Country reports
Aufgrund der langen Vorgeschichte waren die Kommunalwahlen waren in dem relativ stark politisierten Benin mit Spannung erwartet worden. Weite Teile der Bevölkerung versprechen sich davon eine unmittelbare Verbesserung ihrer Lebensverhältnisse, war ihnen doch die Dezentralisierung u.a. damit schmackhaft gemacht worden, dass die neue Nähe zur politischen Ebene – oft als Tor zu persönlicher Bereicherung betrachtet – auch ihnen (be)greifbare materielle Vorteile bringen würde.
Natürlich sahen die Politiker selbst – oder die, die sich dafür halten – ungeahnte Möglichkeiten für neuartige politische Betätigung. Das führte auch zu einem überdurchschnittlich hohen Anteil an nicht parteipolitisch gebundenen Kandidaten, obwohl bereits im Jahre 2001 für die damals anstehenden Präsidentschaftswahlen ohnehin mehr als 110 politische Parteien registriert waren.
Nicht zu vergessen ist die internationale Community, die als Beobachter ebenfalls sehr gespannt war, ob Benin in der Lage sei, diese Wahlen zu organisieren. Denn immerhin hatte sich die Zahl der Wahlkreise und damit der Wahllokale gegenüber der in 2001 durchgeführten Präsidentschaftswahl vervielfacht und bedeutete für die Organisatoren eine beträchtliche Herausforderung.
Verwaltungsmäßig war Benin bisher nach französischem Vorbild streng zentralistisch strukturiert. Politisch wurde es bis Mitte der 80er Jahre sozialistisch geführt. Zu dieser Zeit begann Staatspräsident Kérékou, der sich 1972 als General an die Macht geputscht hatte und bald ein sozialistisches System einführte, auf Druck von außen die Wirtschaft langsam zu liberalisieren. Allerdings sind im Hinblick auf Dezentralisierung und die damit verbundene Aufgabenverlagerung auf die kommunale Ebene keine verwertbaren Erfahrungen vorhanden gewesen, da die oben erwähnten Kommunalwahlen in 1977 und 1981 mit keiner Verwaltungsreform verbunden waren. Auch die seit jeher auf lokaler Ebene existierenden traditionellen Dorfchefs können nicht als kommunale Instanzen angesehen werden. Sie werden in althergebrachten Verfahren ernannt – d.h. besitzen keine demokratische Legitimierung – und sie besitzen gegenüber den staatlichen Verwaltungseinheiten und -akteuren, den Präfekturen/ Unterpräfekturen bzw. den Präfekten/ Unterpräfekten, rechtlich und finanziell keine Eigenständigkeit.
Parteienlandschaft
Die Parteienlandschaft Benins ist nach wie vor sehr stark von ethnischen und regionalen Bindungen geprägt. So steht die neu gegründete UBF (Union du Benin du Futur) –praktisch ein Regierungsbündnis – für den Norden, die RB (Renaissance du Bénin) für den Süden und die PRD (Parti du renouveau démocratique) für die Gegend um die politische Hauptstadt Porto Novo. Die übrigen kleineren Parteien orientieren sich ebenfalls in erster Linie an regionalen Besonderheiten. Hier ist die PNE (Parti National Ensemble) unter Führung des amtierenden Justizministers Joseph Gnonlonfoun hervorzuheben, die im partnerschaftlichen Kontakt zur KAS steht; sie ist inselartig im ganzen Land verteilt, mit einem leichtem Überhang im Süden. Aufgrund dieser Konstellation wurde durchgehend die Auffassung vertreten, dass die Kommunalwahlen sehr stark von diesem Treuemuster geprägt sein würden und somit keine größeren Überraschungen zu erwarten seien.
Wahlkampf
Im Vorfeld der Wahlen kam es zu einigen juristischen Auseinandersetzungen, in die das Verfassungsgericht mehrfach eingreifen musste. Die für den Ablauf der Wahl verantwortliche „nationale autonome Wahlkommission“, CENA, hatte mit einigen eigenwilligen Entscheidungen für Aufsehen gesorgt, was vor dem Hintergrund ihrer einseitigen Zusammensetzung zugunsten des Regierungsbündnisses UBF zusätzlich die Gemüter erhitzte. Insbesondere die Opposition, in erster Linie die RB des früheren Weltbankdirektors und einstmaligen Staatspräsidenten Soglo, sah sich durch Entscheidungen, wie zum Beispiel durch das Verbot ihres traditionellen Logos, stark benachteiligt.
Die Spannungen legten sich allerdings wieder, nachdem das höchste Gericht zugunsten der Oppositionspartei entschieden hatte. Auch die umstrittene Entscheidung der CENA, einige Tage vor der Wahl eine weitere Partei zulassen, die ein dem RB-Logo fast identisches verwandte, wurde in letzter Minute noch zurückgenommen.
Im Übrigen wurde der Wahlkampf von Vorwürfen beider Lager im Hinblick auf Manipulationen der Wahlunterlagen etc. begleitet. Nicht zuletzt aufgrund der mangelnden logistischen Ausstattung konnte weder die eine noch die andere Seite befriedigende Antworten geben oder Verdächtigungen ausräumen.
Die Wahlen
An den Wahlen nahmen weniger Bürger teil als erwartet. Allerdings gibt es dazu keine offiziellen Zahlen, auch keine Spekulationen in den Printmedien. Der einzige Hinweis kommt aus der CENA: Danach ist die Zahl derjenigen, die sich in die Wählerlisten eingeschrieben hatten, um einiges höher als diejenigen, die dann tatsächlich zu den Wahlurnen schritten.
Ab 8.00 Uhr sollten die Wahllokale offiziell geöffnet sein. Hier und da kam es aufgrund der verspäteten Anlieferung der Wahlunterlagen zu geringfügigen Verspätungen. Eine Ausnahme bildete hierbei allerdings das politisch besonders interessante 12. Arrondissement in Cotonou, in dem sich der ehemalige Präsident Nicophere Soglo von der RB und der Kandidat der UBF, Adjovi, gegenüberstanden. Beide kämpften um das Amt des Bürgermeisters von Cotonou, der größten Stadt Benins. Aufgrund des hohen Steueraufkommens der Stadt wird das Amt des Bürgermeisters von bestimmten politischen Kreisen sogar als Gegenposition zu Staatspräsident Kérékou hochstilisiert.
Bis 17.15 Uhr waren in den ca. 100 Wahllokalen dieses Bezirks keine Wahlunterlagen vorhanden. Aufgrund dieser massiven Verspätung und der gesetzlich vorgeschriebenen 10 Stunden Wahlzeit wurde beschlossen, die Wahlen hier zu wiederholen. Dennoch kam es in einigen Wahllokalen des 12. Wahlbezirks zu Ausschreitungen – in der berechtigten Annahme, es handele sich um Wahlmanipulation. Im Rahmen dieser Ausschreitungen geriet dann auch der Präsident der Wahlkommission CENA, Agbetou, persönlich in Gefahr. Die Sicherheitskräfte sind hier besonders zu loben. Sie prügelten nicht - wie anderswo üblich - auf die Menge ein, sondern konnten im Rahmen eines professionell durchgeführten Krisenmanagements die anfänglichen Spannungen fast gewaltlos abbauen.
Insbesondere die Befürchtung der Opposition, die durch gezielte Indiskretionen geschürt wurde, die Wahlen im Stadtrat für das Bürgermeisteramt von Cotonou vor der Wiederholung der Bürgerwahlen im 12. Arrondissements durchführen zu lassen und somit Soglo als Kandidaten auszuschließen, hielt die Situation zu diesem Zeitpunkt noch recht angespannt.
Erwähnt werden soll noch, dass die ehemalige Kolonialmacht Frankreich dem Regierungsbündnis UBF kräftig Wahlhilfe gewährte: Staatspräsident General Kérékou wurde eine Woche vor dem ersten Wahlgang zum Staatsbesuch nach Paris eingeladen, wo ihn alle wichtigen Politiker, Staatspräsident Chirac eingeschlossen, pressewirksam empfingen. Technisch wurde auch sichergestellt, dass diese Bilder im beninischen Fernsehen und in den Printmedien erscheinen konnten.
Wahlergebnisse
Abgesehen von den Ereignissen im 12. Arrondissement verliefen die ersten Kommunalwahlen nach außen hin in geordneten Bahnen. Auch die Wahlergebnisse entsprachen den Erwartungen. Im Norden konnte das Regierungsbündnis UBF die Mehrheit der Stimmen auf sich vereinigen und stellt somit einen Großteil der Ratsmitglieder und Bürgermeister. Im Süden gewann die RB die meisten Wahlbezirke und stellt allein in Cotonou 26 von 43 Ratsmitglieder und hat damit bereits im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit erlangt. Soglo erhielt über 71% in seinem Wahlbezirk und hat Adjovi vom UBF, also der Partei, die Staatspräsident Kérékou nahe steht, deklassiert.
Dies wurde durch die kurzfristig angesetzte Wahlwiederholung im 12. Arrondissement am 29.Dezember 2002 ermöglicht. Mit dem gewonnenen Stadtteil und dem Sieg der RB in Cotonou steht den Ambitionen von Soglo, Bürgermeister der wirtschaftlichen Hauptstadt Benins zu werden, nichts mehr im Wege. Abgesehen von Wahlwiederholungen in einigen Teilen des 2. und 5. Arrondissements, die allerdings die Mehrheitsverhältnisse nicht mehr gefährden können, sind die Kommunalwahlen 2002 für Cotonou abgeschlossen.
In Porto Novo, der zweitgrößten Stadt des Landes und politischen Hauptstadt, war der aussichtsreichste Kandidat für das Amt des Bürgermeisters der amtierende Parlamentspräsident und Vorsitzende des PRD, Houngbedji. Er errang auch die absolute Mehrheit, allerdings nicht so klar wie erwartet. Die UBF, der hier eigentlich kaum Chancen eingeräumt worden waren, hat hingegen erstaunlich gut abgeschnitten. In diesem Fall wurde die CENA des Wahlbetrugs bezichtigt. Der Streit um das endgültige Wahlergebnis, das auch hier keine Auswirkungen auf den bereits ermittelten Wahlsieger hat, dauert somit noch an.
Der Wahlsieger von Porto Novo, Parlamentspräsident Houngbedji, beabsichtigt, unter Beibehaltung seiner jetzigen Position auch das Bürgermeisteramt anzutreten. Aufgrund der damit verbundenen Ämterhäufung muss er allerdings eine Auseinandersetzung mit dem höchsten Gericht befürchten.
Zu den Wahlen wurden Wahlbeobachter von internationalen Organisationen, u.a. auch der KAS, und nationalen Nichtregierungsorganisationen zugelassen. Im Rahmen der zugestandenen Möglichkeiten haben sie keine Wahlfälschungen festgestellt. Allerdings gehen internationale Beobachter und einheimische Kritiker davon aus, dass die eigentliche Gefahr zur Wahlmanipulation zwischen Wahllokal und Eintreffen und Überprüfung der Wahlzettel in der CENA liegt. Die Wahlergebnisse werden zwar im Wahllokal öffentlich ausgezählt, die Wahlurnen werden dann aber samt Inhalt in die Zentrale der CENA transportiert.
Die CENA kann die im Wahllokal festgestellten Ergebnisse verändern, indem sie beispielsweise Stimmen als ungültig deklariert etc. Der kritische Punkt ist, dass das Beweismaterial, die Wahlurnen – die sinnigerweise transparent sind – in die Verfügungsgewalt der CENA gelangen. Dass die CENA in einer Nacht- und Nebelaktion den Inhalt ganzer Wahlurnen ausgetauscht haben soll, sind freilich unbewiesene Behauptungen und vor allem aufgrund der Ergebnisse nicht plausibel. Genährt wurden diese Gerüchte von dem langen Zeitraum – über zwei Wochen –, der zwischen Wahlgang und Bekanntgabe der Wahlergebnisse lag. Andererseits zeigt sich hier auch, welche politische Brisanz die Besetzung der Wahlkommission hat.
Fazit
Zusammenfassend kann folgendes Fazit der ersten beninischen Kommunalwahlen unter demokratischen Vorzeichen gezogen werden.
Der Ablauf der beiden Wahlgänge verlief im Großen und Ganzen relativ ruhig und ohne ernste Zwischenfälle. Die Ergebnisse sprechen ebenfalls, von einigen Ausnahmen abgesehen, für eine geringe Wahrscheinlichkeit des Wahlbetrugs – zumindest nicht in dem Sinne, dass aussichtsreiche Kandidaten um ihren Wahlsieg betrogen worden wären. Dies ist vor allem im FalleSoglos bedeutsam, da dieser im Vorfeld der Wahlen gewaltsame Demonstrationen angekündigt hatte, sollte er nicht wie erwartet in Cotonou als Wahlsieger hervorgehen! Für einige amtlich registrierte Wahlfälschungen wurde bereits seitens des höchsten Gerichts eindeutig die CENA verantwortlich gemacht. Vor dem Hintergrund einiger äußerst eigenwilliger und wenig nachvollziehbarer Entscheidungen steht die autonome Position der CENA zunehmend in der Diskussion.
Beide Seiten, Opposition und Regierungsbündnis sehen sich bestätigt. Die Opposition hat mit den Bürgermeisterämtern in den beiden größten Städten des Landes wichtige Erfolge errungen: In Cotonou die RB Soglos und in Porto Novo die PRD Houngbedjis. Das Regierungsbündnis UBF war in den ländlichen Gebieten und damit insgesamt siegreich.
Perspektiven
Das demokratische Bewusstsein der Bürger im Rahmen der Dezentralisierung – d.h. durch die nun im höheren Maße gegebenen politischen Kontrollmöglichkeiten auf kommunaler Ebene – weiterhin zu stärken, ist und bleibt eine große Herausforderung. Hiervon kann die in den Anfängen steckende beninische Demokratie mittel- bis langfristig enorm profitieren.
Für die erstmals gewählten Ratsmitglieder und Bürgermeister besteht die große Herausforderung darin, in einem Lernprozess eine sachorientierte Abgrenzung von nationalen, regionalen und kommunalen Zuständigkeiten zu finden. Es ist bekannt, dass es hierzu unterschiedliche Auffassungen gibt und somit zukünftige Auseinandersetzungen vorprogrammiert sind.
Es ist auch zu erwarten, dass sich bei vielen Akteuren Ernüchterung einstellen wird, da einerseits der Erwartungsdruck sehr hoch ist, andererseits kurzfristige Erfolge aber nicht zu realisieren sein werden. Durch die Dezentralisierung haben sich die zur Verfügung stehenden Mittel nicht erhöht, d.h. die Verteilungsmasse ist nicht größer geworden. Im Gegenteil, durch gesteigerte Verwaltungs- und Sachkosten stehen zunächst weniger Gelder für Projekte der Gesundheitsvorsorge, des Schulwesens und anderer wichtiger Aufgaben. Insofern steht die Bewährungsprobe für das Reformprojekt noch aus, zumal Dezentralisierung ohne entsprechende Zuweisung von Sach- und Finanzmitteln an die neuen Gebietskörperschaften den gegenwärtig bestehenden Enthusiasmus rasch untergraben würde.
Das Verhältnis von gewählten Bürgermeistern und Stadt- bzw. Gemeinderäten auf der einen und den von der Regierung eingesetzten Präfekten und deren Administrationen auf der anderen Seite muss auch erst noch austariert werden. Die Frage, ob die Bürgermeister eine eigene Verwaltung erhalten werden, ist noch offen; und wenn ja: wie wird sie finanziert? Falls die Bürgermeister und Gemeinderäte auf die Verwaltung der Präfekturen bzw. Unterpräfekturen angewiesen sind, muss für einen Überganszeitraum, von dem niemand sagen kann, wie lange er dauern wird, mit erheblichen Konflikten und Reibungsverluste gerechnet werden.
Auch die Tatsache, dass sich hochrangige Politiker – darunter ein ehemaliger Staats- und ein amtierender Parlamentspräsident – um kommunale Posten beworben haben, ist nicht unbedingt ein gutes Zeichen für erfolgreiche Dezentralisierung, die sich ja erst noch im politischen Alltag bewähren muss. Es ist zu befürchten, dass der Beweggrund für die politischen Schwergewichte – die ja alle der Opposition angehören – entweder in einer falschen Einschätzung darüber, was man in dieser Position bewirken kann, oder in einer sogn. „Hidden Agenda“ liegt. Es kommt nicht von ungefähr, dass – wie schon erwähnt – einige Kreise das Amt des Bürgermeisters von Cotonou als politische Konkurrenz zum Staatspräsidenten sehen, was sachlich nicht zutrifft. Der SiegSoglos wird von diesen Kreisen als Revanche für die verlorenen Präsidentschaftswahlen gegen Kérékou in 2001 verkauft.
Parlamentswahlen in 2003
Nach den Kommunalwahlen sind für 2003 Parlamentswahlen vorgesehen. Noch sind die Kommunalwahlen nicht beendet, da beginnt schon der Streit um die Neubesetzung der autonomen Wahlkommission CENA für die kommende Wahl – angesichts der beschriebenen politischen Bedeutung der Wahlkommission nicht verwunderlich. Da sich die Koalitionsverhältnisse im Parlament geändert haben – die PRD hat sich mit der Opposition zusammengetan –, kann bei einem ordentlichen Verfahren von einer geänderten Zusammensetzung der CENA ausgegangen werden. Insbesondere bezieht sich die Auseinandersetzung auf die parteilosen Parlamentsmitglieder, die sich keinem der großen politischen Lager zuordnen lassen und somit schwer zu berechnen sind.
Die Regierung sieht diesen Wahlen gelassen entgegen. Denn trotz der Vergabe der Bürgermeisterposten der beiden größten Städte Benins an die Opposition lassen die Zahlen im übrigen Land den Rückschluss zu, dass das Regierungsbündnisses UBF insgesamt gesehen gestärkt aus den Kommunalwahlen hervorgeht. Und auch in Benin werden Kommunalwahlen als Test für Parlamentswahlen gehandelt.
Schließlich muss unterstrichen werden, dass der Demokratisierungsprozess in Benin von den Bürgern Benins selbst geführt und vorangetrieben werden muss. Bildung und Ausbildung der Bürger spielen dabei eine große Rolle. Die vernachlässigte Staatsbürgerkunde und politische Bildung müssen in diesem Zusammenhang besonders hervorgehoben werden. Gerade auf dieses Feld zielen die Bemühungen der Konrad-Adenauer-Stiftung in dem kleinen westafrikanischen Land Benin.