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Country reports

Jordanien sucht Wege aus der latenten Wasserkrise

by Olaf Köndgen
Jordanien ist der Staat im Nahen Osten, der mit 80 Litern Wasser täglich - neben den Palästinensergebieten, den niedrigsten Pro-Kopf-Verbrauch in der gesamten Region hat. Während Staaten wie Syrien und Libanon sich bisher noch ausreichend aus natürlichen Vorkommen versorgen können und die finanzstarken Golfstaaten ihr Wasserproblem mit Hilfe von Entsalzungsanlagen im Griff haben, steigt der Druck auf die jordanische Politik, nachhaltige Lösungen für die latente Wasserkrise zu finden stetig.

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Das zweite internationale Welt Wasser Forum in Den Haag, an dem Jordanien, die wichtigen Staaten des Nahen Ostens sowie über 100 weitere Teilnehmer präsent waren, warf mit seinen Diskussionen wichtige Schlaglichter auf die akuten Wasserprobleme Jordaniens und die angestrebten Lösungen.

So gab der jordanische Minister für Wasser und Bewässerung, Kamel Mahadin, in Den Haag bekannt, daß die jordanische Regierung die Ausbeutung zweier fossiler Aquifere (unterirdische Wasseradern) in Hallabat und Lajoun ausschreiben will. Das auf 30-50 Jahre geplante Projekt soll die Städte Amman, Zarqa und Karak mit jährlich zusätzlichen 21 Mio. Kubikmeter Wasser versorgen und 18 Mio. Dinar kosten.

In seinen öffentlichen Verlautbarungen in Den Haag legte der jordanische Wasserminister Mahadin großen Wert auf die Feststellung, daß Jordanien die meisten in der Den Haager Ministererklärung zur Wassersicherheit im 21. Jahrhundert geforderten Maßnahmen bereits erfülle: Jordanien praktiziere z.B. die Rationierung von Wasser, schütze seine Aquifere, sei dabei, den Wassersektor zu privatisieren, und führe bewußtseinsbildende Kampagnen durch.

Darüber hinaus studiere die jordanische Regierung neue Projekte zur Behebung der Wasserkrise wie z.B. die Ausbeutung des Aquifers in der Südjordanischen Region Disi, die Nutzung von Brackwasser im Jordantal, die Konstruktion des Wahda-Staudamms zwischen Syrien und Jordanien, den Bau von Entsalzungsanlagen sowie den Import von Wasser aus der Türkei.

Kritischen Stimmen, die von einer weiteren Privatisierung des Wassersektors abrieten, trat Mahadin mit der Feststellung entgegen, Jordanien habe in diesem Bereich sehr gute Erfahrungen gemacht. So werde z.B. ein Großteil des Wasser - bzw. Abwassermanagements für Groß-Amman von der französischen Firma Suez-Lyonnaise des Eaux mit großem Erfolg durchgeführt.

Wenig entgegenzusetzen hatte Mahadin der Kritik des Präsidenten der "Global Environment Facility" (GEF), Alfred Duda, der sein "Erstaunen" darüber äußerte, daß die Umweltprobleme in der jordanischen Oase Azraq immer noch bestehen. GEF hatte bereits 1994 ein 1 Mio. $-Projekt in Azraq finanziert, um die schlimmsten Schäden durch Überpumpen, Versalzung und Wasserverschwendung in der Landwirtschaft zu beheben. 1997-1998 war die Zusammenarbeit verlängert worden und der Hilfsfonds unter Einschließung des Reservats Dana auf 2 Mio. $ erhöht worden. Offenbar sind die Probleme in der Oase, die noch vor 20 Jahren hunderten von Zugvogelarten als Zwischenstation diente, trotz der ausländischen Hilfen ungelöst.

Trotz der optimistischen Rhetorik Mahadins bleiben auch andere wesentliche Fragen hinsichtlich der zukünftigen Wasserversorgung Jordaniens weiter offen. So ist z.B. völlig unklar, wie die geplante Nutzung der nichterneuerbaren Wasserreserven fossiler Aquifere wie z.B. in Disi oder in Hallabat und Lajoun auf nachhaltige Weise geschehen soll. Wie das Beispiel der Oase Azraq zeigt, handelt es sich de facto um ein Abpumpen bis die Vorräte zur Neige gehen. Dies mag den jordanischen Großstädten für einige Jahrzehnte Erleichterung bringen. Die wirklichen Probleme der jordanischen Wasserpolitik löst dieses Vorgehen jedoch nicht. Tatsächlich handelt es sich um eine Symptombekämpfung, nicht um ein Angehen der Ursachen.

An erster Stelle der Wasserproblematik wäre das seit langem steil ansteigende Bevölkerungswachstum zu nennen, das auch für nahöstliche Verhältnisse im Haschemitischen Königreich exorbitant ist. Die prekäre Wasserversorgung auf einem halbwegs tolerierbaren Niveau zu halten, ist angesichts der wachsenden Konsumentenzahl mittel- und langfristig ein aussichtsloses Unterfangen. Eine öffentliche Diskussion, in der Monarchie und Politik dieses heiße Eisen ohne Tabu angehen, ist aber kaum zu erwarten. Von Teilen der jordanischen Gesellschaft, nicht zuletzt von islamistischen Gruppen wie den Muslimbrüdern, wird der Versuch, die Familiengrößen langfristig zu reduzieren, als zionistisches Komplott zur Unterminierung der islamischen Welt angesehen. Entsprechend gering ist die Neigung von Entscheidungsträgern, sich mit diesem Thema unbeliebt zu machen.

Wenig überzeugend waren bisher auch die Versuche, der Wasserverschwendung Herr zu werden. Nicht nur sind große Teile der Rohrleitungen undicht und defekt - was zu Verlusten von bis zu 60% führt - auch die Preispolitik, die die Verschwendung in der Landwirtschaft in hohem Maße begünstigt, scheint verfehlt, angesichts der schlechten Versorgung der Haushalte.

Gerade die Diskussion über den Wasserverbrauch in der Landwirtschaft müßte dringend ehrlich und ohne ideologischen Ballast geführt werden. Da Jordanien schon heute nur noch einen geringen Teil seiner Lebensmittel selber produziert, stellt sich die Frage, inwieweit es sich das Königreich leisten kann, weiterhin zu Lasten der Verbraucher in den urbanen Zentren, Großgrundbesitzer zu subventionieren. Diese bauen in vielen Fällen eben keine "cash crops", also Devisenbringer an, sondern in nicht wenigen Fällen Produkte für den lokalen Markt, die besser importiert würden.

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