Dauerthema SOTE-Reform
In einer Pressekonferenz am Freitagvormittag erklärte Juha Sipilä, dass nach jahrelangen zähen Verhandlungen mit den Koalitionspartnern und im Parlament das Hauptanliegen seiner Regierung gescheitert und deshalb die Auflösung des Kabinetts die notwendige Konsequenz sei. Aus Sipiläs Sicht war der Zeitdruck und die Verzögerungen durch das Parlament Hauptgrund für das Aus der SOTE-Reform gewesen. Seitens des Ausschusses für Soziales und Gesundheit werden allerdings auch verfassungsrechtliche Probleme als Grund angeführt. Richtig ist, dass die Reformen im Gesundheitswesen in Finnland sehr umstritten sind und kontrovers diskutiert werden. Dabei spielen nicht nur verfassungsrechtliche Bedenken eine Rolle, sondern auch eine breite Skepsis gegenüber den Auswirkungen der Reformen auf das kommunale Gesundheitssystem allgemein. Einzelheiten warum die Regierung von Sipilä am Ende an den Reformen scheiterte, werden wohl im Laufe des Wahlkampfes eine Rolle spielen. Sicher ist, dass die SOTE-Reform zum entscheidenden Wahlkampfthema der anstehenden Parlamentswahlen wird.
Wahlkampf ist eröffnet
Trotz Kontroverse, bleibt die Notwendigkeit für Reformen angesichts des teilweise ineffizienten Gesundheitswesens in Finnland bestehen. Für die Sipilä-Regierung war die SOTE–Reform das Kernprojekt für die Legislaturperiode. Die Auflösung der Regierung war in dieser Situation also insofern politisch konsequent. Gleichzeitig wurde dadurch der Wahlkampf zu den Parlamentswahlen eröffnet.
Alle im Parlament vertretenen Parteien haben aus Sipiläs Sicht jetzt die Verantwortung, realistische Lösungen vorzulegen, wie es weitergehen soll. Der Fraktionsvorsitzende der Zentrumspartei, Antti Kaikkonen, sagte in einem Fernsehauftritt am Freitagabend, dass es für den Wahlkampf jetzt einen „reinen Tisch“ gibt. Er selbst und die Zentrumspartei sind von ihrem Model zur Umsetzung der Reformen weiterhin überzeugt und werben auch bei diesem Wahlkampf weiter für das eingebrachte Konzept.
Die Nationale Sammlungspartei (Kokoomus) und Koalitionspartner, hatte bei der Abstimmung zur Annahme des Reform-Pakets auf die Fraktionsdisziplin verzichtet. Der Parteivorsitzende und kommissarische Finanzminister, Petteri Orpo, begründete dies mit der Annahme, dass in dieses Reform-Paket sehr viel Zeit und Arbeit gesteckt wurde und jeder Abgeordnete gut überlegen sollte, es jetzt abzulehnen. Kokoomus war es wichtig, in diesem Paket die Entscheidungsfreiheit der Menschen bei Wahl der Dienstleistungen zu garantieren. Orpo selbst sah das Paket verfassungskonform und habe parteiintern auf ein einstimmiges Abstimmen hingearbeitet, mit dem Bewusstsein, dass einige Abgeordnete dagegen stimmen könnten.
Der Parteivorsitzende der Sozialdemokraten (SDP) und Oppositionsführer, Antti Rinne, begrüßte die Ablehnung der Reform, sah aber Sipiläs Rücktritt und die Auflösung der Regierung als völlig übertrieben an. Kernproblem des Reformpakets, so Rinne, war das der Zugang zu primärer Gesundheitsversorgung und genügend Ärzten und Ressourcen für die Grundversorgung nicht gewährleistet waren. Die Opposition habe deshalb stets entsprechende Pläne vorgelegt, um den öffentlichen Sektor als verantwortlichen Anbieter dieser Grundversorgung allgemein zu gewährleisten. Rinne sieht mit Blick auf die aktuellen Umfragewerte, in denen die SDP vorne liegt, die Chance, dass die Reformvorschläge der bisherigen Opposition nach den Wahlen eine Mehrheit finden könnten.
Auswirkungen auf finnische EU- Ratspräsidentschaft ab Juli 2019
Da Finnland ab Juli 2019 die EU-Ratspräsidentschaft übernimmt, stellt sich die Frage, ob und welche Auswirkungen die aktuelle Situation darauf haben kann. Antti Rinne kritisierte daher Sipiläs Rücktritt scharf, weil er durch diese Situation die Vorbereitungen der finnischen EU-Ratspräsidentschaft gefährdet und darin große politische Risiken sah. Petteri Orpo (Kokoomus) im Gegenzug war zuversichtlich, dass die jetzige Situation keine Auswirkungen auf die kommende EU-Ratspräsidentschaft Finnlands haben wird. Orpo bedauert Sipiläs Entscheidung aber insofern, als dass Finnland eine handlungsfähige Regierung brauche. Es stehen, so Orpo, einige wichtige Entscheidungen in der EU bevor. Bis eine neue Regierung im Amt ist, sei die jetzige Regierung nach der Wahl ohnehin noch kommissarisch tätig. Diesen Status der politischen Handlungsunfähigkeit jedoch auch vor den Wahlen zu haben, hätte verhindert werden können. Allerdings sieht Orpo auch in der jetzigen Situation kein Grund zur Beunruhigung. Finnland habe klare Richtlinien für die EU-Ratspräsidentschaft sowie für anstehende Entscheidungen auf EU-Ebene, da die Zuständigkeit für diese Fragen gemäß der Verfassung bei den Mitarbeitern des Außenministeriums liegt und diese von Regierungsumbildungen nicht direkt betroffen sind.
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