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Dirk von Jutrczenka, Pastor der Remberti-Gemeinde, begrüßte die Gäste und führte in die Veranstaltung ein: Als vierter Vortrag der sechsteiligen Reihe „Islam in Deutschland – Ein interreligiöser Dialog im Jubiläumsjahr der Reformation“ sollte die Veranstaltung dazu beitragen „die öffentliche Debatte, die oft von Zerrbildern bestimmt ist, zu versachlichen.“ Um auch in religiösen Gemeinschaften Freiheiten zu bewahren, sei solch eine Diskussion und „ständige Erneuerung“ unerlässlich.
Für die Zusammenstellung eines „Who’s who derjenigen, die sich in Deutschland mit dem Islam beschäftigen“ gratulierte Dr. Ralf Altenhof, Leiter der KAS Bremen, Pastor von Jutrczenka und seinen Unterstützern. Neben Lamya Kaddor waren dies unter anderem Prof. Dr. Hartmut Bobzin (Universität Nürnberg-Erlangen) und Hamed Abdel-Samad. Da noch immer „viel zu oft übereinander und viel zu selten miteinander“ geredet werde, beteilige die KAS sich sehr gern an der Veranstaltung. Altenhof wies außerdem auf das Engagement der KAS für einen interreligiösen Dialog hin: Das „Muslimische Forum in Deutschland“ beispielsweise, das Sunniten, Schiiten, Aleviten, Jesiden und Christen zusammenbringt, setze sich für Demokratie und Menschenrechte ein, mit dem Ziel, „der Mehrheit der Muslime eine Stimme zu geben.“ In Kreativwettbewerben wurden außerdem junge Leute zur Auseinandersetzung mit Religion in Deutschland angeregt.
Lamya Kaddor, Tochter syrischer Einwanderer, studierte Arabistik, Islamwissenschaften und Erziehungswissenschaften. Sie vertritt eine liberale Auslegung des Islam und ist als Gründungsmitglied des „Liberal-islamischen Bundes“ Kritik sowohl von konservativen Muslimen als auch von „Islamkritikern“ ausgesetzt. Sie erwidert darauf aber: „Ich werde nicht die Klappe halten.“ Stattdessen setzt sie sich mit dem islamischen Leben in Deutschland auseinander. Als grundlegende Voraussetzung für ein erfolgreiches Zusammenleben von Nichtmuslimen und den etwa 5 Millionen Muslimen in Deutschland sieht sie die Lösung der Gleichung „Islam + 21. Jahrhundert = ?“
Kaddor bezeichnete den Islam in Deutschland als „Religion mit Migrationshintergrund“, der insbesondere mit türkischen Gastarbeitern nach Deutschland gekommen sei. Die Selbstdefinition von Muslimen vorrangig über ihren Glauben beobachte sie jedoch erst seit Kurzem, wobei auch die Reduzierung von Muslimen auf ihre Religion durch Nichtmuslime eine zentrale Rolle spiele. Gleichzeitig erschwere das medial geschaffene Bild des Islam – 80 Prozent der Berichterstattung stehe im Zusammenhang mit Kriminalität, Gewalt, Terrorismus und Unterdrückung – einen differenzierten und offenen Umgang miteinander. Aufeinander zuzugehen und in den Diskurs zu treten sei die Grundlage für Verständigung und Integration.
Die Möglichkeit einer beständigen Reflexion, Reformation und Liberalisierung des Islam sah Kaddor in der Scharia, die, wie sie darstellte, keinesfalls ein auf „Gebote und Verbote“ beschränktes Rechtssystem sei, sondern stattdessen den Prozess der Erarbeitung von Überzeugungen und Handlungsansätzen aus der Religion bezeichne. So seien der Koran und Schriften über das Leben des Propheten Mohammeds zwar die beiden vorrangigen Quellen, aber nur noch bedingt auf die Gegenwart anwendbar. Statt ihnen wörtlich zu folgen, sei der Sinn der Textstellen herauszuarbeiten und im aktuellen Kontext zu betrachten: „Das macht jeder liberale Gläubige so.“ Das Kopftuch beispielsweise, das ursprünglich „Schutz und Erkennung“ bedeutete, sei über seine Schutzfunktion in Deutschland kaum noch zu begründen, als Tradition jedoch durchaus. Diesen reflektierten „modernen Anspruch“ zu vermitteln, sei Aufgabe der seit 2004 in Deutschland ausgebildeten Islamwissenschaftlerinnen, islamischen Religionslehrern und Imame. Kaddor brachte die Hoffnung zum Ausdruck, über eine offene Diskussion innerhalb der muslimischen Gemeinden über die Inhalte ihres Glaubens einerseits und über einen vorbehaltlosen Umgang von Muslimen und Nichtmuslimen andererseits eine Liberalisierung des Islam erst in Deutschland und dann „von außen nach innen“ auch international anzustoßen.
Die Reihe „Islam in Deutschland“ wird im August fortgesetzt, am 28. September spricht Prof. Dr. Mouhanad Khorchide, Professor für Islamische Religionspädagogik an der Universität Münster, ebenfalls auf gemeinsame Einladung der St.-Remberti-Gemeinde und der KAS zum Thema „Islam ist Barmherzigkeit. Liberale Theologie des Islam“. Die Vorträge sind online verfügbar unter http://remberti.de/blog/22236.
Provided by
Politisches Bildungsforum Bremen
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