Country reports
Politische Situation während des Wahlkampfes
Die politische Lage im Bundesstaat Mexiko war kurz vor den Wahlen gespannt. Durch Skandale, Anzeigen wegen Verletzungen des Wahlrechtes, Disqualifizierungen der politischen Gegner und gehäufter gegenseitiger Vorwürfe der Parteien befürchteten politische Beobachter bereits im Vorfeld eine zunehmende Politikverdrossenheit.Grosse Kritik vor allem seitens der Oppositionsparteien PRI und PRD lösten Besuche von Präsident Fox und seiner Frau Marta Sahagún im Estado de México aus. Fox und Sahagún wurde „Einmischung“ in den Wahlkampf vorgeworfen, es folgten Strafanzeigen seitens der PRI und PRD gegen den „Wahlkampf“ des Präsidenten. Auch die Verwendung religiöser Symbole wurde dem Präsidenten und seiner Ehefrau zum Vorwurf gemacht. Besonders die PRD sah darin einen Verstoß gegen die Trennung von Staat und Kirche, die seit der mexikanischen Revolution zu den tragenden Verfassungsgrundsätzen Mexikos gehört.
Der Wahlkampf im Bundesstaat Mexiko kann auch für mexikanische Verhältnisse als hart bezeichnet werden. Den Parteien wurde von den Medien vorgeworfen, mehr Wert auf die Disqualifizierung ihrer politischen Gegner denn auf Inhalte zu legen. TV-Werbespots der PRI kritisierten den Machtwechsel des Jahres 2000 und griffen die PRD an, die Spots der PAN und der PRD gingen mit ihren Konkurrenten aber auch nicht wesentlich sanfter um.
Darüber hinaus prägten Vorwürfe wegen Verletzung des Wahlrechts durch Besuche in Wahlkreisen und Missbrauch öffentlicher Mittel für den Wahlkampf die Berichterstattung der Presse. So soll die PRD u.a. Kopierer des Kongresses zur Vervielfältigung von Wahlmaterialien genutzt haben, während die PRI angeblich Zement, Fahrräder und Bargeld an verschiedene Wahlkreise im Bundesstaat Mexiko gegen Stimmen „geliefert“ hat. Ungeklärt blieben die Hintergründe einer gewalttätigen Attacke gegen eine Beamtin der lokalen Wahlbehörde IEEM (Instituto Electoral Estatal de México).
Ab Ende Februar verschärften sich zudem die Kontroversen über mögliche Skandale im Präsidentschaftswahlkampf 2000. Der PRI wurde vorgeworfen, illegal ca. 50 Mio. € Wahlkampfhilfe der Gewerkschaft von Pemex erhalten zu haben. Nach den Wahlen im Bundesstaat Mexiko hat die Bundeswahlbehörde IFE (Instituto Federal Electoral) inzwischen eine Strafe von ca. 100 Mio. € gegen die PRI verhängt.
Präsident Fox und die „Amigos de Fox“ ihrerseits wurden verdächtigt, Geldwäsche für den Wahlkampf 2000 betrieben zu haben. Allerdings liegen hierfür bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine Beweise vor, Kritiker sehen die Vorwürfe daher als Reaktion auf den Pemexgateskandal der PRI an.
Inhalte des Wahlkampfes im Estado de México
Inhaltlich konzentrierte sich der Wahlkampf vor allem auf die Themen innere Sicherheit, Sozialpolitik und Bekämpfung der Armut, Landwirtschaftsreform sowie Bekämpfung der Arbeitslosigkeit.- Die PRI betonte besonders die notwendige Verbindung Bildung - Arbeitsmarkt. Im Bereich innere Sicherheit führte sie zusammen mit der PVEM eine Umfrage zur nationalen Sicherheit durch, bei der sich über 80% der Befragten für die Wiedereinführung der Todesstrafe aussprachen. Die Modernisierung der Landwirtschaft und eine Ablehnung der Privatisierung des Energiesektors prägten den Wahlkampf der PRI. Ihr Allianzpartner, die kleine grün-ökologische Partei PVEM (Partido Verde Ecologista de México“) versuchte sich als „die junge Partei Mexikos darzustellen, die Jugendlichen Mut machen wolle, gegen die Arbeitslosigkeit zu kämpfen.
- Die PAN legte großen Wert auf Programme zur Armutsbekämpfung, kündigte an, mehr in den Gesundheitssektor investieren und darauf hinzuwirken, die Gesellschaft stärker in die Politik einzubeziehen. Darüber hinaus warb sie vor allem für eine Fortsetzung der von Präsident Fox eingeleiteten politischen Wende („cambio“).
- Vor dem Hintergrund der bereits erwähnten politischen Skandale betonte die PRD die Bedeutung von Transparenz, Ehrlichkeit, Kollektivinteressen und Meinungsvielfalt in der Gesellschaft. Die PRD sprach sich gegen eine Erhöhung der Mehrwertsteuer aus und legte besonderen Wert auf die Themen Bildung, Erhalt der gefährdeten Indiosprachen und Einführung einer Arbeitsunfähigkeitsrente.
Situation am Wahltag, dem 9. März 2003
Wie bereits in den Wochen vor den Wahlen kam es auch am Wahltag selbst zu zahlreichen Unregelmäßigkeiten. So wurden 35 Strafanzeigen wegen Verletzung des Wahlrechts erstattet, u.a. wegen des Kaufs von Wählerstimmen, Lieferung von Baumaterial an Gemeinden gegen Stimmen oder andere illegale Wahlkampfaktivitäten. Wahlurnen und Wahlscheine wurden geraubt, Desorganisation und Chaos erschwerten den Aufbau der Wahllokale. In der Gemeinde San Salvador Atenco verhinderten Wahlgegner den Aufbau der Wahlstände. Um eine Eskalation der Gewalt zu vermeiden wurden die Wahlen dort um 45 Tage verschoben.Wegen der genannten Unregelmäßigkeiten kam es nach der Wahl in einigen Gemeinden zu Wahlanfechtungen der jeweils unterlegenen Kandidaten, die ihren siegreichen Konkurrenten Manipulation und Wahlfälschung vorwarfen.
Wahlergebnisse
Die Wahlbeteiligung war mit 42% die niedrigste seit 1990 im Estado de México, d.h. fast fünf der acht Millionen Wahlberechtigten verweigerten oder verzichten auf den Gang zu den Urnen.Die Wahlergebnisse fielen in vielen Gemeinden mit oftmals nur etwa 100 Stimmen Unterschied sehr knapp aus. Die PAN musste sowohl im lokalen Kongress als auch bei den Bürgermeisterwahlen herbe Einbußen hinnehmen, behauptete sich jedoch u.a. in der Hauptstadt Toluca. Dagegen erhöhte die PRD ihren Stimmanteil erheblich und verteidigte die meisten der von ihr regierten Gemeinden.
In 61 der 124 Gemeinden des Bundesstaates kam es zu einer Änderung der Mehrheitsverhältnisse. PAN und die PRI verloren im Vergleich zum Wahljahr 2000 fünf bzw. vier Bürgermeisterämter, die PRD gewannt zwei dazu, PT vier, Convergencia drei, PAS und PSN je eines. Demnach regiert die PAN nun in 25 (Jahr 2000: 30), die PRI zusammen mit der PVEM in 65 (Jahr 2000: 69) Kommunen. Erhebliche Gewinne kann die PRD verzeichnen, die insgesamt in 23 Gemeinden den Bürgermeister stellt (Jahr 2000: 21). (siehe Tabelle 1)
Das Abgeordnetenhaus des Estado de México ist das größte der 31 Bundesstaaten. Seine Zusammensetzung wird in der kommenden Legislaturperiode ähnlich aussehen wie 1996, als die PRI das erste Mal die absolute Mehrheit verlor. Die PRI stellt zwar die Mehrheit der Abgeordneten, muss ihren Erfolg jedoch mit der PVEM teilen. Die PAN gewann elf der 45 Direktmandate, die Allianz aus PRI und PVEM 24, die PRD zehn. Die 30 Abgeordneten, die über Listen gewählt wurden, setzen sich wie folgt zusammen: PAN 11, PRI-PVEM 3, PRD 9, PT 4 und Convergencia 3. (siehe Tabelle 2, 3)
Die Stimmverluste der PAN werden insbesondere von der PRI als Zeichen für das Scheitern des Präsidenten Fox gedeutet. Andere Beobachter verweisen dagegen auf die geringe Wahlbeteiligung als eine wesentliche Ursache der Wahlniederlage der PAN. Offenbar ist es der PAN nicht gelungen, ihr Wählerpotential ausreichend zu mobilisieren. Dagegen sieht sich die PRD als Gewinner der Wahlen und gibt sich mit Blick auf die Kongresswahl am 06. Juli zuversichtlich. Die Ergebnisse zeigten, dass sich das Dreiparteiensystem in Mexiko konsolidiert habe.
Schlussfolgerungen
- Der dargestellte Verlauf des Wahlkampfes im Bundesstaat Mexiko und die Ereignisse am Wahltag selbst lassen für den bevorstehenden Wahlkampf für die mexikanischen Kongresswahlen im Juli nicht nur Gutes hoffen. Vor allem die PRI scheint mit aller „Macht“ (und dies beinhaltet, wie die bekannt gewordenen Vorwürfe zeigen, offensichtlich auch nicht nur legale Mittel) in der Parteiallianz mit den Grünen, die Wahlniederlage von 2000 wettmachen zu wollen.
- Die PAN vermag es bisher nicht, die Gründe für den Reformstau in Mexiko, also die Blockadepolitik von PRI und PRD im Kongress, der Öffentlichkeit zu verdeutlichen. Die Verantwortung für den Stillstand bei Reformprojekten bzw. Reformgesetzen wird also ganz offensichtlich vor allem der PAN zugeschrieben.
- Bemerkenswert ist, dass die Wähler ganz offensichtlich zunehmend ihr Stimmverhalten von der aktuellen politischen Situation abhängig machen. So wurden von den 124 Gemeinden in 61 (ca. 50%) die aktuellen Lokalregierungen abgewählt und durch andere ersetzt. Ebenso kann registriert werden, dass kleinere, bisher nicht etablierte Parteien (u.a. PT, Convergencia, PAS, PSN) Zulauf bekommen. Bisher nur mit zwei Abgeordneten im Abgeordnetenhaus im Estado de México vertreten, werden die kleinen Parteien von nun an durch sieben Abgeordnete repräsentiert. Dies sollte vor allem PAN und PRI zu denken geben.
- Die offensichtliche Mitwirkung von Präsident Fox und vor allem seiner Frau Marta Sahagún de Fox als Vorsitzende der Stiftung „Vamos México“ im Wahlkampf wurde über Wochen in den Medien stark thematisiert und meist negativ bewertet. Es bleibt abzuwarten welche Schlüsse der Präsident, seine Frau und vor allem die PAN für den Wahlkampf zu den Kongresswahlen ziehen werden.
- Es bleibt zu hoffen, dass nach dem Urteil des IFE über ein Strafgeld für die PRI aufgrund des sog. „Pemexgate“ auch möglichst schnell über die bisher unbewiesenen Vorwürfe der Geldwäsche der „Amigos de Fox“ im Präsidentenwahlkampf 2000 beschieden wird. Beide Affären überlagerten den Wahlkampf im Estado de México sehr stark. Ähnliches ist dem Wahlkampf für die Kongresswahlen im Juli nicht zu wünschen, da Mexiko nichts so sehr benötigt wie klare Aussagen zu politischen und wirtschaftlichen Reformen.
Anhang:
Tabelle 1:Anzahl der von den Parteien gewonnenen Gemeinden im Estado de México
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Tabelle 2:
Anzahl der Abgeordneten im Abgeordnetenhaus des Estado de México
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Tabelle 3:
Stimmenverteilung in % zur Wahl des Abgeordnetenhauses im Estado de México
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