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250.000 Menschen füllten die Stadtautobahn von Caracas, um am 14. Februar ihre Forderung nach Durchführung des Abberufungsreferendums gegen Präsident Chávez zu unterstreichen. 250.000 Demonstrationsteilnehmer, dies ist die geringste der vorliegenden Schätzungen über die Teilnahme. Die Berufsfeuerwehr von Caracas schätzte eine Beteiligung von 400.000 Personen, CNN berichtete von Hunderttausenden.
Wie auch immer, der 14. Februar markiert einen weiteren großen Erfolg der Opposition gegen die „Bolivarianische Revolution“. Die Demo in Caracas bedurfte nicht der Unterstützung aus dem Landesinneren. In den Regionen begannen bereits am 12. Februar zahlreiche Demos der Opposition, die am 15. Februar in weiteren Provinzen fortgesetzt wurden. Insgesamt gelang es der Opposition, das Land zu mobilisieren.
Anders als die Revolutionsseite. Sie musste zu ihrer letzten Demonstration, am 23. Januar 2004, Teilnehmer aus allen Landesteilen nach Caracas befördern, damit eine für Präsident Chávez einigermaßen akzeptable Kulisse geboten werden konnte. Die Pferderennbahn, Ort der Versammlung, war danach teilweise zerstört. Busse standen kilometerweit auf den Seitenstreifen der Autobahnen und zeugten davon, aus welchen Provinzen und von welchen staatlichen Organisationen und Behörden die Einsätze erfolgten.
Die Opposition hatte eine schwere Entscheidung zu fällen. Der 13. Februar wäre nach dem C.N.E.-Reglement (C.N.E. = Oberste Wahlbehörde) der fällige Termin gewesen, um festzustellen, ob die Opposition genügend Unterschriften gegen Präsident Chávez gesammelt hat und das Abberufungsreferendum nach Art. 72 der Verfassung stattfinden könnte. Der 13. Februar aber bedeutete ohnehin schon eine Verzögerung von 57 Tagen, gegenüber dem ursprünglichen C.N.E.-Zeitplan. OAS und Carter-Zentrum hatten eine Verschiebung der Entscheidung bis zum 28. Februar für akzeptabel erklärt. USA und andere Länder äußerten sich umgehend ähnlich. Jorge Rodriguéz, einer der 5 Direktoren der Wahlbehörde, hatte in den Abendstunden ein Ergebnis für den 29. Februar in Aussicht gestellt.
Das Ziel der Opposition war es, in einer Art „Mahnzug“ an der Obersten Wahlbehörde vorbeizumarschieren und von einer Delegation ihren Protest im Gebäude der C.N.E. übergeben zu lassen. Die Regierung hatte das Gelände um die Wahlbehörde gesperrt, außerdem erklärt, den Zugang mit allen Mitteln zu verweigern und zudem die Sicherheit der Opposition nur bis zum „Botanischen Garten“ (außerhalb des Stadtzentrums) garantiert.
Die Opposition stand folglich unter dem Druck, ihren Protest erklären zu müssen. In erster Linie gegenüber ihren eigenen Anhängern, die der ständigen Verzögerung im Zeitplan sowie die fortwährenden Drohungen der Regierungsseite überdrüssig waren. Nach intensiven internen Diskussionen setzen sich die besonnenen Kräfte in der Opposition durch.
Von sechs Plätzen ausgehend, sollte die Autobahn am „Botanischen Garten“ erreicht werden. Dort hatte die NRO „SUMATE“ bereits Stände aufgebaut, damit Bürgerinnen und Bürger ihre Unterschrift vom 28.11. – 1.12.2003 bestätigen lassen konnten. Damit will die Opposition ein öffentliches Bekenntnis gegen Präsident Chávez abgeben, der nicht müde wird, vom „Superbetrug“ der Opposition zu sprechen. Zuletzt auf der Pressekonferenz am 13. Februar.
Dabei hatte Chávez angebliche „Fälschungen“ medienmässig gut inszeniert vorgelegt. Gouverneur Enrique Mendoza konterte spöttisch, dass die Opposition dem Präsidenten erheblich mehr Material zur Verfügung stellen könnte. Erstens ist ihre technische Ausstattung der Wahlbehörde und der Regierung weit überlegen. Zweitens hatte die Opposition immer selbst erklärt, dass bei ihrer Unterschriftenaktion eine Irrtumsrate von ca. 8% anzunehmen sei. Gerade dazu hatte sie ein Abkommen mit „SUMATE“ geschlossen, damit diese NRO professionell alle Daten aufarbeitet. Aber selbst 20% Irrtum würden immer noch bedeuten, dass die Opposition die geforderten 2,5 Millionen Unterschriften übertrifft, die für das Abberufungsreferendum notwendig sind (3,4 Millionen Unterschriften minus 680.000 „Irrtümer“ wären immer noch 2,72 Millionen Unterschriften).
Trotz allem war es nicht leicht für die Führung der „Coordinadora Democrática“, ihren Standpunkt zu vertreten. Einige ihrer Anhänger wollten nicht einsehen, warum ihnen der Weg zur Wahlbehörde versperrt wurde und warum die Opposition dieses Marschziel aufgegeben hatte. An zwei kritischen Punkten, wo vom „Botanischen Garten“ zur Wahlbehörde abgezweigt werden konnte, zeigte sich wiederum ein Dilemma der Opposition. An kritischen Punkten scheinen ihr eine vorbereitete Strategie und geschulte Ordnungskräfte/Helfer zu fehlen, um radikale Spinner abzuweisen. Die Politiker der Opposition, Oscar Ocariz (Primero Justicia), Antonio Ledezma (Alianza Bravo Pueblo) und Alfredo Ramos (CTV), die die Radikalinskis abzudrängen versuchten, mussten sich Schmähungen gefallen lassen („no tienen bolas“ und mehr).
Bis zum 29. Februar wird die Opposition der Wahlbehörde Zeit lassen, um das Ergebnis zu verkünden. Dann wird es wieder eine Großdemo geben. Sei es aus Freude, sei es aus Protest. Wieder ist zu erwarten, dass die Regierung verschärfte Sicherheitsbestimmungen erlässt und ein Großaufgebot von Militär in die Stadt schickt. Spätestens bis zu diesem Zeitpunkt muss die Opposition eine adäquate Zielplanung für Demos erarbeiten. Vor allem aber muss sie Ordnungskräfte gezielt schulen, um Provokationen zu unterbinden oder radikalen Kräften die Plattform zu entziehen. Es gibt genügend Beispiele weltweit, wo mit Menschenketten, Kerzen u.a. Übergriffe schon im Ansatz vereitelt wurden.
Alles in allem aber war der 14. Februar ein deutlicher Punktsieg für die Opposition.