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Country reports

Angriff auf Parlamentarismus und Rechtsstaat?

by Michael Lingenthal
Opposition und Oficialismo (Revolution) haben Abberufungsreferenden beantragt. Die Opposition nur gegen Präsident Chávez. Dessen Anhänger gegen Gouverneure, Bürgermeister und Abgeordnete der politischen Widersacher. Ob das eben erlassene Reglement der neu ernannten Obersten Wahlbehörde für diese profunde Auseinandersetzung trägt, bleibt abzuwarten. Die Vorbereitungen beide Seiten zum Kräftemessen über Referenden haben aber begonnen. Grundsätzlich hat die Wahlbehörde diesen Wettbewerb akzeptiert.Währenddessen versucht Präsident Chávez, mittels Angriffen auf die USA, Spanien und die Dominikanische Republik seine Reihen zu schließen. Im Parlament bleibt die legale Durchsetzung der Revolution ein Ziel. Veränderung der Parlamentsgeschäftsordnung und Kürzung der Minderheitenrechte der Opposition bei Richterwahl und –abwahl gehen an die demokratische Grundsubstanz.

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Angriff auf Parlamentarismus und Rechtsstaat?

Das Parlament (Asamblea Nacional, A.N.) steht vor dramatischen Entscheidungen. Die 5. Änderung der Geschäftsordnung sowie die Novellierung des Gesetzes über das Oberste Gericht (Tribunal de Justicia Supremo, TSJ) sind von der Revolutionsmehrheit im Parlament eingebracht. Mit der Änderung der Geschäftsordnung sollen bestehende Rechte der Opposition soweit eingeschränkt werden, dass z.B. das Gesetz über den Obersten Gerichtshof in 3 ¾ Stunden verabschiedet werden kann – so ein Abgeordneter der Mehrheitsfraktion. Präsident Chávez selbst und ebenso seine Mehrheit im Parlament, werfen seit längerem der Opposition Verzögerungstaktik und Obstruktionspolitik im parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren vor. So werden die laut Chávez für die Revolution und das Wohl Venezuelas essenziellen Gesetze, z.B. Oberstes Gericht und neues Mediengesetz, immer wieder verhindert. Die Opposition kontert, dass sie ihre gesetzlichen Rechte wahrnimmt und im Gegenteil von der Regierungsmehrheit durch ständige Manipulation der Geschäftsordnung in ihrer Arbeit behindert wird. Gegen die drohende Veränderung der Parlamentsgeschäftsordnung hat die Opposition inzwischen eine einstweilige Verfügung beim Obersten Gericht eingebracht.

Schwerwiegend und gegen international übliche Demokratiestandarts verstoßend ist die beabsichtigte Änderung im Obersten Gericht. Wahl und Abwahl der Mitglieder soll mit einfacher Mehrheit möglich sein. Zugleich soll das Gericht so erweitert werden, dass de fakto, entsprechende Auswahl vorausgesetzt, die Regierungsmehrheit in allen Kammern durchgesetzt bzw. stabilisiert werden kann. Besonders wichtig wäre die Kontrolle über die Oberste Verfassungskammer, da abzusehen ist, dass alle wichtigen Entscheidungen, sowohl des Parlaments als auch der durch den Gerichtshof neu ernannten Obersten Wahlbehörde, vor der Verfassungskammer ausgetragen werden.

Mit der Wahl / Abwahl der Obersten Richter per einfacher Mehrheit wären die traditionell und für die Qualität einer Demokratie wichtigen Minderheiten- und Mitwirkungsrechte der Opposition so eingeschränkt, dass jeder Zwang zum Konsens wegfiele und willkürlichen Entscheidungen Tor und Tür geöffnet werden können. In einer breit angelegten Informationskampagne wollen die Oppositionsparteien, besonders Primero Justicia, Parlamente und Presse auf den befürchteten Demokratieabbau hinweisen.

Es wird deutlich, dass seitens der Anhänger von Präsident Chávez weiter der Versuch gemacht wird, die Revolution auf legalem Wege über Dekrete und Gesetze zu installieren und zu festigen.

Der Kampf um den Erhalt der parlamentarischen Grundsubstanz wird durch den Stil der Parlamentssitzungen erschwert. Sturm des Podiums des Parlamentspräsidiums sowie Handgreiflichkeiten gehören fast zum neuen parlamentarischen Alltag. Obstruktion ist an der Tagesordnung. Die beiden Abgeordneten aus dem Bundesstaat Táchira, Iris Varela (MVR) und César Pérez-Vivas (Generalsekretär COPEI) treffen „schlagfertig“ aufeinander. Iris Varela behauptet, sich nur gewehrt zu haben, nachdem Pérez-Vivas ihr unterhalb der Sichtmöglichkeit Fußtritte verpasst habe. Der COPEI-Abgeordnete hält dagegen, dass er durch die tätlichen Angriffe seiner Kontrahentin das Gleichgewicht verloren hätte. Später, zu nächtlicher Stunde einer Marathonsitzung, zeigt Pérez-Vivas eine blutende Wange. Nach seinen Angaben Kratzspuren von Iris Varela. „Ketchup“ kontert diese und streitet ab, jemals ihre Fingernägel als Waffe eingesetzt zu haben. Der angebliche Zweikampf wurde ohne Zeugen ausgetragen. Aussage steht gegen Aussage.

Zum Ansehensverlust des Parlaments trägt auch bei, wenn ein Gewerkschaftsführer und Abgeordneter bei einer lautstarken und handgreiflichen Auseinandersetzung zufällig ein Megaphon dabei hat und - auf seinem Abgeordnetenpult stehend - lautstark mitmischt.

Die Volksmeinung bezeichnet dies als „Kindergarten“. In jedem Fall spielen solche Szenen denen in die Hände, die das Parlament politisch weiter einschränken wollen. Für diese Kräfte sind gerade solche „Parlamentsszenen“ der Beweis, dass es mit dieser Art des Parlamentarismus nichts auf sich hat. Selbst wenn die Opposition von der Regierungsmehrheit provoziert und „bis aufs Blut gereizt“ (oder geritzt) wurde, ihre Reaktion schadet letztlich nur ihr selbst.

Für rechtsstaatliche Verhältnisse einmalig ist auch die Durchsuchung eines erstinstanzlichen Verwaltungsgerichts durch die politische Polizei. Mehr als 5 Stunden dauerte die Durchsuchung, über 4 Stunden wurden danach die Richter durch die Staatsanwaltschaft vernommen. Welcher Tatverdacht steht hinter dieser außergewöhnlichen Maßnahme? Der angeblich nicht autorisierte Transport von Gerichtsakten durch einen der Richter der Kammer. Wenn, was die angezeigten Richter vehement bestreiten, dies überhaupt ein Delikt wäre, dann wäre in einem normalen Rechtsstaat dies allenfalls ein Disziplinarfall.

Das Verwaltungsgericht jedoch hat schon öfters den Ärger und massive öffentliche Beschimpfungen des Präsidenten auf sich gezogen, weil es Entscheidungen gegen Verordnungen der Regierung traf, die nach Meinung des Gerichts nicht durch die Rechtslage gedeckt waren. Zuletzt forderte Präsident Chávez, bei - nach seinen Worten - völliger Wahrung der Unabhängigkeit der Justiz, die Überprüfung des Verwaltungsgerichts, damit nicht länger Urteile gegen die Interessen des Volkes gefällt werden. Das Gericht hatte festgestellt, dass auch Ärzte aus Kuba der venezolanischen Approbationsordnung unterliegen und - wie jeder andere ausländische Arzt auch - entsprechende Prüfungen bzw. Genehmigungen brauchen.

Die Regierung verfolgt mit viel Energie den Plan „barrio adentro“, wobei es ihr um Hilfe und Entwicklung der marginalen Zonen von innen geht. Zentral dabei ist die medizinische Versorgung vor Ort. Weil nach Regierungsangaben zu wenig venezolanische Ärzte –die ihrerseits u.a. die unzureichende Sicherheitslage kritisieren- bereit waren diesen medizinischen Entwicklungsdienst in den Elendsvierteln zu leisten, hat die Regierung Ärzte aus Kuba verpflichtet.

Mit Energie wird gegen die Familien der streikenden Ölangestellten vorgegangen. Fast 18.000 wurden nach dem Generalausstand vom Jahreswechsel aus der staatlichen Ölholding PDVSA entlassen. Sie haben nach Urteil der Regierung und der Firmenleitung mit der Entlassung ihr Wohnrecht in Werkswohnungen verwirkt. Unter massivem Einsatz der „Guardia Nacional“ (Berufsarmee mit polizeilichen Aufgaben) wird versucht die Wohnungen zu räumen. Wenn den Räumungsaufforderungen nicht entsprochen wird, erfolgt die Aktion gegen Alte und Kinder auch mit massivem Tränengaseinsatz.

Präsident Chávez hat am 1. Oktober in einer nationalen Rundfunk- und TV-Botschaft (cadena) gefordert, dass die Exölangestellten, die ihre Wohnungen nicht frei machen, ins Gefängnis gehören, weil ihr Widerstand ein Delikt sei. Die Angestellten verweisen auf ihr Recht zu bleiben, da keine anderen Wohnmöglichkeiten verfügbar seien und ihr Wohnrecht durch die Menschenrechte geschützt sei.

Die interamerikanische Menschenrechtskommission hat der Regierung eine Frist von 15 Tagen gesetzt, um zu den behaupteten Menschenrechtsverletzungen und zum gewaltsamen Einsatz der „Guardia Nacional“ Stellung zu nehmen.

Abberufungschaos

Die neue Oberste Wahlbehörde (CNE, Consejo Nacional Electoral), laut Verfassung eine unabhängige Staatsgewalt, hat Durchführungsbestimmungen für Referenden erlassen. CNE will damit stabile Spielregeln für die innenpolitische Auseinandersetzung über Referenden geben und zur Befriedung beitragen. Das Reglement stößt auf heftige Kritik seitens Regierung und Opposition. Regierungsanhänger wollen eine Klage beim Obersten Gericht einreichen. Die 4-Tagefrist zur Sammlung der Unterschriften zur Einbringung eines Referendums verstößt ihrer Meinung nach gegen die Chancengleichheit.

Begründet wird der Vorwurf u.a. damit, dass bei Wahlen ja nur ein Tag zum Votum zur Verfügung steht. Ein Referendum müsste dem entsprechen. Die Opposition sieht das Wahlgesetz und die Verfassung verletzt, weil das neue Reglement die Fristenvorgabe überschreitet und die Abstimmungszentren auf 2.900 landesweit begrenzt. Wenn die Opposition allerdings Rechtsmittel einlegen würde, wäre dies die Garantie, dass ein Referendum erst nach August 2004 möglich wäre. Dies würde, selbst die Abberufung von Präsident Chávez vorausgesetzt, ein politischer Misserfolg sein. Ab August 2004 führt in egal welchem Fall des Präsidentenwechsels der Vizepräsident die Amtszeit zu Ende. Damit hätte die Opposition trotz Abwahl von Chávez keine Möglichkeit eines politischen Machtwechsels. So knirscht sie mit den Zähnen und akzeptiert die für sie ungünstigen Regeln. Nur um der Revolution kein Argument zu weiterem Zeitgewinn in die Hand zu geben.

Der „nennen wir es Oficialismo“, so der Präsident der CNE, überlässt die Abberufungsoption keineswegs der Opposition. Gegen die Oppositionsgouverneure, gegen ihre Bürgermeister und etliche ihrer Abgeordneten hat sie bei der CNE ebenfalls Abberufungsreferenden beantragt. Interessant ist, dass damit die Regierungsanhänger das Referendum als politisches Instrument des Machtkampfes tatsächlich anerkennen. Die Strategie ist aber, durch die Vielzahl der Referenden dem Abberufungsreferendum gegen Präsident Chávez die Schlagkraft zu nehmen.

Die Oberste Wahlbehörde hat beide Anträge akzeptiert und den Beginn der Fristen gemäß der neuen Wahlordnung verkündet. Es beginnt der „Referendum-Marathon“.

Wieder ist die Opposition durch die Regierung in eine schwierige Lage gebracht. Ihrerseits könnte sie durchaus mit Referenden gegen Bürgermeister und Abgeordnete der Revolution Erfolg haben. Dies würde aber von ihrem Hauptziel, Abwahl des Präsidenten, unnötig Kräfte und Mittel abziehen. Also konzentriert sie sich nach ausführlichen Beratungen nur auf den Präsidenten und nimmt in Kauf, einzelne Gouverneure, Bürgermeister und Abgeordnete an die Regierung zu verlieren. Die Opposition vermutet zudem, dass Anhänger der Regierung durch die Massenreferenden Bürgerinnen und Bürger einschüchtern und verwirren könnte, so dass diese dem Referendum gegen Chávez und zuvor bereits der Unterschriftensammlung zur Einbringung des Referendums, fern bleiben.

Auch wenn die internationale Gemeinschaft der CNE Wahlbeobachtung und Wahlhilfe angeboten hat, es ist sehr wahrscheinlich, dass die nächsten Monate Verwirrung, Zeitgewinn und heftige Auseinandersetzungen bringen.

Viel Feind – viel Ehr? Angriffe auf Kirche, USA und Dominikanische Republik

Präsident Chávez scheint weder auf angesehene Institutionen noch auf das Ausland Rücksicht zu nehmen. Nach den aktuellen Meinungsumfragen führt die kath. Kirche mit Abstand in der Glaubwürdigkeitsskala (80%). Abgeschlagen inzwischen Militär und Regierung. Dies ist im Fall des Militärs ein deutliches Signal der militär-zivilen Politik von Präsident Chávez. Noch vor seinem Amtsantritt war das Militär die Institution mit der höchsten Glaubwürdigkeit und Zustimmung, vor Medien und Kirche. Offensichtlich unzufrieden mit diesem Wandel in der öffentlichen Meinung, erneuert Chávez seine schweren Angriffe auf die Kirche und personalisiert sie in Richtung auf den verstorbenen Kardinal Velazquez und den Vorsitzenden der Bischofskonferenz, Erzbischof Porras. Die Bischöfe sollten sich schämen, die Soutane zu tragen, würden im Sinne der Opposition mit falschen Daten manipulieren und hätten es nicht verdient der Kirche vorzustehen.

Bischof Porras hat auf Recht und Pflicht der Kirche verwiesen, zu sozialen und politischen Grundfragen Stellung zu nehmen. Es wird interessant sein, wie auch der Vatikan reagiert, wo sich Erzbischof Porras zu Beratungen aktuell aufhält. Der apostolische Nuntius war ja - wie berichtet - ebenfalls Ziel heftiger präsidialer Angriffe.

Mit Empörung hat die venezolanische Regierung einen Bericht der US-Zeitschrift „US-NEWS“ zurückgewiesen und gefordert, dass die Zeitung ihre Quellen offen legt. Der US-Botschafter hat wegen der Angriffe um eine Unterredung im Außenministerium gebeten. Im Bericht wird die Besorgnis über die aktuelle Politik von Präsident Chávez seitens der US-Regierung dargestellt. Es geht dabei um die Duldung und Unterstützung der kolumbianischen Terrororganisationen FARC und ELN; die Nähe zu islamischen Terrororganisationen, die besonders auf der Ferieninsel „Margaritha“ Aufenthalts- und Trainingsrechte haben sollen, sowie um die kubanischen Sicherheitskräfte in Venezuela sowie die Ausbildung von venezolanischen Reservisten in Kuba.

Die US-Kritik soll sich nicht gegen den Einsatz von kubanischen Lehrern und Ärzten richten. Zuvor bereits hatte Präsident Chávez die USA. Präsident Bush und Premier Aznár öffentlich und heftig angegriffen. Aznár sollte sich nicht in interne Angelegenheiten Venezuelas einmischen, sondern sein Land in Ordnung halten.

Präsident Bush sollte lieber seine Glaubwürdigkeitskrise wegen des Irakkrieges bewältigen, als die Souveränität Venezuelas zu verletzten. Präsident Chávez befürchtet, dass durch die offensive Klassifizierung Venezuelas als Unterstützer terroristischer Gruppen und Zirkel, der Vorwand zur Intervention bis hin zur militärischen Invasion gegeben werden sollte. Als Motiv macht er den Ölreichtum des Landes und seine Politik der Unabhängigkeit und der Stärkung des Selbstbewußtseins Lateinamerikas aus. Präsident Bush verkalkuliert sich, denn Venezuela wird immer souverän bleiben und Präsident Chávez sieht voraus, dass der nächste Präsident der Vereinigten Staaten sogar ein Chavist sein könnte.

Mit dem außenpolitischen Popanz von Intervention und Invasion lenkt Chávez von seinen innenpolitischen Problemen ab und versucht, den Stolz Lateinamerikas und Venezuelas auszunutzen, um die Reihen in seiner Revolution zu schließen und im In- und Ausland neue Verbündete zu finden. Dieser Versuch wird zudem von einer breit angelegten PR- und Medienkampagne der Regierung begleitet, die Einladungsprogramme ausländischer, auch deutscher, Journalisten und Fremdenverkehrsexperten einschließt. Ob die Mehrheit der seriösen Journalisten allerdings „Gefälligkeitsbereichte“ für die „Bolivarianische Revolution“ schreibt, ist mehr als fraglich, kann ausgeschlossen werden.

Gegenüber der Dominikanischen Republik verhält sich Präsident Chávez wie „Yankee Hugo“, wie Presse und Volksmund spotten. Die Dominikanische Republik toleriert und fördert nach Meinung des Präsidenten die gewaltsamen Umsturzpläne und die Destabilisier ung Venezuelas. Daher wurden die Lieferverpflichtungen Venezuelas für Petroleum einseitig von Venezuela ausgesetzt. Krisengespräche auf Außenministerebene waren „brüderlich“ und „offen“, änderten aber aus venezolanischer Sichtweise nichts am Sachstand. Dies bedeutet, die Öllieferungen bleiben aus.

Venezuela setzt also sein Öl als politische Waffe ein. Eine Entwicklung, die gleichermaßen mit Besorgnis und Aufmerksamkeit verfolgt wird. Dass gerade ein Karibikstaat erstes Opfer der neuen Strategie ist, verwundert. Waren doch die Karibikstaaten bislang diejenigen, die z.B. in der OAS Venezuela stützten. Hatte doch Präsident Chávez unmittelbar nach seinem Amtsantritt eine Karibikinitiative eröffnet und durchaus Wohlwollen und Unterstützung erhalten. Die Lieferkonkurrenten Venezuelas werden die Lücke schließen. Wie im Fall der USA, verärgert Venezuela seine besten Kunden. Diese werden versuchen, mittel- und langfristig andere Optionen wahrzunehmen. Auf dem US-Markt hat Mexiko Venezuela bereits überholt.

Die Außenpolitik von Präsident Chávez nimmt augenscheinlich keine Rücksichten mehr auf langjährige oder wirtschaftliche Bindungen. Sie ist auf das Ziel ausgereichtet, Sprecher der lateinamerikanischen Integration und des neuen Selbstbewusstseins zu werden, Globalisierung unter Bedingungen des Neoliberalismus und der US-Vorherrschaft zu bekämpfen und der „Bolivarianischen Revolution“ Raum und Ansehen zu verschaffen. Diese Politik wird Venezuela weiter isolieren. Deutlich wird dies auch in der Kolumbienfrage. Während Lateinamerika den Kampf Kolumbiens gegen den Terror immer mehr als regionales Problem erkennt und behandelt, z.B. durch „heiße Verfolgungsrechte“ für kolumbianische Streitkräfte im Grenzgebiet, weigert sich Venezuela konstant Kolumbien gleiche Möglichkeiten einzuräumen und FARC und ELN als Terrororganisationen zu bezeichnen.

Wegen der innen- und außenpolitischen Ausrichtung der venezolanischen Politik kann man nur vorhersagen, dass die Lage weiter konfliktträchtig bleiben wird. Eine Überwindung der tiefen innenpolitischen Auseinandersetzung zwischen Regierung und Opposition bleibt ebenfalls fraglich. Venezuela wird so schnell nicht zur Ruhe kommen. Ein sozialer und wirtschaftlicher Erholungsprozess wird schwer und lang sein, wenn er denn überhaupt durchschlagend möglich sein kann.

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