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Prof. Dr. Michael Wolffsohn zu "Zeitenwenden – Fakten und Fiktionen"

Tag der Konrad-Adenauer-Stiftung 2014

Im Jubiläumsjahr 2014 jähren sich viele historische Ereignisse, aus denen „Lehren für die Herausforderungen der Zukunft“ zu ziehen seien, sagte Prof. Dr. Michael Wolffsohn in seinem Vortrag bei der Auftaktveranstaltung zum diesjährigen Tag der Konrad-Adenauer-Stiftung unter dem Motto „Zeitenwenden - die Tagesordnung der Zukunft“.

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„Ich möchte mit ihnen nicht nur über Zeitenwenden sprechen, um zu erinnern, sondern vielmehr, um neue Denkversuche anzustellen“, so der Historiker. Um Geschichte zu verstehen, müsse man die Ereignisse prüfend hin- und herwenden, um herauszufinden, ob es sich dabei tatsächlich um eine Zeitenwende handele. Zunächst müsse festgestellt werden, wo ein Ereignis stattfinde und vor allem, wer davon betroffen sei – eine Nation oder die ganze Welt? „Erst dann stellt sich die entscheidende Frage, in welcher Richtung es danach geht und ob diese besser oder schlechter ist.“

Wolffsohn begann mit einem Rückblick auf den Ersten Weltkrieg und das Jahr 1914, das definitiv eine Zeitenwende darstelle. Nicht nur sei dies die ‚Urkatastrophe‘ für Europa gewesen, sondern auch der Auftakt für eine neue Rolle der damaligen Kolonialvölker, die durch ihre jeweiligen Kolonialmächte in den Krieg hineingezogen wurden. „Denn wer Krieg führt, darf auch mitreden“, so Wolffsohn. Daher sei der Beginn des Ersten Weltkriegs der Beginn ihrer staatlichen Selbstbestimmung gewesen.

Doch auch die Jahre 1917 und 1919 repräsentierten wichtige historische Einschnitte. Für Russland sei 1917 durch Revolution und die Beendigung der Zarenzeit entscheidend gewesen, weltweit habe 1919 durch die Fülle neu entstehender Staaten entscheidend zu einer Vielzahl innerer und äußerer Konflikte beigetragen. „Mir geht es nicht allein um Zahlenspielerei, sondern darum, etwas in seiner Vielfältigkeit zu verstehen.“

Mit Blick auf das 1989 stellt sich der Historiker die Frage, ob wir hierzulande mit dem Fall der Mauer nicht zu „germano-zentristisch“ denken, da etwa für China dieses Jahr vor allem mit der demokratischen Revolution auf dem Platz des Himmlischen Friedens verbunden sei. Weltweit habe vielmehr das 1991 und der Zerfall der Sowjetunion eine wichtige Bedeutung, wodurch die Ereignisse 1989 in Deutschland eine „Um-Akzentuierung“ erfahren würden.

Auch das Jahr 1939 müsse anders betrachtet, findet Wolffsohn. Die Aggressivität von Hitlers Expansionspolitik müsse selbstverständlich verdammt werden, aber zur Betrachtung der Ereignisse gehöre auch, „dass es für die arabische Welt der Anlass war, sich gegen die Kolonialmächte Großbritannien und Frankreich zu erheben“. Die deutsche Perspektive auf diese Jahre sei nicht falsch, „aber wir sollten uns im Klaren darüber sein, dass es auch andere Perspektiven und Bewertungen der Geschichte gibt“.

„Für uns muss es ein Anliegen sein, anderen dabei zu helfen, Frieden zu finden.“ Wolffsohn betonte die Errungenschaften der heutigen Bundesrepublik, doch vermisse er eine strategische Ausrichtung der deutschen Außenpolitik. „Früher gab es Westbindung, Ostpolitik und später die Wiedervereinigung – heute scheint es, als sei Deutschland nicht bereit, über den eigenen Tellerrand zu schauen.“ Die Welt müsse betrachtet werden, wie sie ist, so Wolffsohn. „Und wir dürfen dankbar sein, was aus Deutschland und Europa heute geworden ist.“

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