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Country reports

Papst Johannes Paul II. besuchte die Slowakei

by Frank Spengler, Christoph Thanei
Schon zum dritten Mal nach 1990 und 1995 reiste Papst Johannes Paul II. vom 11. bis 14. September in die Slowakei. Er besuchte die StÀdte Trnava (11. 9.), Banská Bystrica (12.), RoÅŸnava (13.) und Bratislava (14. September). Zur BegrÌßung und Verabschiedung am Flughafen Bratislava, aber auch zu den vom Papst zelebrierten Messfeiern kamen neben den höchsten politischen ReprÀsentanten des Landes, StaatsprÀsident Rudolf Schuster, Premierminister Mikuláš Dzurinda und ParlamentsprÀsident Pavol HruÅ¡ovskÃœ, jeweils auch zahlreiche andere Regierungsmitglieder und Spitzenpolitiker. Mehr als fÃŒnftausend Polizisten waren fÃŒr die Sicherheit der viertÀgigen Reise im Einsatz.

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Auch rund tausend auslÀndische Journalisten waren ins Land gekommen und machten den Besuch, neben dem EU-Referendum im FrÌhling 2003 und den Parlamentswahlen 1998 und 2002, zum international am meisten beachteten slowakischen Medienereignis der letzten Jahre. Die internationalen Medien konzentrierten sich aber in ihrer Berichterstattung weniger auf die Slowakei als auf den Gesundheitszustand des Papstes. Das Oberhaupt der katholischen Kirche machte nÀmlich vor allem zu Beginn einen gesundheitlich sehr geschwÀchten Eindruck. Sein Zustand verbesserte sich aber im Laufe der Reise sichtlich.

Hunderttausende Menschen, auch aus den NachbarlÀndern Polen, Ungarn, Tschechien und Österreich, besuchten die vom Papst zelebrierten Messfeiern und sÀumten die Straßen, durch die er fuhr. Allein zur abschließenden Messe in Bratislava-PetrÅŸalka am 14. September kamen rund eine Viertelmillion Besucher. Von Fernsehsendern befragte slowakische Teilnehmer ließen sich vom ausgezeichneten Slowakisch des Papstes beeindrucken und zeigten sich erschÃŒttert ÃŒber dessen schlechten Gesundheitszustand. Übereinstimmend mit den katholischen Bischöfen erwarteten sie sich vom Papstbesuch eine „religiöse Erneuerung" des Landes.

Der Papst selbst warnte in seinen vorbereiteten Reden, die er wegen seiner schwach gewordenen Stimme meist von Bischöfen verlesen ließ, vor Materialismus im kÃŒnftigen erweiterten Europa. Die Slowaken und anderen kÃŒnftigen EU-Mitglieder sollten nicht allein auf den ökonomischen Vorteil der EU-Erweiterung achten: „Großer Reichtum kann in der Tat auch große Armut hervorrufen", mahnte er wörtlich. Wichtig sei daher der „Respekt vor dem menschlichen Leben in allen seinen Formen". Es gehe darum, die Familien zu fördern und den Schwachen in der Gesellschaft zu helfen.

Der Papstbesuch fiel in eine Zeit heftiger Diskussionen um die traditionell starke politische Position der katholischen Kirche im Land. Die VertrÀge mit dem Vatikan u.a. ÃŒber die Finanzierung der katholischen Kirche und des katholischen Privatschulwesens wurden von einem Teil der Medien kritisiert. Das oberste Slowakische Gericht sprach in einer Stellungnahme von einer „positiven Diskriminierung" der Mehrheitsreligion gegenÃŒber religiösen Minderheiten und NichtglÀubigen.

Die katholischen Bischöfe nutzten die Sympathien der Bevölkerung gegenÃŒber dem Papst vor allem fÃŒr ihren Kampf gegen das bestehende Abtreibungsrecht. Diözesanbischof Rudolf Baláş in Banská Bystrica und Erzbischof Ján Sokol in Bratislava konkretisierten die Botschaft des Papstes, indem sie sie in noch deutlicheren Worten auf den seit Monaten innerhalb der Slowakei tobenden Streit ÃŒber das liberale Abtreibungsgesetz zuspitzten: „Menschliche Eingriffe in das von Gott gegebene Leben" seien zu verurteilen, weil sie in eine „Kultur des Todes" fÃŒhrten. Am Rande der BegrÌßung des Papstes protestierten Homosexuelleninitiativen gegen deren Diskriminierung durch die katholische Kirche.

UnÃŒberhörbar waren in den Worten des Papstes und der Bischöfe die Hinweise auf den Kampf um eine weltliche versus geistliche Orientierung der kÃŒnftigen erweiterten EuropÀischen Union. Schon vor seiner Reise hatte der Papst mehrfach darauf hingewiesen, dass er von LÀndern wie der Slowakei und Polen erwarte, dass sie zur religiösen Erneuerung des „verweltlichten" westlichen Europa beitragen wÃŒrden. Genugtuung Àußerte er wÀhrend seiner Slowakei-Reise wiederholt ÃŒber die Überwindung des Kommunismus, den er als „das atheistische Regime" charakterisierte. Aus diesem historischen Erfolg und daraus, dass sie von den aus dem Westen bekannten inneren KÀmpfen zwischen traditioneller Hierarchie und „Modernisierern" bisher verschont geblieben ist, will die katholische Kirche die Kraft zur Überwindung der Gefahr des westlichen Materialismus schöpfen.

Symbolhaft dafÃŒr war die Wahl des Ortes fÃŒr eine Messfeier in Banská Bystrica in der Mittelslowakei. Vertreter von Staat und Kommunen hatten die Papstmesse ursprÃŒnglich aus verkehrstechnischen und KostengrÃŒnden außerhalb des Stadtzentrums abhalten wollen, die Kirche bestand aber auf dem Hauptplatz. Sowohl Bischof Baláş als auch der Papst wiesen vor zehntausenden GlÀubigen auf die Symbolkraft des Platzes fÃŒr die Überwindung des „alten atheistischen Regimes" hin, dessen VergÀnglichkeit eine Mahnung fÃŒr alle Menschen sein solle: Als nÀmlich 1964 Nikita Chruschtschow die Stadt besuchte, musste eine traditionelle Marienstatue verschwinden, die den Platz dominierte. Nach der Wende des Jahres 1989 kam die Statue zurÃŒck und gilt seitdem als Symbol dafÃŒr, dass in der Slowakei der Katholizismus letztendlich stÀrker sei als jede weltliche Ideologie.

Einer der Höhepunkte der Reise waren schließlich zwei Seligsprechungen im Rahmen der Abschlussmesse: Sowohl der griechisch-katholische Bischof VasiÄŸ Hopko (1904-1976) als auch die Ordensschwester Zdenka Cecília Schelingová (1916-1955) wurden vor allem fÃŒr ihre Rolle als Opfer des Kommunismus selig gesprochen. Die Seligsprechung Hopkos gilt auch als besonderes Signal der Anerkennung an die griechisch-katholische Kirche.

Sie ordnet sich zwar dem Papst unter, pflegt aber einen von der römisch-katholischen Kirche abweichenden Ritus. 1950 wurde diese Kirche vom kommunistischen Staat aufgelöst und sollte in die orthodoxe Kirche integriert werden. Bischof Vasiğ Hopko, der sich dieser Auflösung widersetzte, wurde verhaftet und erst 1964 aus dem GefÀngnis entlassen, als er infolge der Haftbedingungen bereits schwer erkrankt war. Er starb 1976 in Prešov.

Zdenka Cecília Schelingová hatte sich als Mitarbeiterin eines Krankenhauses in Bratislava am gescheiterten Versuch der Fluchthilfe fÌr inhaftierte Priester beteiligt und wurde deshalb im Jahr 1952 verhaftet und zu 12 Jahren Haft verurteilt. Auch sie erkrankte im GefÀngnis schwer und wurde deshalb schon 1955 vorzeitig entlassen, starb aber noch im selben Jahr.

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October 1, 2003
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