Country reports
Dies war der traurige Höhepunkt der Kommunalwahlen in der Republik Mazedonien, die bereits im September durchgeführt wurden, deren offiziellen Ergebnisse aber nach wie vor nicht vorliegen. Nicht überraschend sind demzufolge auch die Stellungnahmen der OSZE-Mission in Skopje, die Wahlen hätten weitgehend nicht den demokratischen Standards entsprochen. Handfeste Auseinandersetzungen, Bedrohungen und Unregelmäßigkeiten waren in den Wahllokalen an der Tagesordnung. In einigen Gemeinden müssen die Wahlen bereits zum dritten Male wiederholt werden. Ein Ende ist noch nicht abzusehen.
Die Kommunalwahlen
Bereits von Beginn an standen die dritten Kommunalwahlen seit der Gründung der Republik Mazedonien im Jahr 1991 unter keinem günstigen Stern. Schon die Terminierung des Wahlvorgangs auf Mitte September stieß auf breite Kritik bei Opposition und weiten Teilen der Bevölkerung, da dies noch die klassische Urlaubszeit des Landes ist, in der sich eine Vielzahl von Mazedoniern traditionell am Schwarzen Meer oder am Ohrid-See von den Strapazen des Alltags erholt. In der ohnehin spannungsgeladenen Stimmung zwischen Regierung und Oppositionsparteien, wurde dies umgehend als Manipulationsversuch zugunsten des Regierungsbündnisses gewertet.
Besondere Brisanz erhielten die Wahlen zudem durch die Ankündigung des Premierministers Ljubcho Georgievski, im Falle eines Stimmenanteils von landesweit weniger als 10% für seine Partei sofortige Neuwahlen auszuschreiben.
Dies gab naturgemäß weiteren Zündstoff in die aggressiv geführte Diskussion zwischen den beiden großen Rivalen, konservative VMRO-DPMNE einerseits und sozialdemokratische SDSM andererseits. Dementsprechend hart wurde auch die Auseinandersetzung an den Wahlurnen ausgetragen.
Dem Regierungsbündnis VMRO-DPMNE, Demokratische Alternative (DA) und albanischer DPA, das wie schon 1998 bei den Parlamentswahlen nun erneut gemeinsam bei den Kommunalwahlen antrat, stellte sich die vereinigte Opposition aus SDSM, LDP, LD und SP entgegen, die mit dem Slogan "Zaedno" (=gemeinsam) um Wählerstimmen warb.
Nicht zuletzt aufgrund der fahrlässigen Ankündigung Georgievskis trat bald der eigentliche Zweck der Wahlen in den Hintergrund. Es wurde nicht mehr nur um den Einzug in die Rathäuser und Gemeindeverwaltungen gefochten, sondern vielmehr um eine Machtverschiebung auf nationaler Ebene gekämpft.
Nie schien die Gelegenheit günstiger, die Regierung zu destabilisieren. Nach zweijähriger Regierungszeit ist die Koalition aufgrund zahlreicher, für die Bevölkerung zum Teil schmerzhafter, aber notwendiger wirtschaftlicher Reformen mittlerweile am Tiefpunkt ihrer Popularität angelangt.
Die Privatisierung zahlreicher staatlicher Betriebe, darunter die nationalen Aushängeschilder OKTA (Mineralölgesellschaft) und Skopsko (Brauerei) wurde vorangetrieben. Der Verkauf der Elektrizitätsgesellschaft ECM an den deutschen Energiekonzern RWE und der profitablen mazedonischen Telefongesellschaft an einen weiteren ausländischen Investor steht kurz bevor. Naturgemäß brachte die Privatisierung eine Reihe von Entlassungen und Umstrukturierungsmaßnahmen mit sich, die den Zorn nicht nur der unmittelbar Betroffenen hervorrief, sondern darüber hinaus auch an der nationalen Ehre weiter Teile der Bevölkerung kratzte.
Des weiteren wurde bereits zu Beginn des Jahres eine einheitliche Mehrwertsteuer eingeführt, die die allgemeinen Lebenshaltungskosten steigen ließ. Auch sind über die vergangenen sechs Monate dem europaweiten Trend folgend die Benzinpreise stark erhöht worden, wofür ebenfalls die Regierung verantwortlich gemacht wird.
All diesen negativen Schlagzeilen stehen bislang nur bescheidene Erfolge der Regierung gegenüber. Ein geringes Wirtschaftswachstum, eine weitere Aussöhnung mit seinen bulgarischen und griechischen Nachbarn und ein fortschrittliches Hochschulgesetz lassen aber den festen Willen nach Veränderung erkennen.
Insbesondere letzt genanntes fand viel Beachtung von nationaler und internationaler Seite, stellt es doch einen bedeutenden Schritt zu einem Kompromiss in dieser ausgesprochen delikaten Problematik dar.
Ein neues Hochschulgesetz
Zentraler Gegenstand des neuen Hochschulgesetzes ist die vorläufige Regelung des umstrittenen Universitätsprovisoriums in Tetovo. Diese bislang nicht anerkannte, rein albanischsprachige Institution hat über viele Jahre bereits für erheblichen Sprengstoff in der politischen Diskussion zwischen den vorwiegend mazedonischen Parteien einerseits und den albanischen Parteien PDP und DPA andererseits gesorgt und war Spiegelbild der inneren Zerrissenheit des Landes.
Alte wie neue Regierung haben bislang die fachliche Ausbildung sowie die rein albanische Ausrichtung der Universität bemängelt und somit die erworbenen Abschlüsse der Absolventen nicht anerkannt. Von Seiten der Mazedonier wurde auf die weitere Spaltung der beiden größten Bevölkerungsgruppen verwiesen, wenn die Hochschuleinrichtung in dieser Form geduldet werden würde.
Die Albaner ließen diese Argumentation allerdings nicht gelten. Sie fordern bereits seit langem mehr Rechte für sich ein. Obwohl sie mittlerweile einen Bevölkerungsanteil von 23% (gegenüber 66% Mazedonier) ausmachen, werden sie noch nicht als gleichberechtigtes Staatsvolk in der Verfassung anerkannt.
Dies hat zum einen Auswirkungen auf die kulturelle und sprachliche Entfaltung der albanischen Bevölkerung, zum andern spiegelt es sich auch in der Zusammensetzung des administrativen Apparates sowie der Polizeikräfte wieder, wo die Albaner unverhältnismäßig unterrepräsentiert sind. Schließlich ergibt sich daraus die Konsequenz, dass die Albaner sich mehrheitlich nicht als Staatsvolk dem Land Mazedonien verbunden fühlen und dadurch separatistischen Tendenzen Vorschub geleistet wird.
Bislang ist es insbesondere dem Einfluss des gemäßigten Führers der DPA, Arben Dzaferi, zu verdanken, dass die Differenzen noch nicht zu unkontrollierbaren Auseinandersetzungen eskalierten. Trotz seiner albanischen Herkunft genießt er über die Parteigrenzen hinweg, auch bei den Politikern und Anhängern von VMRO-DPMNE und SDSM großes Ansehen, so dass er geschickt die Rolle des Vermittlers einnimmt.
Nicht zuletzt aufgrund seines vehementen Engagements gelang es, einen parteiübergreifenden Konsens im Parlament zum Hochschulgesetz herzustellen. Die verabschiedete Lösung sieht nun vor, eine vorwiegend mit amerikanischen und europäischen Geldern finanzierte Privatuniversität in der Nähe von Tetovo zu gründen.
Nach dreijährigem Studium haben die Studenten die Möglichkeit, einen Abschluss zu erwerben, der allgemein anerkannt zur weiteren Ausbildung an den Universitäten in Skopje und Bitola befähigen soll.
Scheint nun dieser eine Streitpunkt zwischen den beiden großen ethnischen Bevölkerungsgruppen vorerst ausgeräumt, bleiben dennoch etliche Konflikte bestehen, die dauerhaft das Verhältnis von Mazedoniern und Albanern belasten können.
Solange die noch mehrheitlich mazedonische Bevölkerung die albanischsprachigen Bürger Mazedoniens nicht als gleichberechtigtes Staatsvolk auch verfassungsmäßig anerkennt, wird kein normales Miteinander möglich sein.
Die gegenwärtige Situation ist jedenfalls für die Albaner weitgehend unbefriedigend; ein Umstand, der sich möglicherweise in zwanzig bis fünfundzwanzig Jahre rächen könnte. Dann werden nämlich, der demografischen Entwicklung zufolge, mehr Albaner in Mazedonien leben als Mazedonier.