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Die wichtigste Frage betraf die komplette Abschaffung des Verhältniswahlrechtes (bei Parlamentswahlen) zugunsten des Mehrheitswahlrechtes. Die Diskussion um das geeignete Wahlsystem gibt es in Italien seit vielen Jahren und konnte bisher weder auf parlamentarischem Weg noch durch Volkbefragungen zufriedenstellend beendet werden. Vom reinen Mehrheitswahlrecht versprechen sich dessen Befürworter eine Bereinigung der Parteienlandschaft und damit stabilere parlamentarische Verhältnisse. Bei der Beantwortung dieser Frage beteiligten sich 32.4 % aller Wahlberechtigten: 82 % stimmten für das Mehrheitswahlrecht, 18 % dagegen.
Die weiteren sechs Fragen waren allgemein von geringerem Interesse. Sie betrafen u.a. die Erstattung von Wahlkampfkosten (71% dafür, 29% dagegen), die Abschaffung der Personalunion von Richter- und Untersuchungsrichteramt (69% dafür, 31% dagegen), das Verbot ausserberuflicher Nebentätigkeit von Richtern (75% dafür, 25% dagegen), die Abschaffung der Regel, dass Straftäter nach Verbüßung ihrer Haft bei ihrem früheren Arbeitgeber wieder eingestellt werden müssen (33% waren für die Abschaffung, 76 % dagegen), Abschaffung der Einzugsverfahren von Gewerkschaftsbeiträgen durch Wohlfahrtsverbände – enti previdenziali (62% für die Abschaffung, 38% dagegen).
Berlusconi, der Führer der Opposition, ist mit den italienischen Wählern ausserordentlich zufrieden. Er hatte die Italiener aufgerufen, sich an dem Referendum nicht zu beteiligen und sprach am Sonntagabend von einem dritten Sieg in Folge seines Parteienbündnisses Polo delle Libertà. Auch die Partei PPI sowie die Rifondazione Communista (Bertinotti) haben das "Ergebnis" begrüsst. Berlusconi hat erneut das deutsche Wahlsystem als das für Italien geeignete bezeichnet und empfohlen, da es den demokratischen Wechsel garantiere.
Die unzureichende Beteiligung der Italiener am Referendum dürfte wohl nicht nur auf die Empfehlung von Silvio Berlusconi zurückzuführen sein, sondern auch darauf, dass die übergrosse Mehrheit der Italiener auf die schwierigen Fragen keine Antworten wußten – genausowenig wie die italienischen Politiker, deren Aufgabe es allerdings sein sollte, sich in politischer Arbeit und parlamentarischer Auseinandersetzung um die gestellten Fragen und besonders um die richtigen Antworten zu kümmern. Dies dem Wahlvolk zu überlassen, wird von den Italienern offensichtlich nicht länger akzeptiert und fördert ihre allseitige Politikverdrossenheit.