten Sohn in den Armen hält. Während sie darauf wartet, dass der Tag anbricht, versucht sie in einem Selbstgespräch all jenes auszusprechen, was sie niemals ausgesprochen hat. Ganz besonders schwer fällt es ihr, über das traumatische Erlebnis zu sprechen, das sie während der Flucht aus dem Osten erfahren musste. Eine Tragödie, die sie niemandem anvertraut hat, schon gar nicht ihrem eigenen Sohn. Sie möchte sich von diesen Erinnerungen befreien, indem sie diese ausspricht. Doch am Ende scheitert sie. Denn: „Es gibt manche Dinge, die verschweigt man sogar den Toten“. Der Monolog der Frau, so der Schriftsteller über sein Werk, zeige nicht nur, wie schwer es sei, sich aus den Fängen des Nicht-Erzählens zu lösen, sondern auch das Schweigen vor sich selbst zu brechen. Anders als in seinen vorherigen Werken nimmt Treichel dieses Mal die Perspektive der Mutter ein. Eine Herausforderung, wie der Autor zugab. So habe er sich doch in der Vergangenheit häufig der Rolle des Sohnes gewidmet, der stets sein Unverständnis gegenüber der Mutter über ihre Verschlossenheit und Unfähigkeit zum Trauern äußere. In „Tagesanbruch“ hingegen bringt Treichel Verständnis für die Sichtweise der Mutter auf; klagt sie nicht an, sondern zeigt Empathie. Hans-Ulrich Treichel hat ein sehr leises, aber eindringliches Buch geschrieben. So resümiert Christian Schleicher, Abteilungsleiter Bildungsforen und Regionalbüros Nord der Konrad-Adenauer-Stiftung: „Es ist ein elementares Werk über die Nachkriegszeit der Bundesrepublik. Treichel nimmt den Leser mit auf eine Reise durch Schatten und Licht einer Familiengeschichte“.

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Berlin Deutschland

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