Country reports
Der aus Bilbao stammende, 56-jährige Spanier studierte
Rechts- und Wirtschaftswissenschaften an der Universität
Deusto in Bilbao und hat eine postgraduierte Studie an der
L´École Practique des Hautes Études in Paris erarbeitet.
Als Assitenzprofessor lehrte er Arbeitsrecht und Recht der
sozialen Sicherheit an der Universität Alcalá de Henares in
Madrid und nahm schließlich am "Senior Managers in
Government"-Programm der Harvard Universität in den
USA teil.
Seine politische Laufbahn begann er 1974 in der PSOEnahen
Gewerkschaft UGT, wo er als Wirtschaftsexperte
tätig war. 1972-1975 war er Chef-Ökonom im Büro der
spanischen Außenhandelskammer in Brüssel. 1979 wurde
er zum ersten Mal ins spanische Nationalparlament gewählt
und galt als Kandidat für die Position des
Ministerpräsidenten. In der Regierung von Felipe Gonzalez
war er von 1982 bis 1986 Minister für Arbeit und
anschließend bis 1991 Minister für öffentliche Verwaltung.
Damit war er der jüngste Minister in der damaligen Regierung.
1991 schied er aus der Regierung aus und unterrichtete einige Zeit an der Universität Alcalá de
Henares. 1994 kehrte er in die Politik als Sprecher der PSOE-Fraktion im Parlament zurück (bis
1997) und wurde 1997 zum Generalsekretär gewählt. Dieses Amt begleitete er bis zum Jahr
2000. Nach einer Reihe von Skandalen innerhalb der sozialistischen Partei versuchte er, die
PSOE zu erneuern – u.a. durch die Einführung von parteiinternen Vorwahlen zur Bestimmung
des Spitzenkandidaten. Er selbst war im Jahr 2000 Spitzenkandidat um das Amt des
Premierministers in Spanien.
In Spanien kennt man Joaquín Almunia als Mann des Dialogs. Joaquín Almunia ist Vater zweier
Kinder und hat 2001 sein erstes Buch mit dem Titel "Memorias Politicas" veröffentlicht.
Nach der Parlamentswahl am 14. März 2004 übernahm Almunia von Pedro Solbes, der nach
dem Regierungswechsel in Spanien als neuer Finanzminister in seine Heimat zurückkehrte, das
Amt des EU-Kommissars für Wirtschaft und geldpolitische Angelegenheiten.
Vor ihm liegen schwierige Aufgaben. So sind etwa der Streit um den EU-Stabilitätspakt sowie
die Stimulation weiteren Wachstums in wirtschaftlich schwierigen Zeiten zu nennen. Die
Strategie hierfür sieht Almunia in mehr Flexibilität und einer erhöhten Anpassung der Anforderungen des Stabilitätspaktes an ökonomische Schwankungen. Bei der Beurteilung von
zu hohen Defiziten müsse laut Almunia auch die wirtschaftliche Lage berücksichtigt werden.
Zudem müsse es Anreize dafür geben, in guten Zeiten mehr zu sparen. Almunia erwartet eine
kontroverse Debatte. Ihm gehe es um „mehr Flexibilität bei den Regeln, aber nicht bei den
Prinzipien des Paktes“.
Formale Vorschläge für Änderungen der Vorschriften zur Anwendung des Paktes sind aus Sicht
Almunias reif, mit der neuen Kommission diskutiert zu werden, die im November ihr Amt antritt.
Auch Luxemburg hat bereits angekündigt, im ersten Halbjahr 2005 während seiner
Ratspräsidentschaft über die Reform des Stabilitätspaktes diskutieren zu wollen.
Almunia äußerte sich bisher nicht, ob im Falle Deutschlands die Regeln des Stabilitätspaktes zu
streng ausgelegt worden seien. Mit diesem Argument hatte sich Bundesfinanzminister Hans
Eichel im November erfolgreich gegen den Versuch von Almunias Vorgänger Pedro Solbes
gewehrt, das Defizitverfahren gegen Deutschland weiter zu verschärfen und auf Sanktionen
zuzutreiben.
Als EU-Kommissar will Almunia fünf Schwerpunkte verfolgen:
1. Bei der Haushaltsüberwachung müsse mehr auf die Gesamtverschuldung der Staaten
geachtet werden. Diese ist etwa in Italien besonders hoch, während sie in Deutschland nur
knapp über der Grenze von 60 Prozent des Bruttoinlandsproduktes liegt.
2. Neue Anreize sollten zu einer Konsoliderung der Staatsfinanzen auch in Zeiten guten
Wachstums ermuntern.
3. Bei Festlegung der mittelfristigen Haushaltsziele solle mehr auf die Gesamtsituation in dem
Land geachtet werden. „Länder mit niedrigen Schuldenständen und nachhaltigen öffentlichen
Finanzen sollten mehr Spielraum bei dem Ziel haben, einen ausgeglichenen oder Überschüsse
aufweisenden Haushalt zu erreichen", sagte Almunia.
4. Bei Sparvorschlägen für Länder mit einer Neuverschuldung von mehr als den erlaubten drei
Prozent des Bruttoinlandsproduktes solle mehr auf die wirtschaftliche Lage geachtet werden.
Almunia ist der Auffassung, dass „die Kommission stets wirtschaftliche Überlegungen in den
Vordergrund ihrer Analysen und Empfehlungen gestellt hat, aber die Erfahrung der
vergangenen fünf Jahre hat gezeigt, daß in einigen Fällen zumindest die Verordnungen (zur
Anwendung des Paktes) zu strikt gewesen sein und unseren Bewegungsspielraum eingeengt
haben könnten.“
5. Deshalb müßten voraussichtlich einige Definitionen in den Regeln zum Defizitverfahren neu
formuliert werden.