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Die Globalisierung des Welthandels und die Entwicklung des internationalen Finanzsystems lassen den Aufbau von großen Währungszonen wünschenswert erscheinen.
Schon prophezeien einige Experten, dass die heutige Vielfalt der Währungen in nicht allzu ferner Zukunft in drei Devisen aufgehen wird, dem Dollar, dem Büro und dem Yen. Es liegt auf der Hand, dass weniger Währungen die internationalen Handelsbeziehungen weiter erleichtern würden.
In Lateinamerika werden Vor- und Nachteile einer Währungsunion zunehmend intensiver diskutiert. Ein Prozess der Uniformierung der Währungen hat ohnehin schon eingesetzt.
Doch nicht die Verständigung auf Konvergenzkriterien und auf gemeinsame Leitwerte der Haushalts und Fiskalpolitik als Voraussetzung für den Ausbau einer gemeinsamen Währungsunion bestimmen die Diskussion, sondern Überlegungen zur Übernahme des US-Dollars, an den die Landeswährung entweder mit einem festen Wechselkurs zu binden wäre oder der gleich als offizielles Zahlungsmittel eingeführt und anerkannt wird.
Der Internationale Währungsfonds (IWF) scheint diese Entwicklung durchaus wohlwollend zu unterstützen. In Argentinien hat er vor kurzem die vollkommene Dollarisierung empfohlen, nachdem dort bereits seit 10 Jahren der Peso - sogar per Verfassung - fest an den Dollar gebunden ist.
Nun erwartet eine IWF-Studie, dass eine vollkommene Dollarisierung die Senkung der Zinsen erlaube, die Finanzzuflüsse stabilisieren und die Kosten der öffentlichen Hand verringern könnte.
Auf diese Weise würde die Dollarisierung die wesentlichen Ursachen des mangelnden Vertrauens ausländischer Investoren beseitigen und entsprechend zu neuen Investitionen führen.
Neben Argentinien hatten bisher auch Panama und El Salvador sowie einige Länder aus der Karibik eine feste Parität ihrer Währungen zum Dollar.
Nun hat am 9. März der ekuadorianische Präsident Gustavo Noboa per Dekret den US-Dollar als faktische Landeswährung in dem Andenstaat eingeführt. Der Dollar gilt künftig als offizielle Währung, 80% der im Umlauf befindlichen bisherigen Landeswährung Sucre werden zu einem fixen Wechselkurs durch Dollar ersetzt.
Für diese Währungsumstellung erhält Ekuador in den nächsten drei Jahren ein vom FMI vermittelten Kredit in Höhe von 2 Milliarden US-Dollar. Die Weltbank beteiligt sich daran mit 425 Millionen, die Interamerikanische Entwicklungsbank mit 620 Millionen und auch die Entwicklungsbehörde der Andengemeinschaft, die Corporación Andina de Fomento (CAF), stellt einen dreistelligen Millionenkredit zur Verfügung.
Die Dollarisierung, so kann daraus geschlossen werden, hat somit den Segen wichtiger internationaler Agenturen in der Region erhalten. Ist das ein Hinweis für künftige Entwicklungen?
Gründe für einen größeren Währungsverbund
Die Fortschritte der regionalen Integration und das europäische Beispiel mit der Einführung des Euro haben auch in Lateinamerika die Neigung gefördert, über eine Währungsunion nachzudenken.
In dem Maße, in dem der regionale Handel zunimmt, werden auch die Vorteile einer gemeinsamen Währung erkennbar. Vor allem die wichtigsten Teilnehmer am intraregionalen Handel spüren die Kosten der Wechselkursveränderungen sehr deutlich.
So haben die Turbulenzen auf den Finanzmärkten und die zurückhaltende Haushaltspolitik zum Schutz der nationalen Währungen die Region 1998 schätzungsweise 2 Prozent Wachstum gekostet. Zudem ist der Wert der intraregionalen Exporte innerhalb der ALADI (Asociación Latinoamericana de Integración) um 6% gefallen, womit eine zwölfjährige Wachstumsperiode zu Ende ging.
Die Aussichten auf die Bildung einer amerikanischen Freihandelszone (ALCA) im Jahr 2005 stärkt die Handelsbeziehungen mit dem dominierenden Markt der Vereinigten Staaten und beschleunigt die Dollarisierung der Region zusätzlich.
Daneben war in letzter Zeit festzustellen, dass in dem Maße, in dem die Wirtschaftsbeziehungen zwischen einzelnen Nachbarn zunehmen, sich auch die gegenseitigen Vorwürfe über illoyale Wettbewerbspraktiken häufen; die Wechselkurspolitik kann da durch eine unkoordinierte Veränderung der Währungsparität schnell zum Streit zwischen den Handelspartnern beitragen.
Die Spannungen zwischen Argentinien und Brasilien im MERCOSUL oder innerhalb der Andengemeinschaft, die auf gegenseitige Dumpingvorwürfe zurückgingen, verdeutlichen die politischen Kosten einer größeren Abwertung.
In diesem Kontext gewinnt die Idee einer formalen Dollarisierung Lateinamerikas schnell Anhänger. Doch auch wenn die Dollarisierung zweifellos Vorteile für den intraregionalen Handel, die Direktinvestitionen und die gesamtamerikanische Integration mit sich brächte - für viele Regierungen, Politiker und Wirtschaftswissenschaftler ist die interne wirtschaftliche Situation der Länder ihrer Region zur Zeit noch weit davon entfernt, um diese Operation zu rechtfertigen.
Probleme einer Dollarisierung
Die Dollarisierung, so wird letztlich überall gesehen, beraubte die Staaten eines wichtigen Mechanismus zur Regulierung der internen Märkte. Die lateinamerikanischen Volkswirtschaften wären dann noch abhängiger vom Zufluss von Devisen.
So lange die Exportpreise hoch sind und Kapital zufließt, erleben die Volkswirtschaften eine Wachstumsphase. Ein Rückgang der Exportpreise aber, die zumal bei der nach wie vor hohen Abhängigkeit der von Rohstoffexporten kaum steuerbar sind, und der Abzug von Kapital können die Volkswirtschaften des Subkontinents nachhaltig beeinträchtigen; die umlaufende Geldmenge geht zurück und die Kreditkosten steigen.
Wenn dann die öffentlichen Finanzen intakt sind und ein Staat über genügend Währungsreserven verfügt, kann bei einer dollarisierten Währung eine Rezession vermieden werden; beispielsweise können die öffentlichen Ausgaben ansteigen, um die interne Nachfrage zu beleben.
Wenn aber eine Regierung bereits mit einem hohen Defizit zu kämpfen hat und das Finanzsystem schwach ist, drohen leicht zusätzliche Schwierigkeiten.
In Lateinamerika gibt es genügend Beispiele dafür, dass in einer solchen Situation die rezessiven Tendenzen zunehmen; Bankeinlagen werden abgezogen und eine Finanzkrise droht, ohne dass Regierungen oder Zentralbanken Gelegenheit hätten, dem Finanzmarkt Liquidität zuzuführen und einen Zusammenbruch zu vermeiden.
Mit Blick auf verschiedene Bankenkrisen der letzten Jahre ist das eine lebhafte Erfahrung in der Region, die angesichts aktueller Haushaltsdefizite durchaus präsent sind.
Etliche Kommentatoren weisen darauf hin, dass beim Fehlen einer Instanz, die während einer Liquiditätskrise bereit wäre, mit zusätzlichen Anstrengungen, d.h. einer zusätzlichen Kreditaufnahme, das Finanzsystems zu sichern, die Risiken einer Dollarisierung größer sind als die Vorteile einer Wechselkursstabilität.
Diese Funktion wird vorerst nur von nationalen Regierungen bzw. Zentralbanken zu erwarten sein. Zudem machte die nordamerikanische Regierung schon unmissverständlich klar, dass sie diese Verantwortung nicht übernehmen will.
Die Diskussionen um eine neue internationale Finanzordnung, die solche Krisen eventuell verhindern könnte, wird aber auch bis auf Weiteres keinen Ausweg weisen.
Solange es keine Verständigung über eine neue internationale Finanzarchitektur gibt, halten viele Lateinamerikaner eine Modifizierung des Währungssystems in der Region für unangebracht. Allerdings ist auch die Fortsetzung der bisherigen Situation der außenwirtschaftlichen Verwundbarkeit und der instabilen Wechselkurse, die die Wachstumspotentiale einschränken, nicht wünschenswert.
Alternativen
Die Regierungen, die stabile Wechselkurssysteme einführen wollen, müssten die Zeiten des Wachstums und höherer Einnahmen nutzen, um Währungsreserven anzuhäufen.
Der Fonds zur Stabilisierung der Exporteinnahmen, den die chilenische Regierung Anfang der neunziger Jahre schuf, ist in diesem Kontext eine interessante Erfahrung.
Für Lateinamerika bedeutet dies, von der gängigen Praxis abzurücken, die öffentlichen Ausgaben in Zeiten großer Einnahmen oder eines leichten Zugangs zu externen Krediten zu vergrößern.
Zudem müssten, besonders wenn auch kurzfristige Kapitaleinlagen ins Land strömen, zur Vermeidung von unvorhersehbaren Liquiditätsproblemen in schwierigen Zeiten die Bankenaufsicht verbessert und die Verpflichtung zu größeren Rücklagen und zum Aufbau von Liquiditätsreserven durchgesetzt werden.
Ein kontinuierlicher Haushaltsüberschuss, der Aufbau von Rücklagenfonds, die Stabilisierung und Konsolidierung der Auslandsschulden und die entsprechende Verlängerung der Amortisierungsfristen sind die Bedingungen für eine erfolgreiche Dollarisierung in Lateinamerika.
Aber die Länder, die diese Vorbedingungen erfüllen können, spüren insgesamt noch zu wenige Anreize, um den Dollar zu übernehmen und ihre Volkswirtschaften währungspolitischen Entscheidungen zu unterwerfen, auf die sie selbst keinen Einfluss nehmen können, zumal dann, wenn sie über eine nationale Währung verfügen, die frei konvertierbar ist bzw. sein könnte.
Die Haltung Brasiliens
In Brasilien, der wichtigsten Volkswirtschaft Lateinamerikas, trifft die Idee einer Dollarisierung bislang kaum Anhänger. In der wirtschaftspolitischen Diskussion, in der ohnehin noch immer nationalistische Schlagworte oder Verteidigungsstrategien gegen den Ausverkauf einheimischer Unternehmen eine Rolle spielen, erscheint eine Dollarisierung wie die Aufgabe von Souveränität zugunsten einer Unterwerfung unter ein Protektorat der USA.
Für brasilianische Regierungen und Politiker ist es fast unmöglich, die Übernahme des Dollar zu vertreten, wollen sie nicht der Preisgabe der nationalen Unabhängigkeit geziehen werden. Politisch ist eine Dollarisierung in Brasilien noch nicht durchsetzbar.
Allerdings sieht man auch in diesem Land die Vorteile eines größeren Währungsverbundes und man anerkennt, dass es zumal für kleine Länder Vorteile bringt, über eine international respektierte Währung zu verfügen.
Das nährt Überlegungen hinsichtlich einer Alternative zum Dollar. Wenn die wichtigsten Länder Lateinamerikas, besonders die Mitglieder des MERCOSUL und der Andengemeinschaft, deren Außenhandel diversifizierter ist als der Mexikos oder Zentralamerikas, sich in Richtung einer Kombination von jenen Politiken bewegten, die eine Vorbedingungen für eine Dollarisierung sind, dann bestünde auch die alternative Möglichkeit einer zumindest südamerikanischen Währungsunion, ähnlich der europäischen Erfahrung, mit der Einführung einer gemeinsamen Währung.
Den Mitgliedsländern einer solchen Währungsunion würde das gewiss größere nationale Handlungs- und Entscheidungsautonomie erhalten als die Unterwerfung unter das Diktat der US-Regierung und ihrer Zentralbank. Die wichtigsten Länder Lateinamerikas müssten freilich bewusst auf diese Alternative hinarbeiten und ihre gegenwärtigen Diskrepanzen überwinden.
Wenn zu viele Fakten geschaffen sind und in wenigen Jahren noch mehr Länder von sich aus mangels Alternative auf eine Dollarisierung setzten, dann bleibt wenig Spielraum für einen eigenen, unabhängigen Weg und immer weniger Länder werden sich einer Dollarisierung Lateinamerikas versperren können.