Country reports
Ist dies der Beginn einer Entwicklung, wie sie in Zimbabwe stattgefunden hat ?
Wer ist dafür ?
Am 4. November 2003 kündigte der Vorsitzende der NAFWU (Namibian Farm Worker’s Union), Alfred Angula während eines Pressegesprächs in Windhoek an, dass ab der folgenden Woche 15 Farmen von weißen Besitzern „aufgesucht“ werden sollen. Die Farmer sollen „gebeten“ werden, das Land mit den Farmarbeitern zu teilen: „Call it a land sharing purpose and not land grabbing“.
Es solle nichts beschädigt werden, auch solle keine Gewalt angewendet werden. Angula forderte die Regierung auf, sich herauszuhalten. Schließlich handele es sich um eine Unterstützung der Regierung. Die Politik des „Willing Buyer – Willing Seller“ sei gescheitert. Wenn ihnen der Zugang zu den Farmern allerdings verweigert werde, dann werde man die weiteren Schritte von der jeweiligen Situation abhängig machen.
Unterstützt wurde Angula von seinem Vize-Generalsekretär sowie von 50 anwesenden Farmarbeiter („Viva NAFWU !“). Um welche Farmen es sich handele, wurde zunächst nicht gesagt – nur soviel: Es werde sich um solche Farmer handeln, die sich nicht an die Regeln halten würden (z.B. nicht die gesetzlich vorgeschriebenen Mindestlöhne zahlen).
Der Deputy Secretary der National Union of Namibian Workers (NUNW), Evaristus Kaaronda, brachte sein Verständnis für die vorgesehene Aktion zum Ausdruck. Die Landreform gehe viel zu langsam vonstatten, die Situation habe sich dem Siedepunkt genähert. Man wolle allerdings noch einmal mit der Farmarbeiter-Gewerkschaft sprechen.
Auch der Generalsekretär des CoD (Congress of Democrats, einer der beiden Oppositionsparteien), Ben Ulenga, zeigte Verständnis für das Anliegen Angulas, lehnte aber Selbstjustiz ab.
Wer ist im Prinzip dagegen ?
Hifikepunye Pohamba, der Minister für Ländereien, Neusiedlung und Rehabilitierung sieht in einer ersten Reaktion keinen Grund, von der offiziellen Politik des „Willing Buyer – Willing Seller“ – Prinzips abzuweichen. Das Landreformprogramm sei gesetzlich geregelt, und sein Staatssekretär Frans Tsheehama wurde noch deutlicher: Hier handele es sich sicher nicht um eine Unterstützung der Regierung, und sollten die Farmarbeiter das Gesetz herausfordern, werde das Gesetz entsprechend antworten.
Diese zunächst eindeutig scheinende Ablehnung von Landnahmen kontrastiert allerdings mit früheren Aussagen des Ministers. Dieser hatte nämlich auch schon hier und da Zweifel am Besitzwechsel mit gegenseitigem Einvernehmen geäußert (z.B. in der Allgemeinen Zeitung vom 20.08.2001).
Auch kann man sich an hochrangige SWAPO-Mitglieder erinnern, die gezielt Landnahmen gefordert haben (z.B. in der Allgemeinen Zeitung vom 22.01.2001). Der Staatspräsident ist zwar im Prinzip für das „Willing Buyer – Willing Seller“ – Prinzip, aber auch er hat bei verschiedenen Anlässen seine Kritik daran („...treibt die Preise in die Höhe...“) kaum verschleiert. Außerdem liegen von ihm verschiedene Aussagen zur Landfrage vor, die zumindest stark erklärungsbedürftig sind.
Wer ist grundsätzlich dagegen ?
Die Vertreter der Namibia Agricultural Union (NAU), also des Verbands der kommerziellen Farmer, reagierten einen Tag danach noch überrascht. Man habe die Zusicherung der Regierung, dass keine Landnahme erfolgen werde. Das Statement des Generalsekretärs der NAFWU sei wohl nicht richtig durchdacht gewesen.
Allerdings gesteht auch die NAU zu, dass die „Willing Buyer – Willing Seller“ –Politik zu langsam vorankommt: „... Falls der Prozess in dem Tempo der vergangenen Jahre fortgesetzt wird, würde es noch 50 Jahre dauern, bis 50 % des kommerziellen Farmlands umverteilt ist...“ – Allgemeine Zeitung vom 18.07.2003).
Im übrigen ist zu befürchten, dass das Vorhaben der NAFWU auf erbitterten Widerstand der „besuchten“ Farmer stoßen dürfte. Diese werden ihr Land nämlich keinesfalls freiwillig mit den Besuchern teilen.
Wenn es der Staatsmacht nicht gelingen sollte, die NAFWU schon vorher von ihrem Vorhaben abzubringen oder Parteien dann spätestens vor Ort voneinander zu trennen, dürfte weiteres Unheil programmiert sein.
Was tun ?
Von der Geberseite war zunächst noch nichts zu hören, vermutlich möchte man sich erst einmal Klarheit über den wahren Wortlaut der Statements verschaffen und sich abstimmen. Dies wird freilich noch einige Tage dauern.
Fakt ist:
1. Das „Willing Buyer – Willing Seller“ – Prinzip ist zwar unterstützungswürdig, es kommt aber viel zu langsam voran. Obwohl es inzwischen durchaus einen Markt für Land gibt, ist der Marktzugang für zukünftige schwarze kommerzielle Farmer tatsächlich beschränkt (fehlende Sicherheiten, Zinsbelastung...).
Wenn es nicht gelingt, den Marktzugang für schwarze Farmer erheblich und schnell zu erleichtern, wird das an sich gute Instrument des „Willing Buyer – Willing Seller“ ad absurdum geführt. Die aktuelle Ungeduld (s.o.) belegt dies, das Ventil wird den Druck nicht mehr aushalten.
2. Die Entwicklungspolitik (auch der Bundesregierung) beschränkt sich bisher weitgehend auf die Zusage, im Rahmen der Landreform durch Ausbildung und Beratung einzuwirken. Dies ist nach Ansicht des Berichterstatters zu wenig, wenngleich damit ein wichtiges Element angesprochen wird.
Das entscheidende Element wird aber ausgeklammert: Die Erleichterung des Marktzugangs für schwarze kommerzielle Farmer. Nur wenn die „Willing – Buyer – Willing Seller“ – Politik zu einer spürbaren und schnellen Veränderung der Besitzverhältnisse führt, kann sie als relativ marktkonformes und rechtsstaatlich wünschenswertes Instrument erfolgreich fortgeführt werden.
Dies ist ohne eine direkte Förderung (z.B. Kreditbürgschaften und Zinsverbilligungen) aber mehr als unwahrscheinlich. Allem Anschein nach ist die namibische Regierung nicht willens, dies mit eigenen Mitteln zu besorgen, sie sieht darin ein Problem, das von anderen verursacht wurde und für dessen Lösung daher andere eintreten müssen. Ihre Prioritäten liegen offensichtlich anderswo.
3. Die Geberseite muss die namibische Regierung unmissverständlich daran erinnern, dass es keine vernünftige Alternative zur gegenwärtigen Strategie der Landumverteilung gibt. Sie könnte ihr allerdings bei der Umsetzung weiter als bisher entgegenkommen.
Nur am Rande sei daran erinnert, dass es hierbei keinesfalls um den Schutz von Besitztiteln für eine bestimmte Bevölkerungsgruppe geht, sondern um die Abwendung eines weit größeren Unheils für alle Bürger. Geht Namibia nämlich den Weg Zimbabwes, dann dürfte es auch für die Gebergemeinschaft langfristig erheblich teurer werden.
Eine nachdenkliche Anmerkung
Die wirtschaftliche Situation der kommerziellen Farmen in Namibia ist keinesfalls rosig. Seit 1990 hat sich die durchschnittliche Verschuldungssituation verschlechtert: Von N$ 12,99 pro ha (1990) auf N$ 30,00 pro ha (1999/2000), siehe Werner,W.:Promoting Development Among Farm Workers, NEPRU-KAS 2002.
Die Lage der Farmarbeiter hat sich seit der Unabhängigkeit kaum verändert. Sie sind im Vergleich mit anderen Arbeitern eher eine vernachlässigte Gruppe. Ihr Status, ihr Ausbildungsstand und ihr Organisationsgrad ist niedrig. Der Einfluss der Farmarbeitergewerkschaft ist naturgemäß daher begrenzt.
Unklar ist nun aber, weshalb die NAFWU gerade jetzt diese Kampagne startet. Alle Erfahrungen, z.B. die aus Zimbabwe, deuten darauf hin, dass die größte Gruppe der Verlieren der dortigen Landreform ja gerade die Farmarbeiter sind, die das wenige, was sie haben, auch noch verlieren.
Fast drängt sich der Gedanke auf, dass NAFWU diese Aktion nicht aus eigenem Antrieb heraus plant sondern für andere Ziele instrumentalisiert wird:
- Soll damit von der peinlichen Diskussion um die skandalösen Arbeitsverhältnisse bei der Firma „RAMATEX“, einem von der Regierung unter stillhaltendem Schweigen der Gewerkschaften hofierten malaysischen Großinvestor, abgelenkt werden ?
- Soll damit der Druck auf die Geberseite, sich stärker in Namibia zu engagieren, erhöht werden ?
- Oder soll damit vielleicht gar der Boden für einen später nachfolgenden Ruf nach einem starken Mann, der das Land noch einmal aus der Misere führen kann, bereitet werden ?