Country reports
Miguel Angel Rodríguez ist 64 Jahre alt, von Beruf Jurist mit Promotion in Wirtschaftswissenschaften, war Abgeordneter, Minister und Direktor der Zentralbank Costa Ricas, ab 1995 Präsident der Vereinigung der christlich-demokratischen Parteien Amerikas - ODCA. Er wurde 1998 zum Präsidenten Costa Ricas gewählt. Seit dem Ende seiner Amtszeit im Jahre 2002 lehrt er an der Georgetown-University in Washington.
Neben Miguel Angel Rodríguez als Generalsekretär der OEA verfügt das kleine Costa Rica über weitere einflußreiche internationale Positionen: Ex-Präsident Oscar Arias als Friedensnobelpreisträger, Ex-Präsident José María Figueres als geschäftsführender Direktor des World Economic Forum, Elizabeth Odio als Richterin am Internationalen Strafgerichtshof sowie Rebeca Grynspan in der Geschäftsführung der CEPAL (Lateinamerikanische Wirtschaftskommission).
OEA – die älteste Regionalorganisation
Die OEA wurde am 30. April 1948 in Kolumbien gegründet und ist damit älter als andere Regionalzusammenschlüsse, wie z.B. die Europäische Union oder die Arabische Liga. Die Idee beruht auf Vorstellungen von Simón Bolívar, der bereits 1826 zum Kongress von Panama aufrief, um die amerikanischen Staaten zu einigen. Es dauerte bis 1890, als in Washington durch die I. Internationale Amerikanische Konferenz die Internationale Union der Amerikanischen Republiken mit einem permanenten Generalsekretariat gegründet wurde. Diese Vorläuferorganisation der OEA wandelte sich 1910 in die Panamerikanische Union, direkte Vorgängerin der OEA.
Die OEA nahm ihre Arbeit mit einer Serie guter Vorsätze und Prinzipien auf. So beginnt die Charta der OEA mit „Überzeugt, daß die historische Mission Amerikas die Bereitstellung eines Ortes der Freiheit für den Menschen ist und eines für die Entwicklung seiner Persönlichkeit und der Realisierung seiner gerechtfertigten Wünsche günstigen Umfeldes ist ….”. Im Anschluß wird die Notwendigkeit des friedlichen Zusammenlebens, der amerikanischen Solidarität, die Achtung der wesentlichen Menschenrechte, die Wohlfahrt usw. erwähnt.
Die bislang geschaffenen Organismen – speziell Menschenrechtskommission und –gerichtshof – haben sich als Grundpfeiler des Schutzes des Bürgers und sozialer Gruppen in der Region herausgestellt.
Die Umsetzung der hehren Ziele der OEA in die organisationspolitische Praxis hat sich als zäh erwiesen. Vor allem die Behandlung multilateraler Themen stellte sich als ein äusserst langsamer Prozess heraus.
Der OEA hat ihren Sitz in Washington und ihr gehören insgesamt 35 Staaten an, jedoch nimmt Kuba seit der Suspendierung seiner Mitgliedschaft im Jahre 1962 nicht mehr an der Arbeit der OEA teil.
XXIV. Generalversammlung im Zeichen im Zeichen des Kampfes gegen die Korruption und der Wahl des neuen Generalsekretärs
Das zentrale Thema der Generalversammlung war „Die soziale Entwicklung und die Demokratie gegenüber den Auswirkungen der Korruption” zu dem sich insgesamt 350
Delegationsleiter und -mitglieder, 250 ständige Beobachter, 250 Journalisten und 200 eingeladene Gäste versammelt hatten. Spezielle Aspekte, die in diesem Zusammenhang diskutiert wurden, waren die Erosion der Wirtschaftsaktivität und der gesellschaftlichen Moral sowie die negativen Auswirkungen auf die soziale Entwicklung und letztendlich die Regierungsfähigkeit.
Daneben behandelte die Generalversammlung in verschiedenen Arbeitsgruppen rd. 80 weitere Themen, wie Armutsbekämpfung, Rauschgifthandel, Menschenrechte, soziale Krise. Zu bilateralen Themen (wie z.B. der Zugang Boliviens zum Meer), die traditionell nicht auf der Generalversammlung selbst behandelt werden, gab es darüber hinaus am Rande der Versammlung ausreichend Zeit zu bilateralen Treffen.
Den Abschluss bildet die „Erklärung von Quito über Entwicklung und Demokratie gegenüber den Einflüssen der Korruption” mit insgesamt 14 Punkten, die von den anwesenden Regierungsvertretern beschlossen wurde. Sie erweitert die 1996 verabschiedete Interamerikanische Vereinbarung gegen die Korruption und stellt die Schwerpunkte für die zukünftige Arbeit der OEA dar. Die jeweiligen Regierungen verpflichten sich zur Umsetzung der darin festgehaltenen Entschließungen.
Der erste Sitzungstag der Generalversammlung war der feierlichen Eröffnung sowie dem Dialog der Delegationsleiter mit den ständigen Beobachtern, Vertretern der Zivilgesellschaft und den Delegationsleitern untereinander gewidmet.
Am zweiten Sitzungstag standen Geschäftsordnungsfragen sowie die Wahl des neuen Generalsekretärs im Mittelpunkt des Vormittags, bevor am Nachmittag dann das zentrale Thema der Versammlung erstmalig diskutiert wurde.
Der dritte Sitzungstag beinhaltete die Fortsetzung der inhaltlichen Diskussionen sowie Sonderberichte zur Frage der Falkland-Inseln (Malvinen) und dem Meereszugang Boliviens. Ebenso standen der Rechenschaftsbericht des scheidenden Generalsekretärs Cesar Gaviria, politische Entschließungen und der Haushalt der OEA auf der Tagesordnung.
Generalsekretär Cesar Gaviria bezeichnete in Auswertung seiner 10-jährigen Tätigkeit Armut, Ungleichheit und soziale Ausgrenzung als die größten Herausforderungen der Demokratien Lateinamerikas, wobei sich die Probleme des Kontinents im Zuge der Globalisierung und gegenseitiger Abhängigkeit multipliziert hätten. Dem gegenüber agiert die OEA als interamerikanisches System so aktiv wie nie und mit großen Fortschritten zur friedlichen Beilegung bestehender und aufkommender Konflikte und zum Ausgleich der interamerikanischen Beziehungen. Der scheidende Generalsekretär hob hervor, daß sich die letzten vier Gipfeltreffen der lateinamerikanischen Staats- und Regierungschefs mit der Verteidigung der Demokratie, der Menschenrechte, der amerikanischen Freihandelszone (ALCA), der Bildung und Erziehung, der Gleichheit, der Armutsbekämpfung und der sozialen Ausgrenzung und damit mit den Kernfragen der Regionalentwicklung beschäftigt haben. Ebenfalls erwähnte Gaviria die bedrohten demokratischen Verhältnisse in Ekuador, Paraguay, Nikaragua, Guatemala und Haiti. Gleichzeitig beglückwünschte er Venezuela zu dem friedlichen Weg zu einer Volksbefragung über den Verbleib von Präsident Chávez im Amt.
Im Zusammenhang mit der „Erklärung von Quito“ wurde von Generalsekretär Cesar Gaviria die Verpflichtung hervorgehoben, keine korrupten Vertreter aus dem öffentlichen oder privaten Sektor aufzunehmen, zur Schaffung von Mechanismen zur ihrer Auslieferung, zur Wiedereinsetzung der legitimen Besitzer der durch Korruption geschaffenen Aktiva sowie zum Ausbau der Mechanismen zur gegenseitigen Hilfestellung im juristischen Bereich. Darüber hinaus werden die Mitglieder der OEA aufgefordert, Arbeitsgruppen zur Entwicklung und Umsetzung der folgenden Instrumente zu bilden: Maßnahmen zur Beschlagnahmung und Rückführung von illegal gebildetem Kapital, das den Staat schädigt, Projekt eines Interamerikanischen Abkommens, das den für Korruptionsdelikte Verantwortlichen die Möglichkeit verwehrt, sich durch Flucht oder Auswanderung der Strafverfolgung zu entziehen sowie eine Interamerikanische Übereinkunft zum Schutz von Informanten und Zeugen von Korruptionsfällen.
Speziell die Auslieferungsproblematik korrupter Personen führte angesichts der erneuten Weigerung der chilenischen Justiz, den früheren Staatspräsidenten Carlos Menem an Argentinien auszuliefern, zu Kontroversen. Darüber hinaus bemängelten die anwesenden Vertreter von Organisationen der Zivilgesellschaft die sehr allgemeine Abfassung der „Erklärung von Quito“. Für Juli 2004 wurde eine Konferenz der Mitgliedsstaaten der Interamerikanischen Übereinkunft gegen die Korruption nach Managua/Nikaragua einberufen.
Auf der Generalversammlung wurden neben der „Erklärung von Quito“ weitere 13 Entschließungen verabschiedet, die sich mit verschiedenen Themenbereichen befaßten: Rechte von Emigranten, Kampf gegen den Drogenhandel, Terrorismus, organisierte Kriminalität und Ausbeutung von Kindern, Schutz der Rechte der indigenen Bevölkerung. Zum Thema Haiti gab es Konsens hinsichtlich der bislang umstrittenen Anerkennung der gegenwärtigen Regierung (und damit des Rücktritts von Präsident Jean Bertrand Aristide) sowie der Forderung nach baldigen Neuwahlen und einer Verurteilung der Gewaltakte.
Per Akklamation zum neuen Generalsekretär gewählt
Offiziell präsentierte die Regierung Costa Ricas die Kandidatur von Miguel Angel Rodríguez für das Generalsekretariat der OEA am 11. Juli 2003, knapp ein Jahr nachdem er die Präsidentschaft Costa Ricas an seinen Nachfolger Abel Pacheco abgegeben hatte und in der Georgetown University in Washington den Lehrstuhl Shapiro innehatte. Weitere Kandidaten, wie der ehemalige chilenische Außenminister Insulza und Ex-Präsident Francisco Flores von El Salvador zogen sich angesichts der immer breiter werdenden Unterstützung für den ersten Zentralamerikaner im Amt des Generalsekretärs zurück. Ausschlaggebend war zu Beginn die Unterstützung durch die 14 Staaten der Karibik sowie der Verzicht von Flores auf eine Kandidatur im März 2004 und die offizielle Unterstützung seitens der USA im April 2004. Doch die wesentliche Grundlage des Erfolges war das starke persönliche Engagement von Miguel Angel Rodríguez selbst, der dabei die durch seine bisherige politische Laufbahn aufgebauten internationalen Kontakte geschickt nutzte.
Auf Antrag des Costarricanischen Botschafters bei der OEA wurde die Wahl des Generalsekretärs auf den ersten Programmpunkt der Generalversammlung vorgezogen, um die Wahl nicht durch die vorgesehenen politischen Debatten zu komplizieren. Die Wahl dauerte rd. 1 Stunde, bis Miguel Angel Rodríguez durch Akklamation zum Nachfolger von Cesar Gaviria gewählt worden war.
Zukünftige Herausforderungen
Die OEA hat als interamerikanisches System seit seiner Gründung eine Reihe von Aufgaben übernommen, die vorrangig auf die nachhaltige Entwicklung menschenwürdiger Verhältnisse gerichtet sind.
Aus historischer Sicht ist dabei zunächst die Konsolidierung der Demokratie mit Schwerpunkt auf der Sicherung und Ausbau des Interamerikanischen Systems der Menschenrechte zu nennen. Die von der Generalversammlung im Jahre 2001 in San José/Costa Rica unter starkem persönlichem Engagement des damaligen Staatspräsidenten Miguel Angel Rodríguez verabschiedete „Interamerikanische demokratische Charta“ schafft das Recht des Bürgers auf Demokratie im interamerikanischen System. Allerdings steht seine Umsetzung in konkrete politische Reformen in vielen Ländern nur auf dem Papier. Immer wichtiger wurde aufgrund der Globalisierungstendenzen und zunehmender Interdependenz der Handelsströme die Wirtschaftsentwicklung, die bislang jedoch nicht zu einer Verringerung des Armutsproblems in der Region geführt hat. So hat sich der gewählte Generalsekretär die Bekämpfung der Armut, die mehr als 220 Millionen Personen in der Region betrifft, durch entwicklungs- und handelspolitische Maßnahmen auf die Fahne geschrieben. In diesem Zusammenhang spielt der Kampf gegen Menschenhandel, Drogen- und Waffenhandel, Terrorismus und die Korruption eine wichtige Rolle.
Bezüglich spezieller nationaler oder bilateraler Konfliktzonen muß sich der neue Generalsekretär auf die Schaffung von Vertrauen für die erforderlichen Verhandlungsspielräume und Lösungen konzentrieren. Im Mittelpunkt werden dabei unter anderem die Unterstützung einer friedlichen, demokratischen Entwicklung in Venezuela, die Förderung des direkten Dialogs zwischen Chile und Bolivien über einen Zugang zum Meer sowie besondere Anstrengungen für demokratische Reformen in Haiti und in Kuba stehen. Weitere schwelende Konflikte sind die interne Entwicklung Kolumbiens sowie die politische Instabilität von Ekuador und Bolivien.
Im administrativen Bereich strebt Miguel Angel Rodríguez eine Organisationsreform an, um die Arbeitsabläufe der OEA effizienter und kostengünstiger zu gestalten. Allerdings sind diesem Vorhaben angesichts des unter Cesar Gaviria erfolgten Abbau des Personals um rd. 20 % Grenzen gesetzt, die eine Erhöhung der Mitgliedsbeiträge unausweichlich macht. Hinzu kommt die Last von rd. 10 Mio US-Dollar an Beitragesrückständen einzelner Mitglieder.
Miguel Angel Rodríguez wird in seinem neuen Amt viele bestehende Verpflichtungen vorfinden. Er wird darauf achten müssen, eine Balance und stärkere Kohärenz herzustellen zwischen der Notwendigkeit, intensive Beziehungen zu jedem einzelnen Mitgliedsland zu unterhalten und dem Ziel, die Rolle der OEA als Akteur der internationalen Politik zu stärken. Dabei wird der Zusammenarbeit mit anderen multilateralen Organisationen, wie z.B. dem BID (Interamerikanische Entwicklungsbank) und dem BCIE (Zentralamerikanische Bank für Wirtschaftsintegration) eine wichtige Bedeutung zukommen. Diese haben nicht zuletzt aufgrund der verbreiteten Politikverdrossenheit in den letzten Jahren an Einfluß und Bedeutung zugenommen.
Letztendlich wird es für eine erfolgreiche Amtszeit von Miguel Angel Rodríguez weniger auf Verwaltungs- und Organisationsaspekte oder die zur Verfügung stehenden finanziellen Spielräume ankommen, als auf die geschickte Nutzung der bestehenden politischen Spielräume auf der Grundlage klarer Prioritäten, Vision und Führungskraft.