Country reports
Die UMP (Union pour un mouvement populaire) hatte nach den Regionalwahlen vom März bei den Europawahlen einen erneuten Denkzettel für die unpopuläre Politik der Regierung Raffarin befürchtet. Noch in der Woche vor den Wahlen lagen die parteiinternen Voraussagen bei nur noch 14%. Auch der Europa-Wahlkampf der UMP, wie aber auch der übrigen Parteien, war nie richtig in Schwung gekommen.
Die schlimmsten Befürchtungen haben sich zwar für die UMP nicht bestätigt. Das Ergebnis der Europawahlen ist gleichwohl äußerst mager ausgefallen. Wenn es auch nicht zu der befürchteten „Katastrophe“ gekommen ist, so bedeutet das Ergebnis dennoch einen Tiefpunkt in der Wählergunst für die UMP und damit auch für die Regierung Raffarin.
Vermutlich hat die geringe Wahlbeteiligung zu diesem schlechten Ergebnis für die UMP beigetragen. Bei den Europawahlen im Jahr 1999 hatte die Wahlbeteiligung noch rund 46,76% betragen. Bei den Regionalwahlen im März betrug sie gar 62,1%. Bei den Europawahlen 2004 erreichte die Wahlbeteiligung indes nur noch rund 42%. Die größte Partei bei den Europawahlen in Frankreich war, wie in vielen anderen EU-Mitgliedsländern, die Partei der Nicht-Wähler (57%).
Das vorläufige Endergebnis für Frankreich
% | Mandate | |
---|---|---|
PS | 28,89 | 31 |
PC | 5,25 | 2 |
Verts | 7,4 | 6 |
PCR | 0,6 | 1 |
UMP | 16,63 | 17 |
UDF | 11,94 | 11 |
MPF (de Villiers) | 6,67 | 3 |
RPF (Pasqua) | 1,7 | 0 |
DVD | 2,91 | 0 |
CNPT | 1,73 | 0 |
FN | 9,81 | 7 |
LO-LCR | 2,52 | 0 |
Die Linke insgesamt erzielt rund 42%. Der PS legt gegenüber den Wahlen des Jahres 1999 um rund 7% zu, allerdings zu Lasten seiner Partner der „gauche-plurielle“, des PC und der Grünen.
Die bürgerlichen Parteien (droite républiquaine) kommen zusammen auf knapp 40%. Gegenüber den Wahlen 1999 (Liste Sarkozy/Madelin) legt die UMP 4% zu, die UDF gewinnt rund 2% zusätzlich. Dagegen scheitert die Liste Pasqua an der Fünfprozenthürde. Überraschend ist das gute Abschneiden des „Souveränisten“ Philippe de Villiers (MPF).
Die Liste Chasse, Pêche, Nature et Traditions wird nicht mehr im neuen Europaparlament vertreten sein.
Enttäuscht dürfte auch Jean-Marie Le Pen vom Ergebnis seines FN sein. Die linksextreme Liste LO-LCR scheiterte, wie zahlreiche andere kleinere Parteien bzw. Listen an der Fünfprozenthürde. Dies war auch eine der Absichten bei der Neuformulierung des Wahlmodus durch die Regierung Raffarin im Jahr 2003.
Die Sozialisten und die UDF fühlen sich als Sieger der Europawahlen. Mit ihrem Slogan „Für ein soziales Europa“ hatte der PS im Kern einen innenpolitischen Wahlkampf gegen die Reform-Agenda von Premierminister Raffarin geführt. Europäische Themen spielten, wohl auch wegen der Zerstrittenheit des PS in wesentlichen Fragen, kaum eine Rolle.
Auch François Bayrou präsentierte sich am Wahlabend als Sieger. Sein Kampf gegen den „parti unique“ (d.h. die UMP) habe Früchte getragen. Die UDF sei nun die dritte politische Kraft im Lande, vor dem FN. Die UDF sei die einzige wahre Europa-Partei in Frankreich. Er werde sich in Europa nun daran machen, eine zentristische, pro-europäische Partei zu gründen.
Wieder einmal haben sich Bayrou und seine UDF auf Kosten der Regierungsmehrheit profiliert. Bayrou spielt die Rolle des Kritikers innerhalb der Regierungsmehrheit, ohne sich der Disziplin der Regierungsmehrheit zu unterwerfen. Damit bietet er all jenen eine Wahlalternative, die zwar gegen die Reformpolitik der Regierung Raffarin sind, oder ihr zumindest einen Denkzettel ausstellen wollen, ohne aber gleich PS oder gar PC wählen zu wollen. Eine ähnliche Rolle spielt de Villiers und sein MPF im rechten politischen Spektrum.
So wie sich Bayrou am Wahlabend präsentierte, ist er fest entschlossen, eine neue Allianz im Rahmen des Europaparlaments zu finden. Er wird wohl nicht mehr bereit sein, in der EVP-Fraktion mitzuwirken.