Country reports
In Lateinamerika gibt es in der Zeit nach dem Kalten Krieg keine Friedensdividende. Während die Militärausgaben zwischen 1990 und 1998 weltweit um 150 Milliarden US Dollar zurückgingen, sind sie in dieser Region von 13,5 auf 26,5 Mrd. US Dollar gestiegen. Allerdings ist kein Bereich der lateinamerikanischen Volkswirtschaften so unterbelichtet wie der der Militärausgaben. Die Militärs selbst sträuben sich gegen grössere Transparenz, weil sie Kritik an den üppigen Etats und Kürzungen ihrer Pfründen befürchten.
Die Ausgaben für das Militär ist in vielen Ländern Lateinamerikas nach wie vor ein bedeutsamer Haushaltsposten. Im Zeitraum 1972 bis 1988 haben 5 Länder der Region mehr als 20% des Staatshaushaltes für das Militärs ausgegeben; weitere sechs Länder gaben zwischen 12 und 19% ihres Budgets für die Streitkräfte aus. Seit Jahrzehnten ist man in Lateinamerika sehr zugeknöpft, wenn es um Informationen über die Verteidigungshaushalte geht.
Doch die internationalen Rahmenbedingungen haben sich geändert. Der Kalte Krieg ist beendet. Demokratie ist die allgegenwärtige Staatsform der Region. Die wirtschaftliche Integration wurde erweitert und vertieft. Entsprechend hat die Wahrscheinlichkeit von Konflikten, zumal von bewaffneten Auseinandersetzungen, abgenommen; das gilt selbst für Länder wie Peru und Ekuador, die noch vor kurzem einen Grenzkonflikt mit den Waffen austrugen.
Es wäre daher nur folgerichtig, wenn nun auch die Militärausgaben den gleichen strikten Haushaltskontrollen und Budgetrestriktionen unterworfen würden wie die übrigen Ressorts. Das aber ist in der Regel nicht der Fall.
Ausgaben für das Militär werden in Lateinamerika in der Regel als öffentliches Gut verstanden und entziehen sich daher traditionellen Kosten-Nutzen-Berechnungen. Das öffentliche Gut besteht in dem Schutz von nationaler Autonomie und territorialer Integrität sowie der Sorge für den Schutz und Stabilität nach aussen. Das ist die positive Seite.
Dieses Bild ist allerdings stark getrübt durch Einschränkungen, die scheidende Militärregierungen ihren zivilen Nachfolgern und den demokratischen Systemen überhaupt vererbten. Zudem sind die Streitkräfte durch die Menschenrechtsverletzungen in der Zeit der Militärregierungen belastet. Dennoch haben die Militärs vielerorts ihre relativ hohen Budgets halten können. Das ist weder für die Stabilität in der Region, noch für die wirtschaftliche Entwicklung des eigenen Landes unbedingt förderlich.
Die Entscheidung eines Landes über die Höhe seiner Militärausgaben hat natürlich unmittelbare Auswirkungen auf die umliegenden Nachbarländer. Angesichts des Bestrebens nach Ausgewogenheit oder gar Waffengleichheit ist es eher unwahrscheinlich, dass ein Land einseitig mit einer Verringerung seiner Militärausgaben beginnt, um die eigene Verteidigungsposition zu stärken. Vielmehr führt noch immer jede Erhöhung der Militärausgaben in einem Land auch zu Mehrausgaben für das Militär in anderen Ländern. Dadurch aber erhöht sich insgesamt das Niveau der Militärausgaben in der Region.
Wichtig wäre es daher, zu einer abgestimmten Reduzierung der Militärausgaben zu kommen. Das würde zweifellos die Stabilität zwischen den Nachbarn erhöhen und den Frieden in der Region weiter stärken. Verteidigung könnte daher zu einem gemeinsamen regionalen Gut werden - noch dazu zu einem geringeren Preis.
Belastungen für die Volkswirtschaften
Die volkswirtschaftlichen Opportunitätskosten für die Finanzierung der Ausgaben für das Militär lassen sich mit drei Alternativen begründen:
- einer generellen Erhöhung der Verteidigungsausgaben in der Region, doch dies führte allgemein zu einem niedrigeren Niveau des privaten Konsums;
- einer Reduzierung der Sozialausgaben, doch die würde die Qualität und Reichweite der ohnehin problematischen
- einer Verringerung der Investitionen in die produktiven Bereiche und die Infrastruktur, doch das würde die Wachstumsmöglichkeiten einschränken.
Gleichzeitig aber haben die Militärausgaben negative Auswirkungen auf die produktiven Kapazitäten einzelner Länder. Dadurch, dass die Geschäfte im kleinen Kreis von wenigen Beteiligten abgewickelt werden, gibt es keinen Wettbewerb. Einige Wenige verdienen gut; doch ob tatsächlich der beste Preis für ein Land, das militärische Güter kauft, erzielt wird, ist oft zweifelhaft. Zudem werden die Militärs im sozialen Sicherungssystem der Länder häufig privilegiert behandelt was eine zusätzliche Belastung im Rahmen des Staatshaushaltes bedeutet.
Die positiven und produktiven Effekte der Militärausgaben sind unbedeutender, als sie möglicherweise zunächst erscheinen. Die von den Militärs geschaffene Infrastruktur hat wenig Auswirkungen für die zivilen Bereiche der Staaten. Ebenso ist der Beitrag der Militärs zur Verbesserung des Ausbildungsniveaus einer Gesellschaft sehr gering.
Eine nüchterne Kosten-Nutzen-Analyse zeigt daher, dass die Vorteile der im internationalen Vergleich relativ hohen Ausgaben für Verteidigung und das Militär in Lateinamerika eher gering sind. Daher ist eine größere Transparenz im Hinblick auf die Verteidigungsausgaben innerhalb der Region dringend geboten ist. Vor einer Erhöhung des Verteidigungsetats sollte nüchtern diskutiert werden können, ob die mit den Ausgaben für das Militär angestrebten Ziele nicht auch durch den Einsatz anderer Mittel zu erreichen sind. Vor allem sollten die Ausgaben für die Militärs im Lichte der allgemeinen Entwicklung eines Landes analysiert werden. Der letzte für das Militär ausgegebene Peso (oder wie die Währung gerade heissen mag) ist häufig nicht halb so viel wert wie die Investition des gleichen Peso in einem anderen Bereich.