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Bei der Präsidentschaftswahl vom 20. Mai 2001 errang der amtierende Präsident N. Bagabandi bereits im ersten Wahlgang die erforderliche absolute Mehrheit: Nach vorläufiger Angabe des Allgemeinen Wahlausschusses erhielt er 58,0 Prozent der Wählerstimmen. Rund 1,18 Mio. wahlberechtigte Bürger der Mongolei waren aufgerufen, bei der dritten Präsidentschaftswahl seit der Einführung der demokratischen neuen Verfassung im Jahr 1992 ihre Stimme abzugeben. Die Wahlbeteiligung lag mit 82,6 Prozent recht hoch, fiel aber um ca. 2,5 Prozentpunkte geringer aus als vor vier Jahren.
Um das Amt des Präsidenten hatten sich drei Kandidaten beworben. Das Vorschlagsrecht für diese Kandidaten hatten nur im Parlament vertretene Parteien. Der Hauptkonkurrent und ehemalige Parlamentspräsident R. Gonchigdorj wurde von der Demokratischen Partei (DP) nominiert. Er erzielte 36,6 Prozent der Stimmen. Der dritte Kandidat, L. Dashnyam, ist ein der mongolischen Öffentlichkeit wenig bekannter Hochschulprofessor für Geschichte. Er wurde von der Partei der Zivilcourage (PCC) ins Rennen gebracht und erhielt nur 3,5 Prozent.
Etwa 27 Journalisten und mehr als 30 Wahlbeobachter aus 30 Ländern stellten fest, daß die Wahl insgesamt ordnungsgemäß und friedlich verlief.
Politische Stabilität versus politischer Machtausgleich
Der Hauptwahlkampf fand zwischen Bagabandi und Gonchigdorj statt. Die mongolische Wählerschaft hatte sich angesichts der starken Stellung des Staatspräsidenten für eine der zwei polarisierten politischen Wahlkampfaussagen dieser Kandidaten zu entscheiden:
- Gonchigdorj stellte die Frage des Machtausgleichs und der Ausbalancierung der Kräfteverhältnisse der konkurrierenden beiden Parteien in den Vordergrund seiner Kampagne.
- Bagabandi konterte mit dem Argument, dass es der Stabilität des Landes nütze, wenn die politische Macht auf eine Partei konzentriert sei.
Gonchigdorj und seine DP erklärten ihr Argument vor allem damit, dass ein Präsident aus der Opposition das Parlament (72 der 76 Sitze entfallen hier auf die MRVP) und die Regierung von Ministerpräsident Enkhbayar besser kontrollieren, die Einparteienherrschaft vermeiden und die regierende MRVP zur Verwirklichung ihrer Wahlversprechen mahnen kann. Bagabandi und die MRVP hingegen vertraten die Position, dass es darauf ankomme, alle Macht in Hand einer Partei zu belassen, damit der Staat politisch stabil bleibe und die Regierung ihr Programm besser umsetzen könne.
Die Wahlkampagne war hart und von Emotionen geprägt. Die Wähler erfuhren wenig über programmatisch-konzeptionelle Wahlkampfaussagen. Dafür arbeiteten die MRVP und die DP mehr mit gegenseitigen Beschuldigungen und Beschwerden, die sie vor allem über die Medien an die Wähler heranbrachten. Ein Treffen der beiden Parteispitzen konnte die Situation nicht verbessern.
Für die Wähler gab es nur wenig Möglichkeit, die Programme der Kandidaten direkt zu vergleichen. Es fand nur eine Live-Debatte im Fernsehen statt, an der sich alle Kandidaten beteiligten. Das Angebot von Gonchigdorj, mindestens drei Live-Diskussion zu führen, war vorher von der MRVP kategorisch abgelehnt worden. Die Regierungspartei, die neben dem Amtsinhaber auch alle Gouverneure der 21 Provinzen stellt, konnten sich insgesamt von diesen Machtpositionen aus im Wahlkampf stärker profilieren und war den Konkurrenten auch finanziell und organisatorisch überlegen.
Dass Bagabandi mit seiner Werbung für mehr politische Stabilität die Wahl gewinnen konnte, ist möglicherweise ein Anzeichen dafür, dass die mongolischen Wähler die Situation der vergangenen Legislaturperiode vermeiden wollten. In dieser Periode hatte es starke Auseinandersetzungen zwischen dem Parlament und dem Präsidenten gegeben, die zu verschiedenen Regierungskrisen und politischen Instabilitäten führten.
Präsident will Regierung und Parlament unterstützen
Präsident Bagabandi erklärte nach seinem Wahlsieg, dass er die Regierung N. Enkhbayars unterstützen wird und das Programm der MRVP gemeinsam mit ihm und dem Parlament umsetzen werde, denn sein eigenes Programm sei praktisch auf der Grundlage des Regierungsprogramms entwickelt worden.
Ministerpräsident N. Enkhbayar sagte in der Wahlnacht: "Der Sieg des Präsidenten verleiht eine Garantie für politische Stabilität, die für das wirtschaftliche Wachstum von enormer Wichtigkeit ist. Und dieser Sieg bedeutet auch, dass die Wähler weiterhin die MRVP unterstützen. Bei dem Treffen der Geberländer für die Mongolei in Paris vor der Wahl haben sie uns 330 Mio. US$ für weitere 12 Monate zugesagt. Wir haben somit die Unterstützung von innen und von außen. DieWähler haben der MRVP große Verantwortung verliehen. Wir werden uns immer vorwärts bewegen für Demokratie und Marktwirtschaft".
Folgende Aufgaben sieht Bagabandi als prioritär an:
- UnterstĂĽtzung nationaler Industrien und Landwirtschaft
- Verringerung der Arbeitslosigkeit und Armut
- Unterstützung des ausländischen Investitionen
- offene und vielseitige AuĂźenpolitik
- Bewahrung der Pressefreiheit, Verabschiedung des Rundfunk- und Fernsehgesetzes u.a.
Ausblick
Dass die regierende MRVP mit dem Sieg der Präsidentschaftswahl in allen politischen Entscheidungsbereichen ihre Machtstellung gesichert hat, bedeutet zunächst keine grundsätzliche Gefahr für die Fortsetzung des Demokratieprozesses in der Mongolei. Denn die Partei, die das Land fast 70 Jahre lang in der sozialistischen Periode führte und auch nach der politischen Wende von 1990 bis zu ihrer ersten Niederlage gegen das Wahlbündnis der DU im Jahre 1996 an der Macht blieb, konnte sich in ihrer Oppositionszeit programmatisch erneuern und politisch-ideologisch neu bestimmen.
Ihr progressiver Flügel unter Ministerpräsident Ekhbayar ähnelt heute eher einer sozialdemokratischen Mitte-Links-Partei als der ehemals kommunistischen Partei traditioneller Prägung. Allerdings hat die MRVP auch immer noch ihren orthodoxen kommunistischen Flügel.
Der alte und neue Präsident, der durch das Amt auf seine Parteifunktion und -zugehörigkeit verzichten musste, ist bekannt dafür, dass er diesem Flügel angehört und mit der reformorientierten Führung der Partei trotz seiner aktuellen versöhnenden Aussagen um seinen Einfluss in der Partei kämpft. Es wird ihm das von ihm selbst nicht offen erklärte Ziel nachgesagt, durch eine Schwächung des Parlaments im öffentlichen Ansehen die Mongolei in eine Präsidialdemokratie umgestalten oder zumindest die Rolle des Präsidenten stärken betonen zu wollen. Konflikte, ähnlich wie sie in der Legislaturperiode von 1996 bis 2000 beobachtet werden konnten, sind deshalb auch in Zukunft zwischen dem Präsidenten Bagabandi und der Regierung Ekhbayar wahrscheinlich.
Der seit fast zwei Jahren andauernde Disput zwischen dem Parlament und dem Verfassungsgericht um die Verfassungsänderung und -interpretation könnte dabei evtl. zum Vorteil für den Präsidenten werden. Sollte die mehrfach vollzogene Verfassungsänderung, welche die Rechte des Präsidenten erheblich einschränkt, durch das Verfassungsgericht endgültig als nicht verfassungskonform beurteilt werden, kann der Staatspräsident seine alten Befugnisse wieder gewinnen und seiner Absicht damit ein Schritt näher kommen.
Bagabandi hatte bereits zweimal sein Veto gegen die Änderung und Ergänzung der Verfassung eingelegt. Da die Psychologie der mongolischen Öffentlichkeit nach den Problemen der vorherigen Regierung in ihren eigenen Reihen z.Zt. dazu neigt, einen "starken Führer" zu vermissen, schließt der Präsident nicht aus, daß ein für ihn erfolgreiches Volksreferendum über die Demokratieform in der Mongolei durchgeführt und dementsprechend die Verfassung geändert wird. Wie er auf einer Pressekonferenz nach seinem Sieg sagte, sei es kurzfristig nicht möglich, die Frage nach der Staatsform endgültig zu behandeln.
Die meisten der MRVP-Parlamentarier und der Regierungsmitglieder kommen allerdings aus Enkhbayars reformorientiertem Flügel und werden wie bisher versuchen, ihre Positionen gegen den Präsidenten und das Verfassungsgericht zu behaupten. Die Kräfte der Demokratiebewegung, die seit ihrem Wahldesaster im vorigen Sommer ihre Oppositionsrolle außerparlamentarisch spielen müssen und sich trotz ihrer aktuellen Wahlniederlage weiter neu formieren, werden 40 Prozent der Wähler, die damals hinter ihnen standen, ebenfalls gegen die Absichten des Präsidenten mobilisieren.
Die verfassungsrechtliche Stellung des Präsidenten der Mongolei
Die Mongolei ist eine parlamentarische Republik mit starken präsidentiellen Komponenten. Der Präsident wird auf der Grundlage der Verfassung von 1992 für 4 Jahre vom Volk direkt gewählt. Er kann einmal wiedergewählt werden. Nur Parteien bzw. Koalitionen, die im Parlament vertreten sind, können ihre Präsidentschaftskandidaten für die Wahlen vorschlagen. Die vorgeschlagenen Kandidaten müssen diesen Parteien angehören und das Mindestalter von 45 Jahren erreicht haben.
Laut Verfassung ist der Präsident "Staatsoberhaupt und Symbol der Einheit des Volkes der Mongolei" (Artikel 30, Absatz 1). Er ist ferner Vorsitzender des Nationalen Sicherheitsrates und Oberbefehlshaber der Streitkräfte und der Grenztruppen. Mit der Amtsübernahme lässt er seine Parteimitgliedschaft ruhen.
Der Präsident der Mongolei besitzt das Recht auf Gesetzesinitiative und das Vetorecht gegen Gesetze. Dies kann jedoch mit Zweidrittelmehrheit der anwesenden Parlamentarier abgelehnt werden.
Bis zur ersten Verfassungsänderung vom Dezember 1999, die aufgrund der Entscheidung des Verfassungsgerichts ein Jahr später erneut in gleicher Form im Sommer 2000 vom neu gewählten Parlament bestätigt wurde, hatte er starke Vollmachten bei der Regierungsbildung und Gesetzgebung. Mit der Änderung und Ergänzung der Verfassung sind diese stark eingeschränkt worden. Denn bis dahin konnte der Präsident beispielsweise dem vom Parlament vorgeschlagenen Ministerpräsidenten die Amtsbestätigung verweigern. Eine solche Uneinigkeit zwischen dem Parlament und dem Präsidenten führte u.a. zur erheblichen Vertiefung der Regierungskrise 1998/99, als die Koalitionsregierung der Demokratischen Union an der Macht war. Bei der Kabinettsbildung hatte er auch das Recht, einzelnen Ministern die Bestätigung zu verweigern. Seit dem Inkrafttreten der Neufassung der Verfassung ist seine Mitwirkung bei der Regierungsbildung nur noch ein formaler Akt.
Eine andere wichtige Aufgabe des Präsidenten ist die Berufung von drei der neun Verfassungsrichter sowie von Richtern und Staatsanwälten aller Instanzen. Eine solche Vollmacht ermöglicht dem Präsidenten, seinen Einfluss im gesamten Judikativbereich auszuüben und die Interpretation der Verfassung und anderer wichtigen Gesetze über ihm gefällige oder verpflichtete Richter zu seinen Gunsten zu gestalten.
Der Präsident vertritt auch den Staat im Ausland und kann im Konsens mit dem Parlament internationale Verträge abschließen.
Wie Artikel 35 der Verfassung aussagt, ist der Präsident dem Parlament gegenüber verantwortlich. Das bedeutet, dass er vom Parlament kontrolliert wird und über seine Aktivitäten im Parlament berichten muss. Bei Verstoß gegen die Verfassung kann er mit Zweidrittelmehrheit der Abgeordneten vom Parlament abgesetzt werden.