Country reports
Auch rund tausend auslÀndische Journalisten waren ins Land gekommen und machten den Besuch, neben dem EU-Referendum im FrÌhling 2003 und den Parlamentswahlen 1998 und 2002, zum international am meisten beachteten slowakischen Medienereignis der letzten Jahre. Die internationalen Medien konzentrierten sich aber in ihrer Berichterstattung weniger auf die Slowakei als auf den Gesundheitszustand des Papstes. Das Oberhaupt der katholischen Kirche machte nÀmlich vor allem zu Beginn einen gesundheitlich sehr geschwÀchten Eindruck. Sein Zustand verbesserte sich aber im Laufe der Reise sichtlich.
Hunderttausende Menschen, auch aus den NachbarlÀndern Polen, Ungarn, Tschechien und Ãsterreich, besuchten die vom Papst zelebrierten Messfeiern und sÀumten die StraÃen, durch die er fuhr. Allein zur abschlieÃenden Messe in Bratislava-PetrÅŸalka am 14. September kamen rund eine Viertelmillion Besucher. Von Fernsehsendern befragte slowakische Teilnehmer lieÃen sich vom ausgezeichneten Slowakisch des Papstes beeindrucken und zeigten sich erschÃŒttert ÃŒber dessen schlechten Gesundheitszustand. Ãbereinstimmend mit den katholischen Bischöfen erwarteten sie sich vom Papstbesuch eine âreligiöse Erneuerung" des Landes.
Der Papst selbst warnte in seinen vorbereiteten Reden, die er wegen seiner schwach gewordenen Stimme meist von Bischöfen verlesen lieÃ, vor Materialismus im kÃŒnftigen erweiterten Europa. Die Slowaken und anderen kÃŒnftigen EU-Mitglieder sollten nicht allein auf den ökonomischen Vorteil der EU-Erweiterung achten: âGroÃer Reichtum kann in der Tat auch groÃe Armut hervorrufen", mahnte er wörtlich. Wichtig sei daher der âRespekt vor dem menschlichen Leben in allen seinen Formen". Es gehe darum, die Familien zu fördern und den Schwachen in der Gesellschaft zu helfen.
Der Papstbesuch fiel in eine Zeit heftiger Diskussionen um die traditionell starke politische Position der katholischen Kirche im Land. Die VertrÀge mit dem Vatikan u.a. ÃŒber die Finanzierung der katholischen Kirche und des katholischen Privatschulwesens wurden von einem Teil der Medien kritisiert. Das oberste Slowakische Gericht sprach in einer Stellungnahme von einer âpositiven Diskriminierung" der Mehrheitsreligion gegenÃŒber religiösen Minderheiten und NichtglÀubigen.
Die katholischen Bischöfe nutzten die Sympathien der Bevölkerung gegenÃŒber dem Papst vor allem fÃŒr ihren Kampf gegen das bestehende Abtreibungsrecht. Diözesanbischof Rudolf Baláş in Banská Bystrica und Erzbischof Ján Sokol in Bratislava konkretisierten die Botschaft des Papstes, indem sie sie in noch deutlicheren Worten auf den seit Monaten innerhalb der Slowakei tobenden Streit ÃŒber das liberale Abtreibungsgesetz zuspitzten: âMenschliche Eingriffe in das von Gott gegebene Leben" seien zu verurteilen, weil sie in eine âKultur des Todes" fÃŒhrten. Am Rande der BegrÃŒÃung des Papstes protestierten Homosexuelleninitiativen gegen deren Diskriminierung durch die katholische Kirche.
UnÃŒberhörbar waren in den Worten des Papstes und der Bischöfe die Hinweise auf den Kampf um eine weltliche versus geistliche Orientierung der kÃŒnftigen erweiterten EuropÀischen Union. Schon vor seiner Reise hatte der Papst mehrfach darauf hingewiesen, dass er von LÀndern wie der Slowakei und Polen erwarte, dass sie zur religiösen Erneuerung des âverweltlichten" westlichen Europa beitragen wÃŒrden. Genugtuung ÀuÃerte er wÀhrend seiner Slowakei-Reise wiederholt ÃŒber die Ãberwindung des Kommunismus, den er als âdas atheistische Regime" charakterisierte. Aus diesem historischen Erfolg und daraus, dass sie von den aus dem Westen bekannten inneren KÀmpfen zwischen traditioneller Hierarchie und âModernisierern" bisher verschont geblieben ist, will die katholische Kirche die Kraft zur Ãberwindung der Gefahr des westlichen Materialismus schöpfen.
Symbolhaft dafÃŒr war die Wahl des Ortes fÃŒr eine Messfeier in Banská Bystrica in der Mittelslowakei. Vertreter von Staat und Kommunen hatten die Papstmesse ursprÃŒnglich aus verkehrstechnischen und KostengrÃŒnden auÃerhalb des Stadtzentrums abhalten wollen, die Kirche bestand aber auf dem Hauptplatz. Sowohl Bischof Baláş als auch der Papst wiesen vor zehntausenden GlÀubigen auf die Symbolkraft des Platzes fÃŒr die Ãberwindung des âalten atheistischen Regimes" hin, dessen VergÀnglichkeit eine Mahnung fÃŒr alle Menschen sein solle: Als nÀmlich 1964 Nikita Chruschtschow die Stadt besuchte, musste eine traditionelle Marienstatue verschwinden, die den Platz dominierte. Nach der Wende des Jahres 1989 kam die Statue zurÃŒck und gilt seitdem als Symbol dafÃŒr, dass in der Slowakei der Katholizismus letztendlich stÀrker sei als jede weltliche Ideologie.
Einer der Höhepunkte der Reise waren schlieÃlich zwei Seligsprechungen im Rahmen der Abschlussmesse: Sowohl der griechisch-katholische Bischof VasiÄŸ Hopko (1904-1976) als auch die Ordensschwester Zdenka CecÃlia Schelingová (1916-1955) wurden vor allem fÃŒr ihre Rolle als Opfer des Kommunismus selig gesprochen. Die Seligsprechung Hopkos gilt auch als besonderes Signal der Anerkennung an die griechisch-katholische Kirche.
Sie ordnet sich zwar dem Papst unter, pflegt aber einen von der römisch-katholischen Kirche abweichenden Ritus. 1950 wurde diese Kirche vom kommunistischen Staat aufgelöst und sollte in die orthodoxe Kirche integriert werden. Bischof Vasiğ Hopko, der sich dieser Auflösung widersetzte, wurde verhaftet und erst 1964 aus dem GefÀngnis entlassen, als er infolge der Haftbedingungen bereits schwer erkrankt war. Er starb 1976 in Prešov.
Zdenka CecÃlia Schelingová hatte sich als Mitarbeiterin eines Krankenhauses in Bratislava am gescheiterten Versuch der Fluchthilfe fÃŒr inhaftierte Priester beteiligt und wurde deshalb im Jahr 1952 verhaftet und zu 12 Jahren Haft verurteilt. Auch sie erkrankte im GefÀngnis schwer und wurde deshalb schon 1955 vorzeitig entlassen, starb aber noch im selben Jahr.