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Freie Berichterstattung unter Druck

by Gaby Neujahr
Malawis einzige unabhängige Zeitung „The Chronicle“ steht massiv unter Druck. Die im kommenden Jahr anstehenden Wahlen werfen ihre Schatten voraus. Als massiven Störfaktor betrachtet die Regierung unter Präsident Bakili Muluzi jedwede freie Berichterstattung. Nun ist ein offenbar politisch motivierter Versuch gescheitert, dass Blatt finanziell in den Ruin zu treiben.

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Robert Jamieson saß in Kapstadt, als daheim in seiner Redaktion in Lilongwe, Malawi, eine Welt zusammenbrach. Während er auf einem Workshop der Konrad-Adenauer-Stiftung seelenruhig den Vorträgen folgte, marschierte einige hundert Kilometer nord-östlich ein Trupp Polizisten in die Redaktionsräume seiner Wochenzeitung „The Chronicle“. Großspurig wedelte dort der Chef der Truppe mit einem Beschluss herum und wies seine Mannen an, alle Computer, Drucker und das Faxgerät einzusammeln.

Den vehement protestierenden Redakteuren wurde kurz beschieden, dass der vorliegende Gerichtsbeschluss zur Beschlagnahme der Geräte berechtige. Eine knappe Stunde später war der Spuk vorbei. Alle Geräte und die Polizisten waren verschwunden. Zurück blieben eine handvoll Journalisten, einige den Tränen nahe, und es blieb die Angst, dass nun die letzte freie Zeitung in Malawi am Ende ist. Hektisch versuchte Quinton Jamieson, Sohn des Gründers und Chefredakteurs, seinen Vater telefonisch zu erreichen.

„Bekommen wir die Ausgabe dieser Woche noch auf die Straße“, fragte Robert Jamieson, nachdem ihn sein Sohn von der Tragödie unterrichtet hatte. „Ja, das klappt wohl“, war die knappe Antwort. „O.k., wir schaffen das. Wir sind noch nicht am Ende“, machte Robert Jamieson daraufhin sich selbst und seinen Leuten Mut.

Ein schiefes Lächeln im Gesicht, berichtete Jamieson anschließend den anderen Teilnehmern des KAS-Workshops, allesamt Medieneigner und Chefredakteure aus dem südlichen und östlichen Afrika, von den Ereignissen. Betroffenheit machte sich breit und Jamieson erläuterte die Vorgeschichte des gerichtlich sanktionierten Raubzuges.

Seit drei Jahren muss sich seine Zeitung immer wieder mit Klagen prominenter Regierungspolitiker herumschlagen. Die meisten davon wurden von den zuständigen Gerichten bislang nicht entschieden. Mal fehlen Unterlagen, mal erscheinen Zeugen nicht, mal scheinen die Gerichte selbst schlicht die Lust am Verfahren verloren zu haben.

Auch in Malawi breitet sich bei der Elite die Begeisterung an Klagen gegen Medien aus. Was in anderen afrikanischen Ländern so prima funktioniert, nämlich die unabhängige Presse durch Verleumdungsklagen einzuschüchtern, wird in Malawi hoffähig. Die Liste der prominenten Kläger gegen den Chronicle liest sich denn auch wie ein „Who-is-Who“ der Regierung. Sie reicht von Staatpräsident Bakili Muluzi bis hin zu Wasserwirtschaftsminister Dumbo Lemani. Die Lemani-Klage war es schließlich, die in Kombination mit einem anderen Verfahren zur Beschlagnahme der Arbeitsgeräte der Chronicle-Journalisten führte.

Doch der Reihe nach: Als einzige Zeitung des Landes berichtet der Chronicle nicht nur über die Regierung, sondern auch über die Aktivitäten der Opposition. Bei einer Wahlkampfveranstaltung von Oppositionsführer Gwanda Chakuamba vor einigen Monaten erhob dieser schwere Vorwürfe gegen Dumbo Lemani, ehedem Energieminister. Lemani sei dafür verantwortlich, dass aus seinem damaligen Portfolio Millionen Euro verschwunden seien und die dafür Verantwortlichen nicht zur Rechenschaft gezogen würden. Das staatliche Anti-Korruptions-Büro nahm Ermittlungen gegen den Minister und einige Mitarbeiter des Ministeriums auf. Doch bevor die Ermittler die Akten sichern konnten, vernichtete ein Brand im Ministerium ausgerechnet die beweiskräftigen Unterlagen Die Suche nach schriftlichen Beweisen lief ins Leere.

Über all diese Vorgänge berichtete der Chronicle, offenbar sehr zum Ärger von Lemani, der das Blatt auf Schadersatz wegen Verleumdung verklagte. Nach einigem Hin- und Her einigten sich die Prozessparteien schließlich außergerichtlich darauf, dass der Chronicle an Lemani Schadenersatz in Höhe von 3600 US-Dollar zahlt. „Uns blieb gar nichts anderes übrig, obwohl unsere Berichterstattung völlig korrekt war. Der Richter machte von vornherein deutlich, sollten wir nicht nachgeben, müssten wir mindestens 50 000 US-Dollar zahlen. Das hätte uns ruiniert“, erläutert Jamieson die Hintergründe für sein Einlenken.

Nach einem Kassensturz musste Jamieson jedoch feststellen, dass er selbst die 3600 Dollar nicht auf einen Schlag würde zahlen können. Also wandte sich der Verleger an das zuständige Gericht und bat um Zahlungsaufschub, nachdem ihm Lembani sein Einverständnis zu Verhandlungen über realistische Zahlungsmodalitäten signalisiert hatte. Das Gericht erklärte sich bereit, dies zu prüfen.

Nur wenige Tage später wurde Jamieson eines Besseren belehrt. In Begleitung bewaffneter Polizisten stand Malawis oberster Sheriff vor seiner Tür und beschlagnahmte seinen Privatwagen. Zähneknirschend fügte sich Jamieson dem Schicksal und machte sich trotzdem einige Tage später auf den Weg zum KAS-Workshop in Kapstadt. Wie sollte er auch ahnen, dass das Gericht in Lilongwe just zu diesem Zeitpunkt ohne Vorwarnung beschloss, eine Forderung aus einem anderen Verfahren – eine Verleumdungsklage, die ohne Anhörung der Beklagten entschieden worden war – bei ihm einzutreiben. Wohl wissend, dass bei ihm daheim nix mehr zu holen ist, stürmten die Ordnungshüter die Redaktion und räumten ab.

Eines war Jamieson von vornherein klar: „Die beschlagnahmten Geräte und das Auto sehe ich nie wieder.“ Es grenzt schon fast an ein Wunder, dass es ihm innerhalb weniger Tage gelang, mit geliehenen und ausrangierten alten PC’s den Betrieb in der Redaktion aufrecht zu erhalten. Inzwischen haben sich Spender gefunden, die Geld zum Kauf neuer Geräte bereit stellen. „Wir bleiben am Markt und werden die in 2004 anstehenden Wahlen kritisch begleiten. So schnell lassen wir und nicht unterkriegen“, freut sich der Journalist.

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January 14, 2004
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