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Country reports

Juhan Parts aller Voraussicht nach neuer Ministerpräsident

by Jörg-Dietrich Nackmayr

Damit regiert eine Koalition aus drei Mitte-Rechts Parteien

Juhan Parts ist angekommen. Und das in einem Rekordtempo. Mit 36 Lebensjahren und nach lediglich 203 Tagen Parteimitgliedschaft, davon 191 Tage als Parteivorsitzender, in einer selbst erst 15 Monate alten Partei ist er der schnellste Aufsteiger in das höchste Regierungsamt in Estland.

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Nur Mart Laar war 1992 mit 32 Jahren jünger, schneller an der Spitze war auch er nicht. Vergleichbar ist da eigentlich nur die Karriere des 41 Jahre alten lettischen Ministerpräsidenten Repse. Ob Parts Weg auch weiterhin Parallelen mit seinem Amtskollegen im Süden aufweisen wird, darf man in den kommenden Zeiten mit Interesse verfolgen.

Der am 27. August 1966 in Tallinn geborene Juhan Parts hat nach dem Studium der Rechtswissenschaften an der Tartuer Universität ab 1991 zunächst im estnischen Staatsdienst gearbeitet. Von 1992-1998 war er bereits stellvertretender Kanzler im Justizministerium. Er war Initiator der Reform des Privatrechts und einer der Mitbegründer eines modernen Gerichtsystems und des Systems der Justizverwaltung in Estland.

Im Frühjahr 1998 bot ihm Präsident Lennart Meri den Posten des Staatskontrolleurs (vergleichbar mit dem Bundesrechnungshofpräsidenten) an. Zum Staatskontrolleur wurde Parts am 09. Juni 1998 ernannt. Er hatte diesen Posten bis zu seiner Wahl zum Parteivorsitzenden der Res Publica im Sommer letzten Jahres inne. In den Jahren 1998-2002 war er auch Mitglied im Vorstand der Europäischen Höheren Kontrollorganisationen.

Parts ist geschieden und hat zwei Kinder. Einen Sohn- Toomas-Hendrik (12 Jahre) und eine Tochter- Pille-Riin (8 Jahre). Seine ehemalige Frau –Merle Parts – ist Richterin. Vor allem mit Mafia Prozessen betraut, ist sie wegen ihrer harten Urteile in der Unterwelt gefürchtet.

Der Buchstabe R steht international für „Registered as trademark“, die amerikanische Bezeichnung für eingetragenes Warenzeichen. R³ steht ab sofort in Estland für die neue Parteienkoalition dreier Mitte-Rechts-Parteien. Dies sind die EVP Mitgliedspartei Res Publica, die liberale Reformierakond sowie die patriotisch-ländlich orientierte Rahvaliit. Ob R³ sich auch zu einem Qualitätswarenzeichen entwickeln wird, kann ab dem 7.4.2003 in Estland täglich verfolgt werden. Dann nimmt Juhan Parts seine Amtsgeschäfte auf. Formal verfügt R³ mit 60 Sitzen von 101 im Parlament über eine komfortable Mehrheit. Doch schon warnen die Auguren, dass R³ kein langes Leben beschieden sein könnte. Der Reformierakond unter ihrem ambitionierten Führer, dem ehemaligen Ministerpräsidenten Siim Kallas wird nachgesagt, nur auf die Gelegenheit zur Rückkehr ins Zentrum der Macht zu warten.

So lange nimmt Siim Kallas übrigens auf dem 1. Stuhl in seiner Fraktion Platz, die er künftig führen wird. Von hier aus, so sagt man, wird er die Politik zu dirigieren versuchen. Für dieses Szenario spricht auch die Entsendung der lediglich zweiten Ministergarde in das Kabinett. Offensichtlich wollen die auch in der Öffentlichkeit bekannten bisherigen starken Minister vorerst im Hintergrund bleiben oder als Parlamentarier zunächst abwarten. Die wahrscheinliche Option am Tag X wäre dann die Fortsetzung der bisherigen Koalition der Liberalen mit der populistischen Zentralpartei unter Kallas Führung. Doch auch für diese Koalition ist ein dritter Mitspieler notwendig.

Das Koalitionen schmieden

Die Koalition R³ wurde in den langen 20 Tagen bis zur Feststellung des amtlichen Endergebnisses am 22. März bereits bis zu einem unterschriftsreifen Koalitionsvertrag vorbereitet. Gleichwohl konnte der Staatspräsident erst nach Prüfung aller Beschwerden über den Wahlverlauf die offizielle Regierungsbildung beginnen lassen. Aufgehalten, wie manche meinen, zur Recht überprüft, wie andere sagen, durch einen bis vor das höchste Staatsgericht getragenen Einspruch eines Rentners aus dem Landkreis Võrumaa, begann das offizielle Koalitionen schmieden erst 29 Tage nach dem Wahltag. Der Rentner Ülo Palover klagte gegen die angebliche Benachteiligung der Wähler auf dem flachen Land. Da organisierte Transporte zum Wahllokal und Informationen darüber fehlten, wie man die Wahlurne nach Hause bestellen kann, sah er hierin eine Diskriminierung.

Der Staatsgerichtshof verwarf diese Argumentation mit der Begründung, er sei schließlich wählen gewesen und insofern sei seine Klage subjektiv, er aber gar nicht geschädigt. Auch wurde gegen den alten Mann aus Võrumaa vorgebracht, dass die Wahlbeteiligung auf dem flachen Land gar nicht signifikant niedriger als in den Städten gewesen sei. Viele Medien hatten gemutmaßt, das hinter Herrn Palover aus Võrumaa ganz andere Kräfte stünden. Niemand, der den einfachen Mann erlebt hatte, traute ihm die Abfassung der 6 Seiten lange Beschwerdeschrift zu, die das offizielle politische Leben in Estland für knapp drei Wochen zum Erliegen brachte.

Nachdem diese Hürde vor dem höchsten Gericht genommen war, drängte gleich die nächste Schwierigkeit zur Entscheidung. Diesmal war das höchste Verfassungsorgan, der Staatspräsident selbst am Zug. Es galt die Frage zu beantworten, was die Staatsverfassung in § 89 mit dem ersten Satz meint, dass der Präsident der Republik innerhalb von 14 Tagen nach dem Rücktritt der alten Regierung einen Kandidaten für das Ministerpräsidentenamt designieren wird, der die Aufgabe erhält, eine neue Regierung zu bilden. Nähere Hinweise, nach welchen Kriterien er den Kandidaten bestimmen möge, sucht man in der Verfassung nämlich vergeblich. Vier Jahre zuvor hatte der Vorgänger des jetzigen Präsidenten diese Passage schlicht so ausgelegt, dass die Koalition gebildet werden solle, die nach Meinung des damaligen Präsidenten Estland erfolgreicher regieren würde.

So kam es, dass der zweitplazierte Mart Laar mit seiner Isamaaliit und nicht der eigentliche Wahlsieger Savisaar die Regierung bilden konnte. Savisaar war damals tief erzürnt aber letztlich erfolglos damit gescheitert, die Regierungsübernahme durch die nachplatzierten Parteien aufzuhalten. Auch in dieser Wahl war Savisaars Partei zumindest nach Stimmen wieder stärkste Partei geworden, die Anzahl der Sitze ist allerdings mit der Res Publica identisch.

Rüütel, der sehr auf Ausgleich bedacht ist, aber auch mit den Stimmen von Savisaars Zentralpartei vor bald 2 Jahren zum Präsidenten gewählt wurde, ließ bis zum letzten Moment offen, wen er mit der Regierungsbildung beauftragen würde. In den Tagen vor der Auflösung des Parlaments geisterten beinahe täglich neue Gerüchte um Rüütels Absichten durch die Hauptstadt. Entsprechend der lange für wahrscheinlich gehaltenen und aus dem Präsidentenpalast ventilierten Variante zog Rüütel dann einen Tag nach der Konstituierung des neuen Riigikogu am 1. April doch zunächst Edgar Savisaar zu sich empor. Diese wohl vor allem taktische Offerte wurde von Savisaar in einem einstündigen Gespräch mit dem Präsidenten mit dem Argument zurückgewiesen, die Koalition sei doch schon gebildet.

Pikant ist auch, das Rüütel mit diesem Schachzug so lange wartete, bis Savisaar sein Parlamentsmandat zurückgegeben hatte. Der entschied sich bei der Wahl zwischen seinem Posten als Bürgermeister der Hauptstadt und seinem Sitz im Parlament noch am Tag der Konstituierung des Riigikogu für den Bürgermeisterposten. Am 2. April beauftragte Rüütel dann Juhan Parts mit der Regierungsbildung. Das die Koalition der drei R Parteien den Koalitionsvertrag schon am 28. März in den führenden Tageszeitungen veröffentlichen ließ und die ehemalige Partei Rüütels Koalitionspartner war, mag genau so wie die unsichtbaren Abhängigkeiten von Savisaar schließlich den Ausschlag für Rüütels Entscheidung gegeben haben. Der Koalitionsvertrag wurde gleich nach Juhan Parts offizieller Beauftragung durch den Präsidenten am 2. April von allen 60 Koalitionsmitgliedern unterzeichnet.

Schließlich hatten Kritiker der schnellen Beauftragung von Parts, Rüütel schon seit Tagen vor einen taktischen Fehler gewarnt. Sie hatten in der möglichen Beauftragung von Savisaar einen vorbeugenden Schachzug gesehen, um späteren Dolchstoßlegenden vorzubeugen. Savisaar hätte zumindest formal die Chance erhalten und wäre durch sein eigenes Scheitern bei der Regierungsbildung vorerst einmal ruhig gestellt. Und genau so fädelte es der Präsidentenpalast jetzt auch ein. Da Rüütels eigene Partei an der Dreierkoalition von Anfang an teilnehmen wollte, hatte Savisaar aber überhaupt keine realistische Chance. Ob Rüütel sein Ziel erreicht hat, werden wir bis zum Studium seiner Memoiren zurückstellen müssen.

Erwähnt werden muss die Wahl der 59 Jahre alten Professorin für Astrophysik, Ene Ergma, zur Parlamentspräsidentin. Sie erhielt 66 Stimmen und damit 6 Stimmen mehr als zur Koalition R³ rechnerisch gehören. Die promovierte Physikerin und Mathematikerin ist damit die erste Frau in Estland, die das zweithöchste Staatsamt bekleidet. Die 1999 zur Vizepräsidentin der estnischen Akademie der Wissenschaften gewählte Politikerin der Res Publica, gehört dieser erst seit einem Jahr an. Genau so lange dauert auch die verlängerbare Amtszeit der Präsidentin und ihrer zwei Stellvertreter. Diese sind der bisherige Parlamentspräsident Toomas Saavi, der diesen Posten seit fast 8 Jahren inne hatte und der Reformierakond angehört, sowie der bisherige Fraktionsvorsitzende der populistischen Zentralpartei, Peter Kreitzberg.

Geplant ist, die neue Regierung vier Tage nach der Ministerpräsidentenvereidigung und seiner Regierungserklärung am kommenden Montag dann am 10. April zu vereidigen. Die Ressortverteilung sieht dabei wie folgt aus:

Rahvaliit:

Umweltminister, Landwirtschaftsminister, Innenminister Nr. 1 (Innere Sicherheit, Polizei) und Innenminister Nr.2 (Kommunalaufsicht);

Reformierakond:

Verteidigungsminister, Kulturminister, Minister für Wirtschaft und Kommunikation, Bevölkerungsminister sowie Außenminister;

Res Publica:

Ministerpräsident, Minister für Bildung und Wissenschaft, Justizminister, Finanzminister und Sozialminister.

Die Posten der Vorsitzenden der ständigen Kommissionen im Riigikogu werden wie folgt verteilt:

Rahvaliit:

Wirtschaftskommission, Sozialkommission;

Reformierakond:

Umweltkommission, Finanzkommission und Rechtskommission;

Res Publica:

Kulturkommission, Grundsatzkommission, Kommission für auswärtige Angelegenheiten;

Dem zukünftigen Kabinett gehören 3 ehemalige Minister an:

Kristiina Ojuland (Reformpartei) – Außenministerin in der Regierung von Siim Kallas 2002-2003;

Villu Reiljan (Rahvaliit) – Umweltminister in der Regierung von Tiit Vähi 1995-1996 und in der Regierung von Tiit Vähi 1996-1997 sowie in der Regierung von Mart Siimann 1997-1999 (alle Regierungschefs waren Mitglieder der ehemaligen Koalitionspartei);

Paul-Eerik Rummo (Reformpartei) – Kulturminister in der Regierung von Mart Laar 1992-1994

Der Koalitionsvertrag

Dieser Koalitionsvertrag ist hinsichtlich Umfang, Systematik und seiner Inhalte ein Novum für Estland. Allein die Gliederung weist darauf hin, wie weit der Weg ist, den Estland seit dem NATO Gipfel von Prag und dem EU Gipfel von Kopenhagen bereits zurückgelegt hat. So wird die Sicherheits- und Verteidigungspolitik lediglich als 11. Punkt von 13 in der Vereinbarung knapp erwähnt und belegt damit die sichtbare und heilsame Wirkung der angekündigten Mitgliedschaft in den beiden wichtigsten internationalen Organisationen für die Politik Estlands.

Priorität der neuen Politik hat jetzt die Familien- und Bevölkerungspolitik. Hier werden die meisten, zum Teil kostspieligen Verbesserungen versprochen, um die Geburtenrate in Estland anzuheben. Die Furcht der 900.000 Esten vor dem Aussterben ist eine ernste und überall in Estland verstandene Herausforderung. Die estnischen Instrumente ähneln dabei sehr den aus Westeuropa bekannten Modellen. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf bei Frauen und die bessere materielle Absicherung der Familien stehen im Fordergrund.

In der Bildungs- und Wissenschaftspolitik werden neben einer grundsätzlichen Evaluierung aller Einrichtungen neue Wege bei der Durchsetzung der Informationstechnologien und in der Bezahlung und Anstellung von Lehrern beschritten. Ab 2005 wird ein staatliches Programm zum Erwerb von IT Kenntnissen (IT-Führerschein) für Personen ab 45 Jahren eingeführt. Weit gravierender ist die Stärkung der Autonomie des Schulleiters bei der Auswahl und Anstellung seiner Lehrer (Zeitverträge) und bei der Festlegung der Einkommen. Geplant ist, dass gute Lehrer bis zum Doppelten eines normalen Lehrergehalts verdienen können.

Diese Regelungen wurden erwartungsgemäß von den Lehrervertretern sofort scharf kritisiert, wenngleich deren Interessen in Estland bei weitem nicht so professionell organisiert sind wie in Westeuropa.

Erwähnenswert ist auch der Ausbau der Tallinner Pädagogischen Universität zur Volluniversität. Damit erhält Estland neben Tartu eine weitere staatliche Volluniversität.

Ein weiterer Schwerpunkt dieser Regierung wird die Reform der Inneren Sicherheit und des Rechtsschutzes sein. Die grundsätzliche Linie heißt Abschreckung und Null-Toleranz. Die Verschärfung des Strafrechts in den Bereichen Drogenverbrechen, Körperverletzungen, Organisierte Kriminalität, Diebstahl, Korruption, Verbrechen gegen staatliche Autoritäten und sogar Graffiti steht wie die Verschärfung der Haftbedingungen auf der Tagesordnung. Die Entschädigung des Opfers und die persönliche Haftbarmachung des Täters soll ebenso wie die Möglichkeit der außergerichtlichen Einigung im Täter-Opfer Ausgleich umgesetzt werden.

Für die meisten Bürger Estlands dürften die angekündigten Steuersenkungen den größten persönlichen Effekt nach sich ziehen. Geplant ist die Senkung der Steuersätze für natürliche Personen von heute 26% auf 20% im Jahr 2006. Juristische Personen werden auch weiterhin im Regelfall 26% Steuern abführen, es sei denn sie reinvestieren ihre Gewinne, was die Senkung des Steuersatzes bis auf 0% nach sich ziehen kann.

Die angekündigte Steuersenkung soll in 2% Schritten ab 2004 bis 2006 umgesetzt werden. Gleichzeitig steigt das steuerfreie Einkommensminimum von heute 1000 EEK (65 Euro) pro Monat ab 2004 auf 1400 EEK (90 Euro) und ab 2006 auf 2000 EEK (129 Euro). Das durchschnittliche Einkommen betrug Anfang 2003 übrigens 5853 EEK (374 Euro). Die weitere Deregulierung der Verwaltungsabläufe insbesondere bei Unternehmensgründungen und die Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung auch mittels einer besseren finanziellen Ausstattung sind ebenso festgeschrieben.

Insbesondere die verabredete systematische weitere Senkung der heute mit 26% linearem Einheitsteuersatz im EU Vergleich schon niedrigen Steuerbelastung auf 20% bis zum Jahr 2006 dürfte das starke estnische Wirtschaftswachstum weiter antreiben. Die erwarteten niedrigeren Steuereinnahmen werden durch eine weitere Verschlankung des Staates kompensiert. Heute nimmt Estland mit einer Staatsquote von 38,9% (Zahlen aus dem Jahr 2000) schon einen europäischen Spitzenplatz ein.

Aus Sicht des Autors sind allerdings die in Punkt 7 beschriebenen Änderungen im Kapitel „Politik der Staatsregierung und der Selbstverwaltungen“ von größter Bedeutung für die Zukunft Estlands. Dies wurde bisher von der estnischen Presse noch nicht bemerkt. Denn die Regelungen hier werden einen tiefen Einfluss auf das künftige Parteiensystem haben. Damit sind nicht die ausführlich in den Medien diskutierten neuen, strengen Regeln für die Nutzung von Ministerdienstwagen gemeint, die die Res Publica zur Stärkung ihres Images als sparsamer Anwalt der kleinen Leute und Kämpfer gegen Vorteilsnahme in dem Vertrag unterbrachte.

Interessanter sind das bisher kaum aufgefallene ab dem 1.1.2004 wirksame Verbot von Parteispenden durch Unternehmen, die Begrenzung der Höhe der Wahlkampfausgaben sowie die Ausweitung der staatlichen Parteienfinanzierung auch auf kommunale Selbstverwaltungen. Damit einher geht die Änderung des Wahlgesetzes. Schon zu der kommenden Parlamentswahl 2007 sollen alle Kandidaten in den 12 Wahlkreisen direkt gewählt werden. Das dürfte kleinere Parteien benachteiligen. Diese Änderungen werden politische Parteineugründungen in der Zukunft erschweren und die Konsolidierung des Parteiensystems beschleunigen. Dies ist gleichwohl auch beabsichtigt. Die nahen Wahlen zum europäischen Parlament können bereits als ein interessanter Testfall für mögliche Entwicklungen angesehen werden.

Neben dieser politischen Neujustierung des Parteiensystems fällt die ebenfalls beschlossene Direktwahl des Staatspräsidenten und die Verlängerung seiner Amtszeit auf 6 statt 5 Jahre beim Ausschluss der Wiederwahl kaum auf.

Die E-Wahlen sollen, am Rande sei auch das noch erwähnt, zu den Kommunalwahlen 2005 eingeführt werden.

In der Gesundheitspolitik erwartet die Esten mehr Prävention und mehr Markt. Der Staat wird die Vorsorge und die private Absicherung stärker unterstützen. Dabei setzt die Koalition auf marktwirtschaftliche Lösungsansätze.

Das umfangreichste Kapitel ist das über die Naturpolitik. Hier soll die bis heute vermisste Umsteuerung hin zu Nachhaltigkeit und Pflege und Bewahrung der Natur eingeleitet werden. Estland beginnt, seinen nordischen Nachbarn in diesem Politikfeld zu folgen.

In der Außenpolitik sind die EU und NATO Mitgliedschaft als Primärziele formuliert. Estland unterstützt dabei ein „dezentralisiertes und auf einer freien Marktwirtschaft basierendes Europa.“ Die Reform der einheitlichen Landwirtschaftspolitik, ein flexiblerer EU Arbeitsmarkt und die Verringerung der Bürokratie werden gefordert. Die Entscheidung über die Gestaltung der direkten Steuern muss beim Nationalstaat verbleiben. Der Verbesserung der geschäftlichen Kontakte und Investitionen nach Nordwestrussland wird besondere Aufmerksamkeit gewidmet.

Wie schon erwähnt wird die Verteidigungspolitik unaufgeregt und sehr weit am Ende des Koalitionsvertrages kurz behandelt. Die alleinige Ausrichtung auf die NATO und die Nichterwähnung der ESVP fällt auf. Für deutsche Leser ungewöhnlich ist die Ausweitung des paramilitärischen Unterrichts an den Schulen.

Mit den Regeln für eine ethische Politik schließt dieser liberal-konservative Koalitionsvertrag. Ob den Worten Taten folgen, bleibt abzuwarten.

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Elisabeth Bauer

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