Country reports
Landreform durch die Hintertür
Obwohl die Regierungspartei ZANU(PF) über 147 der 150 Parlamentssitze verfügt, mußten die notwendigen 100 Stimmen zuvor in einer Sondersitzung mit allen Mitteln der "Überzeugungsarbeit" gesichert werden, nachdem eine Reihe Parlamentarier ein ablehnendes Votum oder ihr Fernbleiben von der Sitzung angekündigt hatten.
Der Text des Änderungsgesetzes entsprach exakt einer Klausel in dem von der ZANU(PF) beeinflußten Verfassungsentwurf, der erst Anfang Februar von einer breiten Mehrheit der Bevölkerung in einem Referendum abgelehnt worden war.
Mit dieser im Parlament durchgepeitschten Aktion hatte Präsident Mugabe bereits kurze Zeit später sein Versprechen vom Wahlabend gebrochen, daß er die demokratische Entscheidung des Volkes respektieren würde. Dieses hatte sich mit seiner Ablehnung nicht etwa gegen eine gerechtere Verteilung des Bodens ausgesprochen, sondern gegen die Art und Weise, wie die in zahlreichen Anhörungen ermittelte öffentliche Meinung im Verfassungsverfahren mißachtet wurde.
Durch diese Gesetzgebung ist gleichzeitig auch klar, daß der Präsident die Landfrage zum zentralen Wahlkampfthema gewählt hat, um seine kaum mehr vorhandene politische Reputation zurückzugewinnen. Andere Kräfte in der Parteispitze hätten eine Entscheidung zugunsten von Wirtschaftsthemen bevorzugt. Dies hätte jedoch der immer stärker werdenden Diskussion über die ausufernde Korruption in der Staatsspitze ebenfalls Auftrieb gegeben. Zur autoritären Denkweise der alten Eliten paßt besser, Gewalt und Chaos im Lande zu schaffen, um dadurch ihr Überleben zu sichern.
Überlebensstrategie der ZANU(PF)
Die Landfrage nahm, entsprechend einer unabhängigen Umfrage von Februar dieses Jahres, bislang einen nachgeordneten Rang in der öffentlichen Meinung ein. Gerade deshalb eignet sie sich für das Establishment so gut, von stark diskutierten eigenen Versäumnissen abzulenken und Präsident Mugabe am Ende noch den Ruf des Retters der schwarzen Bevölkerung einzutragen. Mit der Landfrage lassen sich auch die zwei anderen strategischen Positionen der ZANU(PF) verbinden: das immer offenere Schüren von Fremdenhaß und die Bekämpfung von Unterstützern und Finanziers der Opposition.
Obwohl Kriegsveteranen, Jugendvertreter der ZANU(PF) und Teile der Landbevölkerung mittlerweile knapp 1000 weiße Farmen - teils mit brutaler Gewalt - besetzt halten, kann davon ausgegangen werden, daß sie letztlich nützliche Figuren in einem Machtspiel sind. Irgendwann wird ihnen mitgeteilt werden, daß ihnen ihr willkürlich abgestecktes Stück Land nicht verbleiben kann, sondern daß sie sich in die Reihe einzustellen haben. Dort warten schon andere, die dem Präsidenten langfristig nützlicher sind: bereits vor Monaten war zum Beispiel aus dem Kongo bekannt geworden, daß allen dort stationierten mittleren und höheren Rängen der simbabweschen Armee bei ihrer Rückkehr ein Stück Land versprochen worden ist.
Wie die Armee, die solche Vergünstigungen erwarten kann, wird auch die Loyalität anderer staatlicher Institutionen zur Zeit getestet und auf die Probe gestellt. Teile der Kriegsveteranen und der Parteijugend sind ohne Zögern bereit, dem Ruf zu folgen und Andersdenkende brutal zusammenzuschlagen oder zu demütigen.
Der Innenminister und der Justizminister haben öffentlich die Gewalt gegen friedliche Demonstranten und gegen Farmer gerechtfertigt, der Generalstaatsanwalt spricht verharmlosend von einer legitimen Fortsetzung des Befreiungskrieges vor zwanzig Jahren. Der Polizeipräsident räumt ein, daß die brutalen Besetzungen von Farmen rechtswidrig sind, läßt aber die Polizei dabei tatenlos zusehen und duldet sogar, daß sie dem Mob ihre Maschinengewehre zur Unterstützung übergeben. Gleichzeitig erklärt er dieses Verhalten damit, daß die Polizei nicht das nötige Personal und die Ausrüstung habe, um die Farmen zu räumen.
Absolute Rechtlosigkeit
Die einzige staatliche Autorität, die sich bisher trotz etlicher Einschüchterungsversuche als standhaft und unabhängig erwiesen hat, ist die Justiz. Der High Court hatte am 19. März den Provinzgouverneur, die Polizei und den Verband der Kriegsveteranen eindeutig dazu verurteilt, die Besetzung der Farmen zu beenden. Gleichwohl schieben sich bis heute alle Beteiligten gegenseitig die Verantwortung für den ersten Schritt zu.
Jenseits aller dabei benutzten Scheinargumente hat Präsident Mugabe am vergangenen Wochenende auf einer Wahlkampfveranstaltung zugegeben, daß er die Polizei angewiesen habe, untätig zu bleiben. Tage zuvor hatte er bereits den Farmern üble Schritte angekündigt, falls sie sich gegen die Besetzungen wehren sollten, und gegenüber Andersdenkenden Todesdrohungen ausgesprochen.
Solange diese vergiftete und rechtlose Situation ihren Zwecken nützlich ist, werden der Präsident und seine Partei die Geister nicht bannen, die sie gerufen haben. Weiße Farmer verlassen scharenweise das Land; dies schwächt die Position ihres Verbandes in anstehenden Enteignungsverfahren und beraubt die Opposition einer wesentlichen Quelle der Unterstützung. Die Größenordnung von 60.000 Menschen, die in rund 1.000 Farmen eingedrungen sind, könnte sich in der Tat zunehmend als Aufgabe für die - dem Präsidenten loyale - Armee stellen, da sie die weitgehend auf die Städte konzentrierte Polizei logistisch überfordert. Durch diesen letzten Schachzug des Einsatzes terroristischer Mittel hat der Präsident das Land tatsächlich noch im Griff. Auf dieser Grundlage wird er auch entscheiden, ob er die anstehenden Parlamentswahlen riskieren kann, oder weiter auf den Ausnahmezustand zusteuert.
Ausnahmezustand noch abzuwenden?
Das Spiel mit dem Feuer läßt sich nicht mehr lange kontrolliert spielen. Manche Beobachter sind bereits der Meinung, daß der Terror der Veteranen der Regierung schon längst aus den Händen geglitten ist und die Aktion nicht mehr umgekehrt werden kann. Nachdem Farmer brutal zusammengeschlagen und ihre Frauen vom Mob gezwungen wurden, nach Parteiliedern zu tanzen und die "Befreiung" der Farm zu feiern, sind die Nervosität und das Ausmaß der Demütigung auf einem Höchststand angelangt. Sobald der erste Schuß von Seiten der Farmer fällt, ist nicht nur ein Vorwand für weiteres Unheil auf weiten Teilen des Farmlandes gegeben, sondern mit einem Schlag auch das Thema der Parlamentswahlen, einer sich formierenden Opposition und einer unabhängigen Presse vom Tisch.