Seit der Verleihung des Beitrittskandidatenstatus 2005 befindet sich Nordmazedonien im Wartesaal der EU. Die Erwartungen des Landes, dass 2020 nun endlich auch EU-Beitrittsverhandlungen aufgenommen würden, war nicht nur ein Wunsch des Landes selbst, sondern auch vieler EU-Mitglieder und insbesondere Deutschlands. Dass dies im vergangenen Jahr während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft aufgrund des Widerstands Bulgariens nicht gelang, war eine große Quelle der Enttäuschung und Frustration im Land, welche durchaus mittel- und langfristig für einen Stimmungsumschwung im Land sorgen könnte.
Seit 2005 EU-Beitrittskandidat
Auf dem EU-Gipfel in Thessaloniki 2003 wurde den Ländern des Westbalkans erstmals unmissverständlich eine klare EU Beitrittsperspektive eröffnet.
Die Republik Nordmazedonien – damals freilich noch als Republik Mazedonien bzw. ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien / FYROM –begab sich bereits im Jahr 2001 auf den Weg in Richtung EU, als sie als erstes Land der Region ein Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommens mit Brüssel unterzeichnete. 2004 wurde ein Beitrittsantrag gestellt, und die EU erteilte dem Land 2005 den Kandidatenstatus. Seit 2009 empfiehlt die Europäische Kommission regelmäßig, Beitrittsverhandlungen mit Nordmazedonien aufzunehmen. Wegen des Namensstreits wurden diese jedoch lange von Griechenland blockiert. Als 2018/2019 mit dem durchaus nicht unumstrittenen Prespa-Abkommen (welches das Land den neuen Namen Republik Nordmazedonien annehmen ließ) der Konflikt mit Griechenland endlich beigelegt werden konnte, sahen viele das letzte große Hindernis für den Start der Beitrittsgespräche als beseitigt an.
Den ersten Dämpfer erhielt das Land jedoch beim EU-Gipfel im Oktober 2019 als durch das Veto von Frankreich, Dänemark und den Niederlanden eine Aufnahme der EU-Beitrittsgespräche mit Nordmazedonien und Albanien vertagt wurde. Als der erste digitale EU-Gipfel im März 2020 endlich für die Aufnahme der Beitrittsgespräche mit Nordmazedonien und Albanien stimmte, war es dann der Nachbar Bulgarien, der aufgrund identitätspolitischer Fragen zu Historie und Sprache den Beginn der Beitrittsgespräche blockierte und bis zum heutigen Tag sein Veto nicht aufgegeben hat.
Euroskeptizismus trotz starker EU-Befürwortung im Aufschwung
Jüngste Ergebnisse einer Meinungsumfrage über Nordmazedoniens EU-Beitrittsprozess, die von der Konrad-Adenauer-Stiftung in Zusammenarbeit mit dem Institut für Demokratie "Societas Civilis" (IDSCS) durchgeführt wurde,
zeigen, dass der Euroskeptizismus bei jüngeren Menschen zunimmt, während die EU jedoch nach wie vor als größter Verbündeter des Landes wahrgenommen wird. Das vergangene Jahr markiert das Ende der schrittweisen Abnahme der EU-Befürwortung, die von 80 % im Jahr 2014 auf 65 % im Jahr 2019 gesunken war: 2020 stieg dieser Wert erstmals wieder um 4 Prozentpunkte auf 69 % an.1
Obwohl die Befragten Europa noch immer als den größten Verbündeten Nordmazedoniens sehen, ist der entsprechende Wert im Vergleich zu 2019 um 7,6 Prozentpunkte gesunken (Grafik 1, S. 5). Außerdem werden die USA, und nicht wie bisher die EU, als größter Einflussfaktor gesehen, während Russlands Einfluss von einer leicht steigenden Anzahl Befragter als entscheidend betrachtet wird (Grafik 2. S. 5).2 Es sollte nicht übersehen werden, dass auch China in der Wahrnehmung der Befragten präsent ist: im Gegensatz zu 2018, als das Land noch gar nicht als möglicher Verbündeter genannt wurde, betrachteten es 2020 immerhin 3,7 % der Befragten als größten Verbündeten Nordmazedoniens (Grafik 1, S. 5). Diese Verschiebungen müssen unter geopolitischen Betrachtungen ein Weckruf sein.
Eine Zunahme der negativen Wahrnehmung der EU-Nachbarländer und ihrer Haltung gegenüber Nordmazedoniens EU-Integration ist sehr deutlich erkennbar. Wurden in den letzten Jahren die allgemeinen Gründe dafür, dass die Beitrittsverhandlungen noch nicht begonnen haben, im Bereich der ungenügenden Reformanstrengungen gesehen, so betrachten jetzt mehr als die Hälfte der Bürgerinnen und Bürger die Einstellung der EU-Nachbarn zu ihrem Land als das größte Hindernis auf dem Weg in die EU. Der Meinungsumfrage zufolge hat der Euroskeptizismus entsprechend zugenommen: die Anzahl der Befragten, die angeben, der EU kritisch gegenüberzustehen, ist um 3 Prozentpunkte auf 22 % angestiegen. Demgegenüber wurde im Vergleich zu 2019 ein Zuwachs der Zustimmung zur russisch geführten Eurasischen Wirtschaftsunion (EAWU) als Alternative zur EU-Mitgliedschaft um 13 Prozentpunkte verzeichnet: 2019 befürworteten 25,8 % und 2020 bereits 38,7 % der Befragten einen Beitritt zur EAWU.