Country reports
Das Wahlergebnis in der Analyse
Der Stichwahl vorausgegangen war am 02. Januar ein erster Wahlgang, der eine doppelte Überraschung gebracht hatte: Zum einen wunderten sich die Beobachter, dass Stipe Mesić nicht schon im ersten Wahlgang sein Amt mit klarer absoluter Mehrheit verteidigen konnte und dieses Ziel mit 49% der Stimmen knapp verfehlte. Die zweite Überraschung war das gute Abschneiden des amerikanisch-kroatischen Unternehmers Boris Mikšić (knapp 18%), der im rechten national-konservativen Wählerbereich Potential abschöpfte. Jadranka Kosor übertraf Mikšić nur mit gut zwei Prozentpunkten Vorsprung (20,8%).
Zu keinem Zeitpunkt des nur drei Wochen währenden Kurz-Wahlkampfs und auch in den Wochen davor hatte Jadranka Kosor eine wirkliche Chance, das höchste Amt in der kroatischen Republik zu erringen. Dennoch gelangen ihr in den Umfragen kontinuierlich Stimmengewinne. Dass sie schließlich mit 34 Prozent der Wählerstimmen 5 Prozent mehr errang als der in der Wählergunst abgesunkenen Regierungspartei derzeit von den Demoskopen zugetraut werden (28,2% nach jüngsten Umfragen gegenüber 33,9% bei den Wahlen im November 2003), ist weit mehr als nur ein persönlicher Achtungserfolg für Jadranka Kosor.
Es ist jedoch eine Tatsache, dass ein Teil der HDZ-Anhänger und überwiegend auch die rechts-nationalen Wähler des Boris Mikšić ihre Stimmen in der Stichwahl letztlich nicht Jadranka Kosor sondern Stipe Mesić gegeben haben. Kosor gelang vor allem die Mobilisierung der kroatischen Diaspora und besonders erfolgreich war sie in Mitteldalmatien.
Jadranka Kosor war vor allem die Kandidatin des reformorientierten Ministerpräsidenten und Parteivorsitzenden der HDZ, Ivo Sanader, für den das Unternehmen Präsidentschaftswahl dennoch keine Schlappe darstellte. Im Gegenteil hat Sanader eine für ihn und seine Partei schwierige Situation recht gut meistern können:
Nachdem die ersten acht Regierungsmonate nach den Parlamentswahlen von November 2003 den Beobachtern den Eindruck einer Kohabitation zwischen Premier und Präsident vermittelt hatten, geriet Sanader in dem Augenblick in die Defensive und die HDZ ins Dilemma, da die Opposition, allen voran die auch mit der EVP-verbundene Bauernpartei HSS sich nach den Sommerferien klar auf die Unterstützung von Stjepan Mesić festlegte, ja ihm diese förmlich aufnötigte.
Wie sollte der Premier sich nun verhalten? Sollte er selbst gegen den kaum zu schlagenden Mesić antreten (nur Sanader wurden Chancen auf einen Sieg eingeräumt)? Oder schien es angeraten, ebenfalls den Präsidenten zu unterstützen, was aber den Vorwurf nach sich gezogen hätte, die stärkste politische Kraft Kroatiens habe keine personellen Alternativen? Oder hätte er etwa einen Kandidaten des rechten Flügels der HDZ aufstellen sollen, was für negative internationale Reaktionen und neue innerparteiliche Gräben gesorgt hätte?
Ivo Sanader tat in dieser Situation das einzig Richtige, indem er sich für eine kompetente und den Kurs der innerparteilichen Reform und der EU-Orientierung bedingungslos unterstützende Kandidatin entschied. Auch durch die Wahl einer Frau unterstrich er damit innerhalb der HDZ seinen Willen zur Fortsetzung reformorientierter Politik. Anderen möglichen Kandidaten ersparte er es, in einem aussichtslos erscheinenden Wahlkampf verschlissen zu werden. Letztlich ging mit Jadranka Kosor die nach Sanader bestmögliche Kandidatin der HDZ ins Rennen, welche die Kampagne mit einem respektablen Erfolg abschloss, der auch die Interpretation zulässt, dass die Zeit für eine Frau im höchsten Staatsamt eben noch nicht reif genug ist.
Abschließende Bewertung des Wahlausgangs:
Die Opposition hat das Vorfeld der Präsidentschaftswahl erfolgreich zur ihrer Neuformierung genutzt und tritt bei den bevorstehenden Kommunalwahlen nun in ähnlicher Konstellation wie das Regierungsbündnis aus der letzten Legislaturperiode an (konservative Bauernpartei und postkommunistische Sozialdemokraten Seite an Seite).
Premierminister Sanader gelang es seinerseits erfolgreich, alle Versuche abzuwehren, die darauf abzielten, eine ihn selbst schwächende Personaldiskussion im Zusammenhang mit der Präsidentschaftswahl zu inszenieren.
Die Kroaten bestätigten mit mäßigem Interesse und geringer Begeisterung einen jovial und volkstümlich auftretenden Landesvater, mit dem sie in den letzten Jahren alles in allem keine schlechten Erfahrungen gemacht hatten. Darüber hinaus waren nicht wenige Wähler der Meinung, dass die regierende HDZ neben dem Regierungschef und dem Parlamentspräsidenten nicht auch noch das höchste protokollarische Amt bekleiden sollte, das die junge Republik zu vergeben hat.
Die nächsten Herausforderungen für die Regierung Sanader
Auch in Kroatien ist nach den Wahlen vor den Wahlen. Getreu dieser Prämisse sind die für April angesetzten Kommunalwahlen für die politische Machtverteilung in Kroatien von weitaus größerer Bedeutung als die zurückliegende Präsidentschaftskampagne. Die Kommunalwahlen werden womöglich neue Rahmenbedingungen für die operative Politik schaffen, vor allem aber sind sie ein wichtiger Test für den Rückhalt von Regierung und HDZ in der Bevölkerung. In gewisser Weise sind sie auch ein Stimmungsbarometer in Bezug auf den pro-europäischen Kurs Ivo Sanaders. Nicht von ungefähr hat die kroatische Regierung in den vergangen Monaten erfolgreich mit aller Kraft darauf hingearbeitet, dass der Beginn der EU-Beitrittsverhandlungen zeitlich vor dem Termin der Kommunalwahlen liegt.
Derzeit sind die Erfolgsaussichten für einen Wahlsieg der HDZ bei den Kommunalwahlen jedoch wenig rosig. Während die HDZ kontinuierlich sinkende Umfragewerte zu verzeichnen hat, nimmt die Europaskepsis in der Bevölkerung drastisch zu und erreichte mit knapp 40 Prozent ablehnender Haltung vor Weihnachten einen neuen Höchstwert. Während es der Regierung Sanader gelang, mit dem Jahr 2004 eine außenpolitische Erfolgsstory zu schreiben, die ihresgleichen sucht (vom positiven Avis der EU-Kommission über die Verleihung des EU-Kandidatenstatus zum Beschluss der Aufnahme von Beitrittsverhandlungen) und mit der dezidiert forcierten Verständigungspolitik auch Fortschritte für die Region gebracht hat, fällt die innenpolitische Bilanz für das Jahr 2004 bei weitem nicht so erfolgreich aus, zumindest nicht in der öffentlichen Wahrnehmung.
Gewiss gelang die Ankurbelung von Reformvorhaben in zentralen Bereichen wie der Justiz, der Kommunalverwaltung und auch der Wirtschaftsstrukturpolitik. Auch die bevorstehende Einführung von sogenannten One-Stop-Shops ist Kernvoraussetzung für eine nennenswerte Steigerung ausländischer Investitionen. Die Arbeitslosenquote ist im Vergleich zum Vorjahr um 0,8 auf 18,4 Prozent gesunken. Die Brutto-Gehälter sind geringfügig angestiegen, die Tourismussaison 2004 war die erfolgreichste, die Kroatien je zu verzeichnen hatte, das Bruttoinlandsprodukt lag im dritten Quartal 2004 um 3,6 Prozent höher als im gleichen Zeitraum 2003, der Privatisierungsprozess schreitet voran, und auch das Haushaltsdefizit konnte reduziert werden - um nur einige Erfolgsmerkmale zu nennen.
Doch diese Fakten sind in der Öffentlichkeit nicht genügend als Erfolge kommuniziert worden und erscheinen der Bevölkerung, deren Lebensstandard sich nicht merklich hebt, nicht als ausreichend. Hinzu kamen Korruptionsvorwürfe, denen sich Außenminister Miomir Žužul ausgesetzt sah, der schließlich zur Jahreswende seine Demission ankündigte, um, wie er sagte, den kroatischen Verhandlungsbeginn mit der EU nicht zu belasten.
Zahlreiche Fachleute schließlich führten Gravamina, dass die Koordinierung der Wirtschaftspolitik nicht professionell genug erfolge. Hier zielten die Beschwerden vor allem auf die Person des stellvertretenden Premierministers Andrija Hebrang, eines gelernten Mediziners, der auch Koordinator für Wirtschaft sowie Gesundheitsminister ist, sowie auf den kaum profilierten Wirtschaftsminister Branko Vukelić. Auch der in seiner Heimstadt Zadar von einer stramm rechts ausgelegten „Regional-HDZ „ mit Beschlag belegte Superminister für Infrastruktur, Meer und Tourismus Božidar Kalmeta steht auf Grund von Verzögerungen des Autobahnausbaus in der Kritik. Nachdem nun auch Andrija Hebrang aus gesundheitlichen Gründen seinen Rückzug angekündigt hat, wird Premierminister Sanader noch vor den Kommunalwahlen eine Regierungsumbildung vornehmen müssen, welche ihm aber auch die Möglichkeit gibt, Führungsstärke zu beweisen und die personellen Ressourcen der Regierung zu verbessern.
Nur wenige Beobachter rechnen derzeit mit einem klaren Erfolg der HDZ bei den Kommunalwahlen. Eine Beibehaltung des bisherigen Status quo, im wesentlichen ein Patt zwischen Regierung und Opposition, bzw. nur geringe Verluste für die Regierungspartei HDZ wären schon als Erfolg zu werten. Für den Fall drastischer Einbrüche wird der Druck auf die Regierung zunehmen, entweder vorgezogene Neuwahlen auszurufen oder nach stabileren Koalitionspartnern zu suchen.
Für letzteren Fall gilt nach dem Ausfall der Bauernpartei als potentieller Koalitionspartner die Möglichkeit einer großen Koalition zwischen der HDZ und den Sozialdemokraten der SDP als wenig wahrscheinlich. Es mehren sich jedoch derzeit die Anzeichen dafür, dass die bisher stark rechtsnational/nationalistisch ausgerichtete „Partei des Rechts“ (HSP) sich nach dem Vorbild der HDZ einem parteiinternen Wandlungsprozess unterzieht, mit Blick auf einen pro-europäischen, wenn auch national-konservativen aber bedingungslos demokratischen Kurs. Die nächsten Monate werden zeigen, wie ernst es Anto Đapić, dem Chef der HSP, wirklich ist, seine durch nationalistische Ausfälle vorbelastete Partei umzuformen und wie glaubwürdig diese Anstrengungen in ihrer Realisierung erscheinen. Gelingt der HSP ihre Transformation, dann wird dies Auswirkungen auf die Koalitionsoptionen der Regierung Sanader und die kroatische Parteienlandschaft insgesamt haben. Diese gerät auch durch die sich abzeichnende Neuformierung des bisher zersplitterten Blocks der liberalen Parteien in Bewegung.
Stjepan Mesić: Der alte und neue Präsident
Der 1934 geborene Stjepan Mesić ist in Kroatien aufgrund der von ihm gepflegten demonstrativen Volkstümlichkeit relativ beliebt. Vielen Menschen erscheint er geradezu als Kontrapunkt zu seinem hochrespektierten aber stets steif und distanziert wirkenden Amtsvorgänger Tuđman, der das Land mit der Machtbefugnis eines Staatspräsidenten französischer oder amerikanischer Prägung geführt hatte.
Mesić war langjähriges Mitglied der Kommunistischen Partei Jugoslawiens, Mitglied im letzten jugoslawischen Staatspräsidium und wurde nach der Unabhängigkeit Kroatiens zu einem der führenden Männer der HDZ, die er jedoch nach einem Streit mit Tuđman verließ. Die daraufhin von ihm gegründete liberal-demokratische Partei HND ist mittlerweile in der liberalen Oppositionspartei HNS aufgegangen.
Mesić verstand sich während seiner ersten Amtsperiode als parteiloser Präsident aller Kroaten und unterstrich dies mit dem Austritt aus der von ihm gegründeten Partei. Mesićs Verdienst war es, dass er zunächst eine aktive Rolle bei der Veränderung des politischen Systems Kroatiens von einer präsidialen zur parlamentarischen Demokratie gespielt hatte. Dennoch hat man nicht unbedingt den Eindruck, dass er sich in die Rolle eines Präsidenten finden möchte, dessen Amt vornehmlich auf Repräsentation ausgerichtet ist. Statt „große Themen“ aufzugreifen oder auf diese zu reagieren, meldet sich der Staatspräsident immer wieder in der Tagespolitik zu Wort und macht dabei mitunter eine unglückliche Figur, wenn er sich zu Äußerungen hinreißen lässt, die nachfolgend vor dem Hintergrund öffentlicher Kritik modifiziert oder auch revidiert werden.
Es wäre eine historische Leistung von Präsident Mesić, wenn er in seiner zweiten Amtsperiode dazu beitragen würde, den in der kroatischen Verfassung noch angelegten Dualismus zwischen Staatspräsident und Regierung an den Stellen zu entschärfen, wo er eine klare Kompetenzabgrenzung zwischen den höchsten Staatsorganen behindert. Ob der machtbewusste und mit einem glänzenden Ergebnis in seinem Amt bestätigte Stipe Mesić dazu den Willen aufbringen wird, erscheint jedoch fraglich.