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Country reports

Wahlen in Albanien nach politischer Einigung

by Walter Glos
Nach drei Monaten außerparlamentarischer Opposition endete am 19. Mai der Protest der oppositionellen Demokratischen Partei (DP). Noch in der Nacht vom 19. auf den 20. Mai wurde das Protestzelt auf dem Boulevard vor dem Sitz des Premierministers abgebaut. Vorausgegangen war eine Kompromissvereinbarung zwischen der regierenden Sozialistischen Partei (SP) von Regierungschef Edi Rama und der DP unter Führung von Lulzim Basha. Nur durch die Vermittlung und den Druck der internationalen Gemeinschaft konnte eine Lösung der schweren innenpolitischen Krise Albaniens erreicht werden.

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Begonnen hatte der Protest der größten Oppositionspartei am 18. Februar mit einer der größten Demonstrationen in der jüngsten Geschichte des Landes (siehe Länderbericht „Der Protest“). Zuvor waren verschiedene Versuche und Vorschläge zur Sicherstellung freier und fairer Parlamentswahlen an der mangelnden Kompromissfähigkeit beider Parteien gescheitert. Der Präsident der Republik Albanien, Bujar Nishani, hatte bereits am 8. Dezember 2016 den Wahltermin für die Parlamentswahlen auf den 18. Juni festgelegt. Aufgrund des nun erreichten Kompromisses werden die Wahlen eine Woche später, am 25. Juni stattfinden.

Drohender Boykott der Parlamentswahlen

Viele unterschiedliche Fristen und Termine für die Registrierung der Parteien und der Wahlkoalitionen sowie der Abgabe für die Wahllisten der Parteien verstrichen in der Zeit von Anfang April bis Ende Mai ergebnislos. Erwähnenswert ist, hierbei, dass alle Parteien die Frist für die Bildung der Wahlkoalitionen haben verstreichen lassen. Der 29. April war der Termin für die Abgabe der Wahllisten für die Parlamentsabgeordneten der Parteien. Nachdem keine Partei rechtzeitig die Liste abgegeben hatte, wurde die Frist durch die Zentrale Wahlkommission auf den 3. Mai verlängert. Dies geschah ohne eigentliche gesetzliche Grundlage, was dazu führte, dass die kleine oppositionelle Agrar- und Umweltpartei (eine Partei der Rechtskoalition mit der DP) am 10. Mai eine Klage gegen den Verstoß der Abgabefrist einreichte. Durch das Erreichen einer politischen Übereinkunft am 18. Mai hat die Agrarpartei die Klage zurückgezogen.

Der Vermittlungsversuch von David McAllister MdEP

Der andauernde Protest und die Ankündigung der DP nicht an den Wahlen teilzunehmen und weiterhin das Parlament und damit auch die parlamentarischen Ausschüsse zu blockieren, hatte zu einer schweren politischen Krise geführt. Es gab vor Ort etliche Versuche seitens der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten, die politischen Akteure dazu zu bewegen aufeinander zuzugehen und einen Kompromiss für die Beendigung der Krise zu finden. Nachdem diese Versuche nicht von Erfolg gekrönt waren, reiste am 25. April ein deutsch-europäisches Vermittlerduo bestehend aus dem Vorsitzenden des Ausschuss für Auswärtige Angelegenheiten des Europaparlaments, David McAllister MdEP (EVP) und Knut Fleckenstein MdEP (SPE) nach Tirana an. Sie hatten Kompromissvorschläge mitgebracht, die aus ihrer Sicht für eine Lösung der Krise geeignet erschienen. Am Ende scheiterte diese Mission, da die DP bzw. ihr Vorsitzender Lulzim Basha an der Maximalforderung des Rücktritts von Premierminister Edi Rama festhielt. Rama hatte im Rahmen der Vermittlung zwei zusätzliche aber wohl nicht so ernst gemeinte Angebote gemacht, auf die sich Basha nicht einließ. Unmittelbar nachdem McAllister MdEP und Fleckenstein MdEP wieder das Land verlassen hatten, hat Premierminister Rama zu erkennen gegeben, dass er sich nicht länger an die Lösungsoptionen der Vermittler gebunden fühlt und hat folglich die Angebote an die Opposition ständig weiter reduziert. Damit wurde einer Kompromisslösung förmlich der Boden unter den Füßen weggezogen.

Im Grunde völlig überraschend wurde dann am 28. April der Vorsitzende der LSI (Sozialistische Bewegung für Integration) und aktuelle Parlamentspräsident Ilir Meta durch das Parlament zum Präsidenten der Republik Albanien gewählt. Im Vorfeld war auch ein unabhängiger, unpolitischer Kandidat diskutiert worden, der als Kompromiss durch alle Parteien, also auch die Opposition, wählbar gewesen wäre. Aber auch diese Chance hat man nicht ergriffen. So verhärteten sich die Fronten weiter und die DP setzte ihren Protest und die Blockade des Parlaments unvermindert fort. Für den 7. Mai 2017 waren ursprünglich Bürgermeisterwahlen in Kavaja angesetzt, um einen Nachfolger für den als korrupt geltenden ehemaligen Bürgermeister der SP zu bestimmen. Die DP hatte für den Wahltag Demonstrationen und Großproteste in Kavaja angekündigt. Zusammenstöße und Gewalt konnten angesichts der aufgeheitzten Stimmung nicht ausgeschlossen werden. Eineinhalb Tage vor der Wahl hatte Premierminister Rama die Bürgermeisterwahl abgesagt und seinen Kandidaten zurückgezogen.

Deutliche Positionierung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion

Vom 8. bis10. Mai war Andreas Lämmel MdB, gleichzeitig auch Obmann des Bundestagsausschusses für Wirtschaft und Energie, zu Verhandlungen in Tirana. Nachdem bereits im April die Westbalkan-Arbeitsgruppe der CDU/CSU-Bundestagsfraktion unter dem stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Dr. Franz Josef Jung MdB einen mit dem Bundeskanzleramt abgestimmten unmissverständlichen Brief an den Vorsitzenden der DP gerichtet hatte, hat Andreas Lämmel die DP noch einmal sehr klar darauf aufmerksam gemacht, dass sie mit ihrem Status in der EVP „spielt“ und unter Umständen die Chancen für eine Aufnahme der Beitrittsverhandlungen der EU mit Albanien im kommenden Jahr gefährdet, sollte sie nicht bald Kompromissfähigkeit zeigen und ihre Maximalforderungen reduzieren.

Innerparteiliche Konflikte in der DP

In dieser Zeit verschärfte sich auch die innerparteiliche Auseinandersetzung in der DP. Erstmals gingen bekannte und langjährige Parteimitglieder und Abgeordnete der DP öffentlich auf Konfrontation zum Kurs des Vorsitzenden Basha. Abgeordnete wie Frau Topalli, Frau Bregu und Herr Selami machten deutlich, dass sie gegen den weiteren Parlamentsboykott und vor allem gegen einen möglichen Boykott der Wahlen durch die DP sind. In den folgenden Tagen versuchte der aus der DP stammende Präsident Bujar Nishani, Rama und Basha zu einem erneuten Dialog zu bewegen. Zwei Tage wurde am Ende wieder ergebnislos diskutiert. Premierminister Rama erklärte die Verhandlungen im Grunde für gescheitert und bestand auf den Wahltermin am 18. Juni, auch wenn die Opposition nicht zur Wahl antreten sollte. Die mangelnde Kompromissbereitschaft der beiden Parteien veranlasste den EU-Erweiterungskommissar und EVP-Vizepräsidenten Johannes Hahn zu einem öffentlichen Brief an die albanische Bevölkerung. Er forderte endlich eine Lösung der politischen Krise und ermahnte die DP zur Rückkehr in das Parlament und zur Teilnahme an den Wahlen. Selbst führende Kirchenvertreter des Landes baten die beiden Parteien wieder den Dialog aufzunehmen.

Eine amerikanische Intervention

Am 13. Mai organisierte die DP erneut eine Großdemonstration in Tirana, um damit noch einmal die Forderungen zum Erreichen von fairen und freien Wahlen zu verdeutlichen. Der Vorsitzende Basha rief die Bewegung zur Begründung einer „Neuen Republik“ aus. Zwei Tage später traf US Deputy Assistant Secretary of State Brian Hoyt Yee zu Gesprächen mit den Konfliktparteien in Tirana ein. Auf der Basis des mittlerweile in Tirana als „McAllister-Papier“ bekannten Lösungsvorschlags setzte er den beiden Parteien eine 24-stündige Frist für eine Einigung. Das „McAllister-Papier“ wurde in den Gesprächen etwas erweitert und detailliert und bekam fortan den Namen „McAllister Plus“.

Wie nicht anders zu erwarten, verstrich auch das von Hoyt Yee gesetzte Ultimatum, so dass der Vorsitzende der DP öffentlich zum Ausdruck brachte, dass nunmehr die Geduld für einen Kompromiss zu Ende sei.

Eine späte Kompromisslösung

Am 17. Mai kam es durch eine Initiative der Agrar- und Umweltpartei sowie der Republikanischen Partei zu einer Sitzung aller Parteivorsitzenden im Parlament. Dies hatte eine erneute Marathonsitzung von Rama und Basha zur Folge, die dann den politischen Durchbruch brachte. Einen Tag später wurde die Formulierung des politischen Übereinkommens veröffentlicht. Die DP baute am 19. Mai das Protestzelt ab und beide Parteien feierten den Kompromiss groß als den jeweils eigenen Erfolg. Das Agreement sah unter anderem vor, dass die Opposition im Rahmen einer nun beschlossenen technischen Regierung den stv. Premierminister und sechs weitere Minister bestimmen und besetzen kann. Es wurden Gesetzesänderungen vereinbart und vor allem die Abstimmung über die so wichtigen Vetting-Kommissionen im Rahmen der Justizreform. Das führte dazu, dass am 22. Mai die Opposition in das Parlament zurückkehrte um über die im Übereinkommen vereinbarten Dinge (Vetting, Minister, Gesetzesänderungen etc.) abzustimmen. Die Opposition hat mit dem Agreement nicht seine Maximalforderungen, Rücktritt des Premierministers und eine weitere Verschiebung der Wahlen nach hinten, erreicht. Dennoch sind viele der Überzeugung, dass dieses Agreement auch ein Erfolg für die DP ist, da einige Teile der Vereinbarung durchaus auch kurzfristig dazu geeignet sind, fairere und freiere Wahlen zu erreichen. Als Beispiel dafür wird angeführt, dass durch die Besetzung wichtiger Generaldirektorenposten verhindert werden kann, dass Parteimitglieder mit Arbeitsverträgen „versorgt“ werden. Auch erhält die Opposition erstmals kompletten Zugang zu allen Adresslisten, wird in den Wahlkommissionen beteiligt und Personen der Opposition werden als Wahlauszähler zugelassen. Änderungen des Strafgesetzes stellen nun den Kauf von Wahlstimmen unter erhebliche Strafe.

Der Kompromissvorschlag gab auch den neuen Abgabetermin für die Wahllisten der Opposition vor. Diese mussten ja noch nachgereicht werden, da sich die Oppositionsparteien nicht für die Teilnahme an der Wahl hatten registrieren lassen. Die DP setzte alles daran, die kleineren Parteien der Rechtskoalition in ihre Wahlliste zu integrieren. Das stellte sich als nicht so einfach dar, jedoch gelang es am Ende sowohl die Agrarpartei wie auch die Republikanische Partei zu integrieren. Diese Bemühungen führten aber dazu, dass die DP ihre Liste nicht rechtzeitig einreichen konnte. Eine erste Liste war daher nur unvollständig und wurde von der Zentralen Wahlkommission unter Verweis auf einen neuen Abgabetermins zurückgewiesen. Am 29. Mai legte die DP dann eine vollständige Wahlliste vor. Die Liste der DP sorgte durch die Nicht-Berücksichtigung der innerparteilichen Widersacher für erhebliche Unruhe. Dabei sind zahlreiche bekannte Figuren auf der Strecke geblieben. Prominente DP-Abgeordnete forderten in einer Presseerklärung sogar den sofortigen Rücktritt des Vorsitzenden. Ebenso überraschend war für viele, dass der Vorsitzende der Jugendorganisation der DP nicht auf der Liste stand. Gerade bei der Unterstützung, die die DP durch das Jugendforum erfahren hat, eine nur schwer nachvollziehbare Entscheidung, zumal alle Vorsitzenden der Jugendorganisationen der anderen Parteien (SP und LSI) einen sicheren Listenplatz erhalten haben.

Nominiert wurden überraschend viele „outsider“ andere sprechen von einer „family and friends“-Liste. Es gibt aber auch Stimmen außerhalb der DP, die die Listenzusammensetzung als „Neuanfang“ verteidigen und den Kurs des Vorsitzenden zu massiven auch innerparteilichen Veränderungen gutheißen.

Nun ist der Wahlkampf in vollem Gange und es bleibt abzuwarten, welches Ergebnis der Wahltermin 25.06.2017 hervorbringt. Die Erwartungen über den Wahlausgang gehen natürlich weit auseinander. Die erste offiziell veröffentlichte Umfrage sieht die SP von Premierminister Rama landesweit bei ca. 43 Prozent, die DP bei 36 Prozent und die LSI bei 12 Prozent. Kurz nach Veröffentlichung der als seriös geltenden Umfrage, stellten die Verantwortlichen der Parteien natürlich das Ergebnis in Frage. Immer wieder ist zu hören, es gebe längst eine Absprache des DP-Vorsitzenden mit dem aktuellen Regierungschef und Vorsitzenden der SP über eine Machtteilung nach der Wahl. Spekuliert wird in Albanien viel. Nicht nur das hält die Spannung aufrecht. Am Ende bleibt zu hoffen, dass das oben genannte Agreement zur Sicherstellung von fairen und freien Wahlen beiträgt und die Wahlen am 25. Juni 2017 ruhig verlaufen.

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April 13, 2017
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