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Country reports

Politisches Ringen um die Nachfolge von Jordi Pujol

by Michael Däumer

Vorschau auf die Regionalwahl in Katalonien

Erstmals seit 1980 findet in Katalonien die Regionalwahl am 16. November 2003 ohne den populären Jordi Pujol statt, der seit 23 Jahren die Geschicke der autonomen Region geleitet hat. Der gemäßigte Politiker hat den Generationswechsel in seiner Partei Convergencia vollzogen und den Stab an den 47-jährigen Artur Mas aus Barcelona übergeben.

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Erstmals seit 1980 findet in Katalonien die Regionalwahl am 16. November 2003 ohne den populären Jordi Pujol statt, der seit 23 Jahren die Geschicke der autonomen Region geleitet hat. Der gemäßigte Politiker hat den Generationswechsel in seiner Partei Convergencia vollzogen und den Stab an den 47-jährigen Artur Mas aus Barcelona übergeben.

Mit dem Ausscheiden von Jordi Pujol als Ministerpräsident von Katalonien hegen die katalanischen Sozialisten PSC unter dem ehemaligen Oberbürgermeister von Barcelona, Pasqual Maragall, erstmals berechtigte Hoffnungen auf das höchste Amt in Barcelona.

In den Umfragen wird ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Maragall und Mas vorhergesagt. Noch nie war der Ausgang einer Wahl in Katalonien so ungewiss wie in diesem Jahr. Die Vor- und Nachteile beider Kandidaten scheinen sich derzeit die Waage zu halten. Während der 62-jährige Maragall Vertreter der älteren Generation ist, kann Mas sein jugendliches Alter als Zeichen einer neuen Generation verkaufen.

Allerdings kann Maragall, der die Olympiade 1992 nach Barcelona geholt hat, seine Politik als Erfolg darstellen und sich damit als Mann der Tat ausweisen. Auf solche Erfolge kann Artur Mas bisher nicht verweisen. Die hohen Umfragewerte verdankt Mas dem charismatischen Jordi Pujol und der langjährigen politischen Vormachtstellung der CiU (Convergencia i Unio), der Parteienkoalition von Convergencia und katalanischen Christdemokraten UDC. Die Fürsprache Pujols zugunsten von Mas sichert ihm zwar gute Umfrageergebnisse, kann aber nicht darüber hinweg täuschen, dass die CiU in den vergangenen Wahlen stets Einbußen hinnehmen musste. Der Partido Popular (PP) wurde als Zweckpartner für eine Koalition benötigt.

Die Regionalwahl von 1999 hat erstmals zu einer Polarisierung der politischen Blöcke im katalanischen Regionalparlament geführt. Auf der rechten Parlamentsseite befinden sich CiU (56 Sitze) und PP (12 Sitze) mit einer hauchdünnen Mehrheit von 68 aus 135 Sitzen und auf der linken Seite der Kammer PSC (50 Sitze), ERC (12) und die katalanischen Grünen ICV (5) mit 67 Sitzen.

Die jetzigen, engen Mehrheitsverhältnisse im Parlament und der angekündigte Abgang von Pujol geben den Auftrieb für einen erbitterten Wahlkampf in Katalonien. Die Hauptwahlkampfaussage für die Opposition steht unter dem Motto „Wechsel für Katalonien“ (PSC) bzw. „Wähle den wahren Wechsel“ (ICV – Katalonische Grüne). Mit positiven Botschaften zu Katalonien versuchen die Regierungsparteien CiU und PP die Wählerschaft zu überzeugen. So wirbt Artur Mas mit dem Wahlslogan „Ja zu Katalonien“ und der Spitzenkandidat des PP, Josep Piqué, mit seinem Bekenntnis „Ich glaube an Katalonien“.

Die Wahlkampfaussagen der Parteien haben zu einer politischen Polarisierung innerhalb der Bevölkerung geführt. Zum einen wird nach 23 Jahren allgemein ein Wechsel gewünscht. Andererseits ist durch die Zunahme des katalanischen Nationalismus in den vergangenen Jahren das Bekenntnis zu Katalonien ein wichtiger Entscheidungsfaktor für die Wahlen geworden.

Die CiU, die sich als reine katalonische Regionalpartei darstellt, fährt einen Wahlkampf, der den „Generationswechsel“ verkündet, aber auf die politische Kontinuität des „Pujolismus“ setzt. Die Bekenntnisse des PP zu Katalonien kommen jedoch bei der Bevölkerung nur halbherzig an. Zwar ist Josep Piqué ein gebürtiger Katalane, hat aber den Nachteil, dass er als langjähriger Minister in der Regierung unter José Maria Aznar den Ruf eines Madrider Zentralisten genießt.

Piqué versteht sich als Mehrheitsbeschaffer für die CiU, indem er die Stimmen der „spanischen Einwanderer“ in Katalonien für den PP gewinnen will. Der Sozialist Maragall ist zwar ein ausgewiesener Katalane und kann Erfolge für Katalonien vorweisen, allerdings ist seine Partei PSC lediglich ein regionaler Arm der zentralistisch ausgerichteten Partei PSOE.

So dreht sich gegenwärtig der Wahlkampf um die Frage, welche Partei „katalanischer“ ist. Die nationalistischen Töne, die im Wahlkampf angeschlagen werden, sind - zum Leidwesen der Madrider Zentralparteien PP und PSOE - ausgeartet. Ministerpräsident Aznar und Nachfolgekandidat Mariano Rajoy werfen der CiU eine Abkehr des gemäßigten Nationalismus unter Pujol, zum Schaden der spanischen Einheit, vor. Dies wird allerdings von der CiU heftig bestritten. Der PSOE in Madrid hingegen befürchtet, dass die PSC auf die radikal-nationalistischen Republikaner ERC zwecks Koalitionsbildung angewiesen sein könnte. Die ERC propagiert die Loslösung Kataloniens vom spanischen Staat. Zwar haben sich die Republikaner, die mit dem Wahlslogan „+ cerca“, was „näher an Katalonien“ bedeuten soll, werben, noch auf keine Koalitionsaussage festgelegt, Maragall aber liebäugelt mit dieser Partei, um die Stimmen der nationalistisch gesonnenen Katalanen zu gewinnen. Die ERC, die mit Stimmzuwächsen auf Kosten der CiU rechnet, wird zum Zünglein an der Waage werden. Unlängst verkündete ERC-Spitzenkandidat Josep Lluís Carod Roviera, dass die „CiU nicht weiß, wie sie ihre abhanden gekommenen Stimmen wiedergewinnen soll, die sie an die ERC verloren hat, weil wir diejenigen sind, welche das Erbe der Convergencia repräsentieren.“

Die Regionalwahl in Katalonien birgt viel Sprengstoff für die kommenden Nationalwahlen im März 2004. Dabei ist bereits viel politisches Porzellan zerbrochen worden. Die Madrider PP-Führung hofft auf Stimmzuwächse, wobei ein zweistelliges Ergebnis nach 9,5 Prozent im Jahre 1999 als Erfolg verbucht werden könnte. Der PP muss den Wahlsieg der Sozialisten verhindern, damit diese daraus keinen Profit für die Nationalwahlen im nächsten Jahr ziehen können. Deswegen treten Aznar und Rajoy massiv in zahlreichen Veranstaltungen in Katalonien auf, um die Stimmen der „spanischen“ Wähler und der „Mitte“ zu gewinnen. Der PP buhlt insbesondere um enttäuschte Wähler der CiU, die den eingeschlagenen nationalistischen Kurs der Partei nicht mit tragen wollen.

Dabei riskiert der PP durch seine Angriffe auf die CiU zum Thema Nationalismus, einen potentiellen Koalitionspartner im nächsten Jahr zu verlieren, falls der PP die absolute Mehrheit nicht erreicht. Die Sozialisten sind ebenso dringend auf einen Wahlerfolg angewiesen, um den benötigten Stimmungswechsel auf nationaler Ebene herbeizuführen. Allerdings wird eine Koalition der PSC mit den radikal-nationalistischen Republikanern ERC mit Sorge gesehen, da mit der Forderung der ERC nach Loslösung vom spanischen Staat die politische Auseinandersetzung zwischen der spanischen Regierung und Katalonien vorprogrammiert ist.

Eines ist sicher: Die CiU steckt in der Zwickmühle, denn zum einen will sie ihre Wählerinnen und Wähler mit dem Versprechen der Kontinuität und eines Generationswechsels überzeugen, andererseits muss sie die Abwanderung von Wählerstimmen ins nationalistische Lager der ERC, die einen Wahlsieg der CiU zunichte machen könnte, verhindern.

Wahlergebnisse in Katalonien (1980 – 1999)

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Dr. Wilhelm Hofmeister

Wilhelm.Hofmeister@kas.de
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October 29, 2003
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