Country reports
Politisierung der verschiedenen Staatsorgane
Am 19. Januar 2000 traten neue Verfassungsänderungen in Kraft. Eine wesentliche Änderung betraf den Rechnungshof, er wird nun von einer "Contraloría Colegiada" geleitet. Der Präsident des Rechnungshofes wurde durch ein "Kollegium" von 5 Personen ersetzt, die vom Parlament gewählt wurden. Es handelt sich dabei um drei liberale und zwei sandinistische Politiker. Der bisherige Präsident des Rechnungshofes, Agustín Jarquín Anaya, darf in diesem Gremium zunächst noch Beratungsfunktionen wahrnehmen, scheidet aber demnächst endgültig aus.
Unmittelbar nach dem Inkrafttreten der Verfassungsänderungen beauftragte das Parlament 5 Buchprüfer, mit der Überprüfung des Rechnungshofs. Die Ergebnisse stehen schon fest: Sie sollen den ehemaligen Präsidenten des Rechnungshofes diskreditieren.
Im Rahmen der Verfassungsänderungen wurde auch die Verwaltungsstruktur des Obersten Wahlrates (CSE) modifiziert. Er wurde von fünf auf sieben Personen erweitert (zusätzlich ein liberaler und ein sandinistischer Abgeordneter). Die bisherige Präsidentin des Obersten Wahlrates trat nach dieser Erweiterung sofort von ihrem Amt zurück.
Angesichts der Tatsache, daß auch im Wahlgesetz einschneidende Veränderungen vorgenommen wurden und am 5. November 2000 bereits Kommunalwahlen stattfinden, ist diese Erweiterung höchst umstritten.
Während die beiden vorgenannten Modifizierungen schnell vollzogen wurden, dauerte die Erweiterung des Obersten Gerichtshofes von 12 auf 16 Personen einen ganzen Monat, da sich die liberale und die sandinistische Partei nicht auf die Kandidaten einigen konnten.
Am 20. März 2000 konnten dann schließlich zwei liberale und zwei sandinistische Juristen im Parlament vereidigt werden.
Geberländer sind besorgt
Vertreter der internationalen Gemeinschaft, der diplomatischen Vertretungen der Weltbank, des Internationalen Währungsfonds (IWF) zeigten sich besorgt über die "Politisierung" der verschiedenen Staatsorgane und äußerten große Zweifel über das Funktionieren der neuformierten Leitung des Rechnungshofes.
Fraglich erscheint, inwieweit Transparenz, Regierungsfähigkeit (Gobernabilidad) und gute Regierungsführung unter diesen neuen Voraussetzungen noch gewährleistet sind.
Der Leiter der IWF-Mission, Jorge Guzmán, der sich Ende März in Nicaragua aufhielt, betonte, daß die Geldgeber nervös geworden seien und daß diese Nervosität die internationale Hilfe gefährden könnte.
Der ehemalige Direktor des IWF, Michel Camdessus, der in einem Interview auf Nicaragua angesprochen wurde, äußerte sich ebenfalls sehr kritisch. Die Regierungsfähigkeit sei eine unabdingbare Voraussetzung, um in die Entschuldungsinitiative HIPC aufgenommen werden zu können. Nicaragua müsse die Verpflichtungen erfüllen, die bereits auf der Konferenz in Stockholm (Mai 1999) mit den Ländern Zentralamerikas ausgehandelt worden seien.
Neue Verhandlungsrunde in Washington
Am 23./24.5. findet die nächste Konferenz in Washington statt. Daran nehmen die Länder Zentralamerikas, die von der Hurrican-Katastrophe Mitch betroffen waren, sowie 8 Geberländer (Grupo Consultivo para la Reconstrucción y Transformación de Centroamerica) teil.
Nicaragua wird darstellen müssen, inwieweit die Kriterien des ESAF (Strukturanpassungsprogramm) in Angriff genommen bzw. erfüllt wurden. Darunter fallen soziale Reformen im Bildungs-und Gesundheitsbereich, Reduzierung des Staatsapparates, Konzepte zur Armutsbekämpfung, Regulierung der Schuldendienstzahlungen, etc.
Auf die Kriterien "Gobernabilidad, Transparencia y Buen Gobierno" (Regierungsfähigkeit, Transparenz und gute Regierungspraxis) werden die Geberländer dabei ihr besonderes Augenmerk richten.
Die skandinavischen Länder ziehen Hilfe für den Rechnungshof zurück
Bereits Anfang März gaben die Botschafter von Schweden, Finnland, Dänemark und Norwegen bekannt, daß sie ihr gemeinsames Projekt zur Unterstützung des Rechnungshofes zunächst für ein Jahr einfrieren werden. Von den 5,2, Mio. US-Dollar des Gesamtprojektes werden 3 Mio. US-Dollar nicht mehr ausbezahlt.
Als Gründe nannten die Botschafter die zweifelhaften Verfassungsänderungen, von denen der Rechnungshof besonders stark betroffen ist.
Ende März wurde bekannt, daß Norwegen Überlegungen anstellt, die Zusammenarbeit mit der Regierung von Nicaragua insgesamt einzustellen. Es sollen nur noch Projekte mit Nichtregierungsorganisationen aufrecht erhalten werden. Als Gründe wurden ebenfalls die Verfassungsänderungen angegeben.