Auf Einladung des Politischen Bildungsforums Rheinland-Pfalz der Konrad-Adenauer-Stiftung e. V. und des Kuratoriums der Markt- und Bürgerkirche St. Gangolf Trier sprach Prof. Dr. Norbert Lammert, ehemaliger Bundestagspräsident und Vorsitzender der Konrad-Adenauer-Stiftung e. V., zum Thema "Demokratie braucht Demokraten". In der vollbesetzten Trierer Kirche fanden sich insgesamt 350 Gäste zu der Veranstaltung im Rahmen des Forums Bürgerkirche St. Gangolf ein. Neben führenden Vertreterinnen und Vertretern der Kirche, Politik und Wirtschaft stieß die Veranstaltung auch bei themenbezogenen Akteuren und Gruppierungen der Zivilgesellschaft auf regen Zuspruch. Überdies fanden sich 50 Schülerinnen und Schüler sowie Mitglieder des Trierer Jugendparlaments in St. Gangolf ein. Der Veranstaltungsort ist seit vielen Jahrhunderten ein Symbol für Glaube, christliche Werte und eine engagierte Stadtgesellschaft. Er strahlte seine bedeutungsvolle Geschichte und außergewöhnliche Atmosphäre auch an diesem Veranstaltungsabend in besonderer Weise aus. Nach einer musikalischen Einstimmung mit Orgelspiel eröffnete der ehemalige Bundestagsabgeordnete und frühere Bürgermeister Bernhard Kaster, Vorsitzender des Kuratoriums der Markt- und Bürgerkirche St. Gangolf und Mitglied des Kuratoriums der Konrad-Adenauer-Stiftung e. V., die Vortrags- und Diskussionsveranstaltung feierlich. In seinen einleitenden Worten unterstrich er die hohe Aktualität des Themas, welche sich aus diversen Besorgnis erregenden Entwicklungen für die Demokratie in der Welt, Europa und auch in Deutschland ergebe. Prof. Dr. Lammert ermunterte in seinem sich anschließenden Vortrag zu persönlichem Engagement für die Demokratie und warnte davor, die Fundamente unseres freiheitlich-demokratischen Rechtsstaats als allzu selbstverständlich zu empfinden. Bei allen Befürchtungen angesichts der weltweite Entwicklung der Demokratien dürften wir Deutschen aber auch zuversichtlich sein: Zwar sei, so Prof. Dr. Lammert, die Demokratiegeschichte unserer vergleichsweise jungen Nation ungewöhnlich kompliziert verlaufen, sperrig und auch gebrochen. Hier nahm er ausdrücklich die Verbrechen der Nationalsozialisten und den Verlust jeglicher moralischer Reputation Deutschlands am Ende des Zweiten Weltkriegs in den Blick. Andererseits gehöre das am 23. Mai 1949 verkündete Grundgesetz mittlerweile zu den ältesten, stabilsten und erfolgreichsten Verfassungen der Welt. Am Beispiel Frankreichs stellte der ehemalige Bundestagspräsident dar, dass auch einige Staaten mit längeren demokratischen Traditionen als Deutschland zu einem Teil jüngere Verfassungen hätten. Dies zeige, dass politische Systeme fragil seien und nachweislich nicht unter Denkmalschutz stünden. Gerade Deutschland bleibe auf Demokratinnen und Demokraten angewiesen, die ihre Verantwortung für die Aufrechterhaltung eines funktionierenden demokratischen, rechtsstaatlichen und liberalen Systems aktiv wahrnehmen. Dass weltweit nur noch etwa zwei Dutzend Staaten uneingeschränkt als Demokratien gelten könnten, sei ernüchternd. Ein Befund, der unterstreiche, dass Demokratie kein natürlicher Zustand sei und nicht die Regel bilde. Demokratie müsse gelebt, verteidigt und bisweilen neu errungen werden, so Prof. Dr. Lammert, der seine Appelle immer wieder auch direkt und explizit an die anwesenden Jugendlichen richtete. Einige von ihnen hatten bereits vor Veranstaltungsbeginn an einer von Markus Nöhl, Beigeordneter der Stadt Trier, eingeleiteten und von Thomas Roth, Chefredakteur des Trierischen Volksfreundes, moderierten Diskussion mit dem ehemaligen Bundestagspräsidenten teilgenommen, die das Politische Bildungsforum Rheinland-Pfalz der Konrad-Adenauer-Stiftung e. V. zur Einstimmung auf das Abendprogramm für junge Erwachsene angeboten hatte.
Anschließend fand eine ausgiebige Diskussion von Prof. Dr. Lammert mit den Gästen statt, die der Landesbeauftragte der Konrad-Adenauer-Stiftung für Rheinland-Pfalz Philipp Lerch moderierte. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer stellten diverse Fragen und gaben dabei auch sehr persönliche Statements ab. Sie zeigten sich etwa besorgt um den Zustand der Demokratie, fragten nach Möglichkeiten, Extremisten den politischen Nährboden zu entziehen, besprachen Frustrationspotentiale bei den Wählerinnen und Wählern von Parteien der politischen Ränder, erörterten Wege zu mehr Problemlösungskompetenz in der politischen Mitte, tauschten sich über den Zusammenhang von Wirtschafts- und Verfassungserfolg aus sowie diskutierten über die menschliche Tendenz, Problemen erst dann ernsthaft zu begegnen, wenn sie bereits groß geworden sind. Die Quintessenz der Diskussion buchstabierte Prof. Dr. Lammert in Anlehnung an eine Metapher von Erich Kästner, der einst davor gewarnt hatte, abzuwarten, bis aus Schneebällen ganze Lawinen geworden seien, wie folgt aus: „Autoritäre Regime brauchen kein bürgerschaftliches Engagement. Sie mögen es auch nicht. Demokratische Systeme erlauben nicht nur bürgerschaftliches Engagement, sie brauchen es.“
Domkapitular Dr. Markus Nicolay ging in seinen Schluss- und Dankworten auch auf die Rolle und den Beitrag der Christinnen und Christen ein. Sie seien aufgerufen, sich für Kirche, Staat und Gesellschaft zu engagieren – und dabei zum Ausdruck zu bringen, dass wir auf eine verheißungsvolle Zukunft hoffen dürfen. Kirche könne, so Pastor Dr. Nicolay weiter, einen wertvollen Beitrag leisten, etwa indem sie ihre Gebäude zu jeder Tageszeit offen halte, um Möglichkeiten des Rückzugs, der Ruhe, des Abstands, der Einkehr und des Gebets zu schaffen. Schließlich sei Kirche aufgefordert, ihren historischen Erfahrungsschatz zu teilen und sich in Debatten und den alltäglichen Gedankenaustausch einzubringen – so wie dies im Rahmen des Forums Bürgerkirche St. Gangolf geschehe.
Die Gäste vertieften ihren Austausch und die Diskussion ausgiebig bei einem anschließenden Empfang.Provided by
Politisches Bildungsforum Rheinland-Pfalz
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