Event reports
Neben der eigenen Identität, geprägt durch den Glaube, die Herkunft oder auch den favorisierten Fußballverein, gebe es Werte, so Tauber, die allgemeiner Konsens seien aber einem steten Wandel unterliegen würden. Aufgabe der Gesellschaft und der Politik müsse es sein, sich immer wieder neu über das, was gelten soll, zu verständigen. Für ein funktionierendes Zusammenleben brauche unsere Gesellschaft etwas Verbindendes. Dazu gehörten sicherlich auch Symbole, wie etwa die deutschen Nationalfarben Schwarz-Rot-Gold. Sie seien „Ausdruck der Freiheit aller Völker und Menschen“.
Schwarz-Rot-Gold: Symbol der Freiheit
Völlig verkehrt sei es deswegen, wenn PEGIDA- und AfD-Anhänger sich der deutschen Flagge bemächtigten. Diese Menschen wüssten offenbar nichts über deren Bedeutung. Tauber, der im Herbst in einer Flüchtlingsunterkunft in Offenbach geholfen hat, berichtete, dass dort Kinder Bilder gerne in schwarz-rot-goldenen Farben malen. Sie würden die deutsche Flagge offenbar kennen, aber sie wüssten nichts über die Bedeutung der Farben. „Aber sie geben ihnen unbewusst ihre historische Bedeutung zurück. Für die Flüchtlingskinder sind die Farben Schwarz-Rot-Gold die Farben der Freiheit, des Friedens und der Hoffnung“, so Tauber.
Dazu gehören - Werte teilen
„Jeder kann dazu gehören, wenn er will“. Dieser in Hessen bekannte Ausspruch sollte auf ganz Deutschland übertragen werden, appellierte Tauber zum Ende. "Wichtige Grundvoraussetzung ist die gemeinsamen Werte zu teilen."
Nach diesem inhaltlichen Input verteilten sich die Jugendlichen auf verschiedene Workshops. Unter Anleitung entstanden bis zum Nachmittag u.a. ein Graffiti, Theaterstück, Poetry Slam, sowie Texte im Workshop Schreibwerkstatt und ein Film (s.u.).
Folgende Schulen haben an dem Jugendpolitiktag teilgenommen:
- Johann-Gottfried-Herder-Gymnasium aus Lichtenberg
- Jüdisches Gmynasium Moses Mendelssohn aus Mitte
- Kurt-Schwitters-Oberschule aus Pankow
"Was uns prägt, was uns eint" - das Ergebnis vom Filmworkshop
Wie schön wäre es
Autorin: Elena
In Zeiten, in denen populistische Bewegungen wie die Pegida oder die AfD mit ihren rassistischen, generalisierenden und teils auch vefassungswidrigen Ausrufen und Forderungen zunehmenden Erfolg haben, fällt es schwer, stolz auf die eigene deutsche Identität zu sein.
Das mag einerseits mit unserer komplizierten Vergangenheit zu tun haben, andererseits aber auch mit der aktuellen politischen Lage.
Rund 70 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg scheint nicht nur eine Art Patriotismus wieder legitim zu sein, sondern auch eine eindeutig rechte Gesinnung, in der Mitte der Gesellschaft.
Gründe dafür liegen auch in den Veränderungen der letzten Jahre, der letzten Jahrzehnte. Durch die Globalisierung verschwimmen die Kategorien. Es gibt keine wirklich typisch deutschen Tugenden oder Produkte mehr. Wir tragen Klamotten aus Bangladesh, essen Obst aus Mexiko und fahren Autos aus Japan.
Hier kommt wieder die nationale Identität ins Spiel, weil sie für viele Menschen identitätsstiftend wirkt. Sie unterscheidet die Menschen voneinander, man hebt sich voneinander ab. Vor allem, wenn man sich im Stich gelassen fühlt von Politik und Gesellschaft, wirkt diese Bewegung besonders attraktiv. Sie bietet ein Feld, in dem man sich aufgehoben fühlt, wo man seinen Unmut und Frust ablassen kann, man ist unter Gleichgesinnten. Die Bewegungen holen die Menschen dort ab wo eigentlich die Politik greifen sollte.
„Deutschland den Deutschen“ ist einer dieser Sätze die man so hört. Es hört sich so klar, so einfach an, ist aber trotzdem so abstrakt. Was ist Deutsch? Wer sind „die“ Deutschen?
Ist man Deutscher, wenn man hier aufgewachsen ist? Wenn die Eltern hier aufgewachsen sind? Wenn man eine Mutter und einen Vater hat? Wenn man gerne Leberwurst und Sauerkraut isst?
Oder einfach, wenn man sich dazu entscheidet hier zu leben?
Für viele Menschen ist deutsche Identität vor allem geprägt durch markante Persönlichkeiten: Politiker wie Kohl oder von Weizsäcker, Schriftsteller wie Goethe, Schiller.
Meine persönliche deutsche Identität ist allerdings vor allem durch meine Kindheit und mein Umfeld geprägt. Durch meine Eltern, die es mir ermöglicht haben, auf eine Europaschule in Berlin zu gehen, durch meine Freunde, bei denen es egal ist, von woher sie kommen, aber auch von meinem Opa, der mich immer zu seinen eritreischen Freunden mitnahm, als ich klein war. All das ist deutsch für mich. Wie schön wäre es, wenn mehr Menschen offener wären für diese Einflüsse.
Integration ist immer gegenseitig
Autor: Felix
Auf der ganzen Welt herrschen Krieg, Chaos, Terror. Was macht das mit den Menschen auf der ganzen Welt? Prägt sie das oder verschreckt sie das eher? Ist es wichtig, eine solche Erfahrung gemacht zu haben, um zu wissen, was im Leben wirklich wichtig ist? Verstehen Betroffene Werte wie Freiheit und Sicherheit besser als Menschen, die davon eventuell nur in der Theorie Gebrauch gemacht haben?
Solche Fragen stellen sich wohl viele Menschen. Allein nach Deutschland sind 2016, nur bis Ende April, 116.119 Flüchtlinge aus Syrien gekommen. Vor allem sind es Familien, die mit der deutschen Kultur bis dato nicht in Berührung gekommen sind. Sie sprechen die deutsche Sprache nicht und sie kennen womöglich auch noch gar nicht die Wertvorstellungen, die man in Deutschland teilt. Sie verhalten sich also sehr zurückhaltend und nicht nur, weil sie bisher nicht viel über Deutschland wissen. Sie kommen aus einem Bürgerkriegsland, aus dem sie geflohen sind. Für jeden Migranten ist es äußerst schwer, Vertrauen zu fremden Menschen aufzubauen. Wirft man einen Blick allein auf die Kinder der Migrantenfamilien, dann erkennt man die Schwierigkeit des Migranten im deutschen System. Kaum in Deutschland angekommen, werden sie schon in das deutsche Bildungssystem hineingedrängt. Sie werden gezwungen, viele neue Leute kennenzulernen, indem sie Willkommensklassen besuchen. Sie lernen die deutsche Sprache, damit sie erfolgreich auch in die deutsche Gesellschaft integriert werden können. Doch ihre psychische Verfassung bleibt auf der Strecke.
Für die Integration ist das Lernen der deutschen Sprache der Schlüssel zum Erfolg. Kommunikation ist wesentlich für ein intaktes gesellschaftlichen Leben. Kommunikation kann nicht weitergetragen werden, wenn der Sender keinen Empfänger findet.
Jeder Mensch kriegt direkt oder indirekt etwas über Kommunikation vermittelt. Sei es nun nur banal, wenn es darum geht, wie man mit seinem Gegenüber korrekt umgeht, oder konkreter, wenn man sich das Vier-Seiten-Modell von Friedemann Schulz von Thun anschaut. Eine fehlgeschlagene Kommunikation kann auch schlimmere Folgen haben. Sehr vereinfacht kann man dies als einen Faktor ansehen, der die Machtergreifung Hitlers 1933 begünstigt hat. Deutschland litt noch an den Spätfolgen des Ersten Weltkrieges, es gab soziale, innenpolitische und auch außenpolitische Probleme. Die Weltwirtschaftskrise vereinfachte dies auch nicht. Hätte eine intaktere Kommunikation nun aber eventuell eine Menge verhindern können oder kann man Kommunikation nur als Mittel zum Zweck ansehen? Ist für eine erfolgreiche Integration das Erlernen der deutschen Sprache denn nun auch einer der wichtigsten Faktoren? Ich sage ja! Viel zu schnell kommt es zu „Ghettobildungen“, die man nicht nur in Deutschland erkennen kann. Auch in Großbritannien, speziell auch in London, kann man eine solche Verbreitung erkennen. Bengalische, asiatische oder auch schwarze Mitbürger leben zusammen in einem Viertel oder einem Bezirk der Stadt. Dies hat aber nicht zwangsweise etwas mit Ab- bzw. Ausgrenzung zu tun. Man kann es auf verschiedenste Weise beurteilen. Nimmt man den sprachlichen Aspekt als wichtigsten, dann argumentiert man auf zwei Weisen:
1.Die verschiedenen Ethnien wollen ihre Kultur erhalten und sich auf ihre Weise heimisch fühlen. Sie fühlen sich ihrem Heimatland und ihrer eigenen Kultur um einiges verbundener, wenn sie diese auch in einem Stadtteil alleine ausleben können. Nicht umsonst gibt es im bengalischen Teil Londons auch Straßenschilder, die bengalisch beschriftet sind.
2.Die Migranten versuchen sich der Integration zu entziehen, indem sie versuchen, ihre eigene Kultur beizubehalten und der neuen skeptisch gegenüber zu stehen. Es ist für sie nicht wichtig genug, sich der aufnehmenden Gesellschaft anzupassen und sich somit auch selbstständig an der Integration zu beteiligen. Viele Kritiker wären somit der Meinung, dass Deutschland von den neuen Bürgern nicht profitieren kann und die neu dazu gewonnenen Bürger nur von den deutschen Arbeitskräften und der deutschen Wirtschaft leben wollen.
Integration ist aber immer ein zweiseitiger Prozess. Die aufnehmende Gesellschaft hat genauso viele Pflichten wie die Immigranten auch. Nicht umsonst gibt es die gegenseitige kulturelle Bereicherung. Kein Mensch und auch keine Gesellschaft ist vollkommen. Man kann immer wieder etwas dazu lernen. Vielleicht werden auch jetzt einige Leute der Meinung sein, dass das folgende Beispiel nicht gut gewählt ist, aber dennoch ist es in diesem Fall in der Tat ein Mittel zum Zweck.
Das philosophische Gedankenexperiment „Mary's Zimmer“ ist an dieser Stelle meines Erachtens ein interessanter Bezugspunkt. Mary lebt hierbei in einem Raum, der nur schwarz und weiß gestaltet ist. Obwohl sie noch nie Farben gesehen hat, weiß sie alles, was man theoretisch über Farben wissen kann. Sie weiß von jeder Farbe die Wellenlänge, die absorbiert wird, und welches Farbempfinden sie im Menschen auslöst. Sie weiß also von jeder Farbe die theoretische Wirkung auf das Individuum, aber ist selbst damit noch nie in Berührung gekommen. Nun kann sie diesen schwarz-weißen Raum verlassen und sieht sich zum ersten Mal die Natur mit all ihren Farben und Wirkungen an. Die Frage, die sich stellt: Lernt sie etwas Neues? Beweist dies die Qualia oder doch eher den Physikalismus?
Daraus kann man übertragen: Jeder Mensch kann trotz seines gesamten Wissens und trotz seiner scheinbaren Vollkommenheit immer etwas Neues dazu lernen – und wenn es „nur“ die Kultur eines Anderen ist, die man kennenlernt. Wichtig ist aber auch dabei das Empfinden des jeweils Anderen. Bei keiner Sache geht es nur um einen selbst, auch nicht bei der Integration.
Integration hier, Integration da. Viele Leute reden darüber, erläutern ihre Theorien, aber wie viele setzen sich dafür wirklich ein? Wie viele sehen dieses Thema nicht nur als eigentlichen Anlass, sich einfach nur zu äußern? Maßgeblich dafür kann auch sein, wie die eigene Integration voranschreitet. Bin ich selbst integriert? Sehe nur ich das so oder sehen das auch alle Anderen so? Integration ist vielschichtiger, als jeder Einzelne zu Beginn denken mag und man kann viele Stunden darüber sprechen, schreiben und sich austauschen. Um zu einem eindeutigen Schluss zu kommen, kann das aber eine lange Zeit dauern...
Das neue Kapitel
Autorin:Helene Isabel
Der 18. Geburtstag ist für viele ein bedeutender Tag, der Beginn der Volljährigkeit, der Beginn der wahren Freiheit. Jugendliche sehnen sich nach den Vorteilen, die die Selbstbestimmung mit sich bringt, Erwachsene warnen: „Ab jetzt beginnt der Ernst des Lebens“, doch bei mir löste der Tag hauptsächlich drei Fragen aus: Wer bin ich eigentlich? Wo will ich hin? Was will ich werden?
Natürlich bin ich nicht die Einzige, die sich diesen Problemen ausgeliefert sieht. Doch leider gibt es keine allgemeingültige Antwort. Jeder muss diese Fragen für sich selbst klären. Das ist keine große Überraschung, jeder Mensch ist anders, individuell.
In den zwei Monaten und drei Tagen, die ich nun erwachsen bin, habe ich mich selten wirklich erwachsen gefühlt. Außer, dass ich Zettel von der Schule nicht für meine Eltern mit nach Hause nehmen musste, sondern direkt vor Ort unterschreiben konnte, war kaum ein Unterschied zu bemerken.
Bald werde ich mein Abitur haben und dann wird es ernst. Was tue ich als nächstes? Entscheide ich mich für ein Studium oder für eine Ausbildung? Bleibe ich in Deutschland oder erkunde ich die Welt? Eröffne ich eine Bar oder werde ich Bundeskanzlerin? Die Welt steht mir offen und die vielen Möglichkeiten sind zu überwältigend, um sich wirklich für etwas zu begeistern. Ständig vermutet man, dass irgendwo bessere Chancen auf einen warten. Und ohne eine wirkliche Leidenschaft fühlt man sich schnell verloren. Anfangs hatte ich immer das Gefühl, dass alle anderen eine genaue Vorstellung von der Zukunft haben, doch mit der Zeit fiel mir auf, dass sich das Phänomen der Planlosigkeit nicht nur bei mir finden lässt. Mittlerweile erwartet man auf die Frage: „Und, was machst du nach dem Abitur?“ kaum noch eine andere Antwort, als „Mal gucken, hab noch keinen wirklichen Plan...“.
Was ich mit Sicherheit weiß, ist, dass ich nicht hier in Deutschland bleiben will. Noch bin ich zu jung, um über einen permanenten Ortswechsel nachzudenken, aber schon lange spüre ich ein klar erkennbares Verlangen, mir die Welt anzuschauen. Eventuell liegt das nur daran, dass ich oft von Erwachsenen gehört habe, dass sie ihre Leidenschaft auf oder nach einer Reise in ein fremdes Land gefunden haben. Oder aber das Reisen ist meine Leidenschaft. Mit Sicherheit kann ich nichts davon sagen, doch nur durch das Sammeln von Erfahrungen kann ich zu einem selbstständigen Menschen werden.
Das Entwickeln seiner eigenen Identität ist ein Prozess. Erfahrungen aus der Kindheit prägen einen meist unbewusst, erst das Treffen eigener bewusster Entscheidungen macht dich erwachsen. Bis jetzt fühle ich mich nicht identitätslos, es gibt Dinge, die mich definieren, Wörter, die mich beschreiben, aber präzise beantworten, was meine Identität ausmacht, kann ich nicht. Meine Zukunft wird meine Identität prägen und entwickeln. Ob das in Deutschland oder irgendwo anders auf der Welt passiert, ist ungewiss, doch nicht zwingende wichtig. Ja, ich bin Deutsche, doch das ist nur ein Fakt, der die Entwicklung meiner Identität beeinflussen kann, aber nicht muss.
Auch die „deutsche Identität“ muss sich noch entwickeln. Die Identität eines Landes verändert sich ununterbrochen und ist nie vollendet. Jeder einzelne Einwohner trägt zu ihr bei und prägt sie. Verschiedene Kulturen treffen in unserem Land aufeinander, vor allem in der heutigen Zeit, in der täglich Menschen aus Syrien und anderen Ländern hier eintreffen und un
Was ich mit Sicherheit weiß: Ich bin optimistisch und die Zukunft wird mich glücklich machen. Auch wenn ich noch nicht weiß, wer ich eigentlich bin, was ich werden will und wo ich hin will.
Leid kann man nicht messen
Autorinnen: Viktoria und Lisa
Als ich, Lisa, zehn Jahre alt war, kam mein Vater eines Tages von seiner Geschäftsreise zurück und verkündete, dass wir zum neuen Schuljahr nach Berlin ziehen würden. An meiner Grundschule in Moskau hatte ich zwar Deutschunterricht, aber so richtig sprechen konnte ich nicht. Höchstens meinen Namen. Zwei Wochen später, als ich es noch nicht mal geschafft hatte, mich von meinen Freunden zu verabschieden, saß ich im Flugzeug. Drei Tage später war mein erster Schultag im Gymnasium. Geredet hat keiner wirklich mit mir, nur nett gelächelt. Alles war neu und ich war allein.
Als ich, Victoria, zehn Jahre alt war, kam mein Vater eines Tages von der Arbeit nach Hause und der nächste Streit zwischen meinen Eltern brach aus. Eine Woche später reichten sie die Scheidung ein. Ich saß alleine in meinem Zimmer. In der Schule hatte ich keine Freunde. Mich hatte das an diesem Tag wieder sehr belastet und der ständige Streit zu Hause machte es nicht besser. Zu Beginn des nächsten Schuljahres verließ ich meine Grundschule und kam aufs Gymnasium. Dort war ich wieder allein.
Jeder Mensch hat eine eigene Geschichte und wird von unterschiedlichen Dingen geprägt, deshalb nimmt jeder sein eigenes Leid anders wahr. Leid kann man nicht messen, jeder muss sich in seinem Leben Problemen und Herausforderungen stellen, mit denen auch jeder verschieden umgehen muss. Es ist wichtig, das Leid der anderen nicht mit dem eigenen Leid zu vergleichen, sondern sich in andere Personen hineinzuversetzen. Soziale Kontakte und ein stabiles Umfeld sind die Grundlage für ein positives Lebensgefühl, besonders wenn man in ein neues Land kommt. Es ist wichtig, offen zu sein und das Neue zuzulassen, um sein Leben nach seinen Vorstellungen gestalten zu können. Integration ist nicht nur von dem Land abhängig, in das man einwandert, sondern in vielen Aspekten auch von der eigenen Sichtweise diesem gegenüber. Der Wille zur Integration muss von einem selbst ausgehen und in einem selbst geschehen. Das ist der Punkt, an dem Integration beginnt und mehr kann man von einem Menschen auch nicht verlangen.
Unsere Abstammung heute kein Unterschied
Autoren: Paula, Lapo, Rachelle
Identität ist für jeden, dessen Eltern oder Großeltern eingewandert sind, eine ziemlich heikle Frage. Was das angeht, haben wir alle drei einige Gemeinsamkeiten. Wir sind drei Jugendliche, alle drei im selben Alter, auf der selben Schule, in der selben Klasse. Auf den ersten Blick verbindet uns ziemlich viel, aber in Wirklichkeit kann man unsere Hintergründe kaum miteinander vergleichen. Aber obwohl Außenstehende uns dann sofort in eine bestimmte Gruppe einordnen, sind die Erfahrungen, die wir alle gemacht haben, unterschiedlicher, als man denken könnte, schon vor dem ersten richtigen Kontakt mit der Außenwelt – dem Kindergarten.
Wir hatten alle relativ unterschiedliche Kindheitserfahrungen. Zum Beispiel Paula war als Jüdin in einem evangelischen Kindergarten und hat sich selbst auch nicht als Jüdin angesehen, noch war sie am Judentum interessiert. Ihr persönlich war es wichtig, mit den anderen Kindern Spaß zu haben, unabhängig von ihrer Abstammung. Im Vordergrund stand die Freundschaft und nicht die Religion.
Im Gegensatz dazu war es bei Rachelle so, dass sie zuerst in einen deutschen Kindergarten geschickt wurde, ohne ein Wort Deutsch zu sprechen, da sie mit der russischen Sprache aufgewachsen ist. Es war kein Problem, bis sie merkte, dass kein Kind sie verstehen konnte. Sie befand sich die ganze Zeit im Schlafraum und hat mit niemandem gesprochen. Als ihre Mutter das mitbekam, schickte sie sie in einen jüdischen Kindergarten, wo die Mehrheit der Erzieher Russisch sprach und wo Rachelle dann schnell Deutsch lernte. Neben Deutsch lernte sie dann auch Hebräisch und wurde immer mehr mit der jüdischen Religion sowie Sprache konfrontiert.
Lapo hingegen ist in Mailand aufgewachsen und besuchte dort auch den Kindergarten. Im Alter von acht Jahren zog er nach Berlin und ging in die dritte Klasse, obwohl er nicht so gut Deutsch sprechen konnte (fast gar nicht). Er wurde in Berlin oft von seinen Freunden ausgelacht, da er eine „seltsame“ Aussprache hatte. Oft kam es auch vor, dass er mit den vielen italienischen Stereotypen gleichgestellt wurde.
Im Alter von 6 Jahren besuchte Paula eine staatliche Grundschule, wo sie viele Kinder unterschiedlicher Herkunft kennenlernte. Als Paula dann auf die Jüdische Oberschule wechselte, hatte sie große Bedenken und Zweifel, denn sie hatte Angst nicht angenommen zu werden. Doch nach einer Weile freundete sie sich mit den anderen Kindern aus der Klasse an. In der Schule wurde jüdische Religionsphilosophie unterrichtet und sie fing an, sich mit ihrer jüdischen Identität auseinanderzusetzen.
Rachelle war auf der Jüdischen Grundschule und sie wurde schon früh mit dem Judentum konfrontiert, deshalb fühlte sie sich auch in der Jüdischen Oberschule sehr wohl.
Lapo besuchte genauso wie Paula eine staatliche Grundschule. Als er dann auf die Jüdische Oberschule kam, hatte Lapo keine Vorurteile, und er erkannte, dass er nicht einzige war, der nicht jüdisch war.
Jetzt sind wir alle auf der gleichen Schule, ob Jude oder nicht und wir verstehen uns alle sehr gut und es macht keinen Unterschied welche Abstammung wir haben.
Jüdisch oder deutsch? Deutschland.
Autorin: Rachel
Ein einfaches Wort, aber trotzdem hat es so viele Bedeutungen.
Für die meisten, die hier wohnen, symbolisiert es Heimat, Gemeinschaft, sowie Demokratie und Grundrechte. Für andere vielleicht ein Symbol der Europäischen Union, von florierender Wirtschaft. Aber trotzdem hat fast jeder die Geschichte Deutschlands im Hinterkopf. Die Geschichte, die Leute zur Äußerung einfacher Stereotypen verleitet, wie zum Beispiel, Deutsche würden gerne Befehle befolgen, was ich neulich von ausländischen Bekannten gehört habe. Aber sie bringt Leute auch dazu, Menschen, die aus Deutschland anreisen, oder dort wohnen, als Nazis zu bezeichnen. Leider sind viele Deutsche daran gewöhnt, auch meine Generation, die dritte oder vierte nach der NS-Zeit. Jedoch nimmt das Ganze einen anderen Charakter an, wenn man als Antwort auf diese Beleidigung die Tatsache hat, dass man jüdisch ist.
Gleichzeitig Jude und Deutscher zu sein, scheint wie ein Gegensatz, in den Jahren nach der NS-Zeit als unmöglich angesehen. Doch trotzdem, mehrere Jahrzehnte nach Kriegsende ist das jüdische Leben besonders in Berlin wieder präsent. Obwohl wir, zwar mit jüdischer Herkunft, aber trotzdem hier geboren und aufgewachsen sind, und die meisten sich auch als Deutsche identifizieren, unterscheidet man sich doch von den anderen Jugendlichen, auch ohne es zu wollen. Besonders klar wurde das, als zum Beispiel bei einem Religionsquiz jemand in meinem Alter mich um Entschuldigung für die Taten seiner Vorfahren bat. Manchmal höre ich auch von Verwandten in Israel, die sich nie im Leben vorstellen könnten, in Deutschland zu leben, dem „Land der Täter“, wie absurd es jetzt auch klingen mag, egal wie oft ich ihnen erzähle, dass dies eine längst veraltete Bezeichnung ist, egal mit wie vielen Argumenten ich ihnen zu zeigen versuche, dass alles in der Vergangenheit liegt. Was würden meine Urgroßeltern sagen, wenn sie wissen würden, dass ihre Urenkelin einen deutschen Pass hat, oder sich auch als Deutsche bezeichnet?
Allgemein wird gesagt, dass das Judentum eine Religion ist. Demnach kann man sich also ganz einfach als jüdischer Deutsche bezeichnen, auch wenn es für einige wie ein Oxymoron klingt. Auch wenn ich zum Beispiel schon im Grundschulalter Ausdrücke wie „Judenschwein“ von der Schule nebenan gehört habe. Und auch, wenn sich einige in meinem Umkreis nur mit Juden umgeben, nicht mit Absicht, aber da es sich „eben so ergeben hat“. Trotzdem schwenke ich am Ende des Tages „stolz“ die Deutschlandflagge, wenn die Nationalmannschaft als Weltmeister aus der WM hervorgeht, bin „stolz“ auf die Werte, für die Deutschland heutzutage steht – Toleranz, Freiheit, Gleichberechtigung.
Schließlich sind meine Eltern genau aus diesem Grund aus der Sowjetunion hierher gekommen: Damit ich mit diesen Werten aufwachsen konnte. Sie haben ihre Heimat verlassen, um ihren Kindern eine neue zu geben, für die ich dankbar bin, auch für das so oft geäußerte Versprechen, dass sich so eine Zeit des Terrors nie wieder wiederholen wird.
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