In Großbritannien war es bis zu den gewaltsamen Protesten Jugendlicher Anfang November diesen Jahres eigentlich recht ruhig. Und das, obwohl die Mannschaft um David Cameron beschlossen hatte, der Bevölkerung eine bittere Medizin gegen das dritthöchste Defizit Europas und das höchste unter den G20 zu verabreichen: So werden etwa über eine halbe Millionen öffentlicher Stellen in den kommenden Jahren ersatzlos gestrichen und das Rentenalter steigt von 65 auf 66 Jahre. 25 Prozent der jetzigen Ausgaben sollen so bis 2014 eingespart werden.
Warum die Bevölkerung trotzdem mitzieht, erklärte in Berlin auf der 8. internationalen Konferenz für politische Kommunikation der unabhängige Marketingberater Martin Tod aus England. Er nannte vier Punkte, die dafür verantwortlich seien, dass eine Mehrheit der Bevölkerung (56 Prozent) die Sparmaßnahmen unterstütze: Die Regierung bleibt konsequent bei ihrem Kurs, sie macht erfolgreich die Labour-Vorgängerregierung für das Rekord-Defizit verantwortlich, sie mischt unpopuläre mit solchen Sparmaßnahmen, von denen sie sicher sein kann, eine breite Zustimmung zu finden, und sie nutze geschickt die traditionellen Medien, um den eigenen Kurs zu verteidigen. Trotzdem: Bei aller Zustimmung für das Unvermeidbare, die Werte der Regierung sinken. Dramatisch. „Es ist noch kein Rezept gefunden worden, diesen Trend zu stoppen“, so Tod, der berichten konnte, dass erst zweimal in der Geschichte Großbritanniens eine Regierung nach einem halben Jahr im Amt unbeliebter war als heute: unter Thatcher und unter Brown. Hoffnung dürfte Cameron machen, dass, laut Tod, der Wähler schnell vergesse. Vielleicht erweist es sich also am Ende der Legislaturperiode als Vorteil, dass das Sparpaket gleich zu Beginn beschlossen und umgesetzt worden ist.
Video-Dokumentation der einzelnen Vorträge (ACHTUNG: lange Ladezeit)
Auch Barack Obama kann trotz der schallenden Wählerohrfeige bei den Zwischenwahlen für seine Partei durchaus noch mit einer Wiederwahl rechnen, meint Terry Nelson vom amerikanischen Freedom First Political Action Committee. Obama selber müsse hierzu allerdings seinen Kurs ändern. Nelson: „Obama hat kein Kommunikationsproblem, er hat ein Politikproblem.“ Wohl wahr, schenkt man den umfangreichen Statistikpräsentationen Nelsons Glauben. Demnach sind von den ehemals 75 Prozent Zustimmung in der Bevölkerung zu Obama vor zwei Jahren nur noch 45 geblieben. Noch beunruhigender für den Präsidenten dürfte sein, dass das sich selber als konservativ einschätzende Wählerpotenzial im selben Zeitraum von 34 auf 42 Prozent gestiegen ist. Es seien vor allem die Wechselwähler, die Obama einen Denkzettel für eine aus ihrer Sicht verfehlte Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik erteilen wollten. Mit der Senatsmehrheit gegen sich, müsse Obama nun versuchen, das Beste aus der Situation zu machen, so Nelson. Er müsse kooperativ sein, ohne seinen Kompass ganz neu zu justieren.
Aufhorchen lassen bei den Zwischenwahlen haben die Erfolge der Tea Party. Sie seien Ausdruck des „Appetits der Amerikaner auf eine dritte etablierte Partei“, so Nelson. Auch wenn der Tea Party derzeit noch ein Gesicht fehle, so würde sie 2012 wohl eher zum Problem für die Republikaner werden. Beide schrieben sich auf die Fahne, das sogenannte Establishment in Washington zu bekämpfen – doch noch glaubwürdiger als Sarah Palin dürfte das wohl der Tea Party gelingen. Und noch etwas könne Obama helfen: Die Zeit läuft für ihn und seine Stammwähler oder wie es James Carville von Politico schrieb: „Jeden Tag wird Amerika weniger weiß.“
Topics
About this series
The Konrad-Adenauer-Stiftung, its educational institutions, centres and foreign offices, offer several thousand events on various subjects each year. We provide up to date and exclusive reports on selected conferences, events and symposia at www.kas.de. In addition to a summary of the contents, you can also find additional material such as pictures, speeches, videos or audio clips.