Der isländische Präsident wird durch eine direkte Volkswahl mit einfacher Mehrheit in einem Wahlgang für vier Jahre gewählt und kann anschließend unbegrenzt wiedergewählt werden. Obwohl durch die direkte Volkswahl laut Verfassung die Exekutivgewalt vom Präsidenten ausgeht und er durchaus Möglichkeiten hat die Politik des Landes mitzugestalten, lässt er diese von seiner Regierung ausüben. Praktisch haben sich die Präsidenten Islands immer aus der Tagespolitik herausgehalten und auf repräsentative Aufgaben konzentriert.
Wahlen unter Corona-Bedingungen
Angesichts der noch anhaltenden Corona-Krise wurden Vorsichtsmaßnahmen getroffen, um sichere Wahlen zu gewährleisten. Es gab mehrere gestaffelte Wahltage, um größere Menschenansammlungen am 27. Juni in den Wahllokalen zu verhindern. Zudem wurden Wähler, die auf Grund einer möglichen COVID-19 Infektion unter Quarantäne waren, einzeln zu isolierten Wahlstationen gebracht, wo sie ihre Stimme mit Hilfe von Wahlhelfern abgeben konnten.
Ungleiche Präsidentschaftskandidaten
Seit seinem Amtsantritt 2016 konnte sich Jóhannesson als beliebter Präsident mit hohen Zustimmungswerten etablieren. Seine Umfragewerte lagen durchweg bei ca. 80 Prozent. In der Neujahrsansprache am 1. Januar 2020 kündigte er seine Kandidatur für eine weitere Amtszeit an.
Jóhannesson, der unter Anderem von 1991-1992 an der Universität Bonn Deutsch studierte, kam im April 2016 als unabhängiger Kandidat ohne vorherige politischen Erfahrungen als sechster Präsident der Republik Island ins Amt. Seine Kandidatur und letztlich seine Wahl zum Präsidenten war eine Antwort auf die damaligen Proteste gegen die politische Elite und insbesondere gegen die Regierung. Diese hatte sich in Folge der Wirtschaftskrise 2009 und besonders durch die Enthüllungen der Panama-Papers 2016, in welchen Offshore-Steuerregelungen des damaligen Ministerpräsidenten Sigmundur Davíð Gunnlaugsson offenbart wurden, diskreditiert. Jóhannesson versprach das Vertrauen der Bevölkerung in das politische System wiederherstellen und den Bürgern durch mehr Referenden Gehör verschaffen zu wollen. Früh in seiner Amtszeit musste Jóhannesson nach den Parlamentswahlen im Oktober 2016 die Verhandlungen zur Regierungsbildung in Island überwachen. Diese Verhandlungen waren schwierig, da keine Koalition eine Mehrheit hatte und alle Parteien mit sehr unterschiedlichen politischen Positionen antraten.
Gegenkandidat Guðmundur Franklín Jónsson forderte im Wahlkampf eine Stärkung des Präsidialamts hin zu mehr politischer Gestaltung. Der studierte Wirtschaftswissenschaftler und derzeit als Hotelmanager in Dänemark tätige Jónsson stellte daher in den Mittelpunkt seines Wahlkampfes die Rolle des Präsidialamts. Er gilt als Nationalist und starker Kritiker der EU, was er in den letzten Jahren auch aktiv in sozialen Medien kommuniziert hat. Er habe, nach eigenen Aussagen, die Aktionen der Regierung mehrmals kritisiert und wolle daher als Präsident auch aktiv auf andere Lösungen hinweisen.
Islands weitere Entwicklung nach der Corona-Krise
Island hat sehr früh und konsequent Maßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise eingeleitet. So wurden umfangreiche Tests und Quarantäne Maßnahmen zur Eindämmung der Infektionen durchgeführt; die Regierung unter Premierministerin Katrín Jakobsdóttir hat Maßnahmenpakete im Gesamtwert von ca. 300 Milliarden ISK zur Bewältigung der wirtschaftlichen Folgen der Krise verabschiedet. Dennoch wird für dieses Jahr ein Wirtschaftsrückgang von bis zu 8,5 Prozent des BIP vorausgesagt. Island ist wirtschaftlich angewiesen auf den Tourismus und hat daher auch bereits am 1. Juli seine Grenzen für Reisende aus der EU und aus Nicht-EU-Ländern geöffnet mit der Maßgabe, am Flughafen einen Corona-Test durchzuführen und eine Tracking-App zu installieren.
Es ist die Aufgabe des Präsidenten die Einheit des Landes zu unterstützen und für politische Stabilität zu sorgen. In Island finden nächstes Jahr Parlamentswahlen statt und bereits jetzt steht das Land vor wichtigen und auch wegweisenden Entscheidungen. Island liegt als Arktisstaat sicherheitspolitisch im Spannungsfeld zwischen den USA, Russland und China. Ähnlich wie Norwegen ist es über vertragliche Abkommen sehr eng an die EU angebunden, ist Teil der NATO und hat bereits 2013 ein Freihandelsabkommen mit China abgeschlossen (in Norwegen rechnet man mit dem Abschluss eines solchen Abkommens Ende 2020)
Der jetzt wiedergewählte Präsident Guðni Th. Jóhannesson wird daher auch eine wichtige Rolle dabei spielen, wie zuversichtlich Island in die Zukunft blickt und sich das Land künftig in der internationalen Politik aufstellt. In seinem ersten Kommentar nach der Wahl am Sonntagmorgen sagte er, dass er das Wahlergebnis als Bestätigung für seine bisherige Arbeit ansehe und es daher seine Pflicht sei als Präsident den gleichen Weg fortzusetzen.