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Country reports

Referendum in Uganda

Der Ausgang des Plebiszits über das zukünftige politische System Ugandas überrascht wenig: überragender Sieg des Movement-Systems über das Mehrparteien-System. Befremdlich scheint vielmehr die Reaktion der Movement-Regierung: langes Schweigen und Nüchternheit.

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Uganda hat gewählt. Feierlich proklamiert die Vize-Vorsitzende der Wahlkommission, Flora Nkurukenda, am 02. Juli 2000 das vorläufige amtliche Wahlergebnis: Movement-System 90,7 Prozent, Mehrparteien-System 9,3 Prozent, Wahlbeteiligung 51,1 Prozent. Die Regierungszeitung "The New Vision" spricht von einem erdrutschartigen Sieg des Movement, die Opposition von "gestohlenen Wahlen" und einem "siegreichen Boykott". Die Wahlbeobachter der OAU attestieren dem Wahlvorgang "Transparenz", die Gruppe der Geberstaaten attestieren Mängel bei der Vorbereitung.

Die Historie

Das am 29. Juni 2000 durchgeführte Referendum über das künftige politische System Ugandas (Movement-System oder Mehrparteien-System) ist das Ergebnis mangelnden Konsenses und gescheiterter Verhandlungen während der Verfassungsgebenden Versammlung der Jahre 1993/1994. Das Verfassungsgremium, von dem seit 1986 regierenden National Resistance Movement (NRM) unter Staatspräsident Yoweri Museveni dominiert, plädierte für die Festschreibung des Movement-Systems, einem (K-) Ein-Parteien-System. Die tragische Geschichte des Landes verlange nach einer weiteren Konsolidierung des Kurses unter der Sammelbewegung "Movement" und könne eine Rückkehr zu einem Mehrparteiensystem nicht zulassen. Die etablierten Parteien seien durch ihre ethnische Ausrichtung verantwortlich für die blutige Geschichte des Landes, und solange sich kein Mittelstand herausgebildet hätte, der eine breite Repräsentation der verschiedenen Interessengruppen durch die Parteien zulasse, müßten deren Aktivitäten weiterhin beschränkt bleiben. Die in der Minderheit vertretenen Anhänger der Opposition (Democratic Party, Uganda Peoples Congress und Conservative Party) wiesen diese Interpretation energisch zurück, und machten deutlich, dass durch die Suspendierung der Aktivitäten von Parteien im Jahre 1966 durch Präsident Milton Obote das Mehrparteiensystem in Uganda nicht mehr praktiziert werde.

Unter Hinweis auf ein stabiles Mehrparteien-System vor und während der Unabhängigkeit plädierten sie für dessen (Wieder-) Einführung und erinnerten die Vertreter des Movement an den Charakter ihrer Sammelbewegung, die sich ursprünglich als Übergangssystem zu einem Mehrparteiensystem verstanden habe.

Die neue ugandische Verfassung aus dem Jahre 1995 reflektiert schließlich diesen Disput und delegiert die Entscheidung der Frage des künftigen politischen Systems an den Wähler. Als Termin für das Referendum wurde das Ende des vierten Jahres der erste Legislaturperiode der 1996 auf fünf Jahre gewählten Regierung festgelegt.

Die Vorbereitungen

Das Vorfeld zum Referendum löste eine bislang nicht gekannte politische Debatte in Uganda aus. Die etablierten Oppositionsparteien (Democratic Party, Uganda Peoples Congress und Conservative Party) entschieden sich für einen Boykott des Referendums. Nach ihrer Auffassung berühre die Frage der Wahl des politischen Systems fundamentale Grundrechte, wie etwa des Rechts auf Vereinigungsfreiheit, die nicht zur Disposition gestellt werden könnten. Ferner diene das Referendum lediglich dem Ausbau der Macht des Movement und der weiteren Erodierung der Parteien.

Das Movement hielt diesen Anschuldigungen entgegen, das Referendum sei ein Zeichen des demokratischen Reifeprozesses Ugandas; wer könne über die Zukunft es Landes besser entscheiden als die Bürger selbst. Die Democratic Party reichte Verfassungsklage gegen das Gesetz zur Durchführung des Referendums ein mit der Begründung, das Gesetz sei ohne parlamentarische Mehrheit verabschiedet worden und damit nicht rechtswirksam.

Die Klage wurde zunächst vom Verfassungsgericht abgewiesen, dann aber vom Obersten Gerichtshof an das Verfassungsgericht zurück verwiesen. Anfang Juni 2000 entschied das Verfassungsgericht schließlich über die formale Zulässigkeit der Klage; die Durchführung des Referendums zum 29. Juni 2000 schien für mehrere Tage fraglich. Die Regierung reagierte prompt und erließ mit Unterstützung des Parlaments ein neues Durchführungsgesetz zum Referendum. Der Versuch der Opposition, das Referendum zu verhindern, war damit gescheitert.

Derweil befand sich Staatspräsident Museveni auf einem zweimonatigen Wahlkampf für das Movement-System. Mit einem gelben Bus, dem Symbol des Movement, bereiste er alle Landesteile und ließ das Referendum zu einer persönlichen Abstimmung über seine politischen Errungenschaften werden (relative Befriedung des Landes, wirtschaftliche Entwicklung, Armutsbekämpfung, Frauenförderung).

Mit Unterstützung der Geberstaaten wurden zeitgleich landesweit Aufklärungskampagnen zum Referendum durchgeführt, um Politische Bildung dem einseitigen Populismus à la Museveni entgegen zu setzen. Siebenundzwanzig neue politische Gruppierungen, deren Herkunft und Ziel sehr fragwürdig sind, hatten sich bei der Wahlkommission registrieren lassen, um für das Mehrparteiensystem zu werben. Finanzielle Querelen brachen dieses mit einer Friedenstaube werbende Bündnis schließlich auseinander.

Die etablierten Oppostitionsparteien riefen zum aktiven Boykott des Referendums auf und erklärten den 28. und 29. Juni 2000 zu nationalen Trauertagen. Weiterhin begleiteten formelle Mängel die Vorbereitungen zum Referendum: Die Wahlunterlagen konnten nur verspätet hergestellt werden, da sich das von der Verfassung beauftragte Gremium von Richtern zunächst weigerte, die Referendumsfrage zu formulieren. Wahlscheine wurden zu spät ausgegeben, Wahlregister manipuliert, etc. Am 27. Juni noch erklärte der Vorsitzende der Wahlkommission, Aziz Kasujja, 10,5 Millionen Wähler seien in den Wahlregistern aufgeführt, einen Tag später, am Vorabend des Referendums wurde die Zahl um 900.000 (!) korrigiert, auf 9.609.703.

Die Durchführung

Starke Regenfälle in weiten Landesteilen führten zum verspäteten Start des Referendums am Morgen des 29. Juni 2000. Nur zögerlich fanden sich die ersten Wähler an den 16.498 Wahllokalen in den 214 Wahlkreisen der 45 Distrikte des Landes ein. Während die Offiziellen den Wahlgang gut vorbereitet hatten, herrschte bei vielen Wählern Unwissen über den Ablauf der Wahl.

In Folge des Boykotts der Vertreter des Mehrparteien-Systems waren fast ausschließlich Vertreter des Movement-Systems anwesend. Bei Unsicherheiten über das Wahlverfahren halfen sie mit praktischen Hinweisen zum Ausfüllen der Wahlscheine. So wurde beobachtet, wie eine des Schreibens nicht mächtige ältere Dame vergeblich versuchte, ihren Fingerabdruck auf den Wahlzettel zu plazieren, nachdem der Versuch der Stimmabgabe auf der "Wahlschüssel", das geheime Votum wurde in einer Waschschüssel vollzogen, gescheitert war. Mit Hilfe des Movement-System-Vertreters konnte der Finger schließlich an entsprechende Stelle geführt werden. Oder, nach Ausgabe der fortlaufend numerierten Wahlscheine wurde in einem Schulheft von dem Vertreter des Movement-Systems peinlich genau der Name des Wahlscheininhabers notiert. Ein Versuch der Wahlbeeinflussung? Um 17:00 Uhr schlossen die Wahllokale und die Auszählung der Stimmen konnte beginnen.

Die Stimmung am Abend des 29. Juni war verhalten: befürchtete Ausschreitungen blieben aus, Siegesfeier der Anhänger des Movement-System fanden nicht statt. Nüchtern wurde auf die ersten Ergebnisse aus den Wahllokalen vor den Radios und Fernsehbildschirmen gewartet.

Die Nachbereitung

Die Wahlkommission erklärt am 02. Juli schließlich das vorläufige amtliche Endergebnis: Movement-System 4.322.901 Stimmen (90.7 Prozent der Gesamtstimmen), Mehrparteien-System 442.823 (9.3 Prozent der Gesamtstimmen). Die Wahlbeteiligung liegt bei 51,1 Prozent der registrierten Wähler, in absoluten Zahlen 4.913.524, 3 Prozent der Wahlscheine sind ungültig. Die 7.213 Wahlbeobachter (OAU, Geberstaaten, lokale Monitoringorganisationen) in 10.115 der 16.498 Wahllokale beschreiben den Wahlprozeß als mit Mängeln behaftet ("flawed").

Während der Wahlgang generell als friedvoll und geordnet, abgesehen von vereinzelten Unregelmäßigkeiten auf die nicht näher eingegangen wird, bezeichnet wird, fällt das Urteil über den gesamten Wahlprozeß weniger positiv aus. Erhebliche Zweifel bestehen bezüglich der Chancengleichheit beider Lager. Die finanziellen Ressourcen zur Werbung für das Movement-System hätten substantiell die Mittel zur Darstellung des Mehrparteien-Systems übertroffen. Damit seinen die von den Gebern gesetzten Kriterien zur Erfüllung ordnungsgemäßer Wahlen nicht erfüllt. Die Regierung Museveni weist diese Einschätzung entschieden zurück.

Die Deutung

Der Ausgang des Referendums vom 29. Juni 2000 über das künftige politische System Ugandas entspricht den allgemein gesetzten Erwartungen: überragender Sieg des Movement-Systems über das Mehrparteien-System. Überraschend scheint vielmehr die Reaktion der Movement-Regierung auf den Wahlausgang.

Erwartete Siegesbekundungen über das Mehrparteien-System sind bislang ausgeblieben. Während die Opposition von einem siegreichen Boykott des Referendums spricht und diesen in der geringeren Wahlbeteiligung im Vergleich zu den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen von 1996 um 35,6 Prozent zu quantifizieren versucht, hüllt sich Staatspräsident Museveni zwei Tage in Schweigen.

Ein wenig siegesbewußt wirkender Museveni zeigt sich vor den versammelten Journalisten zufrieden mit dem Ausgang des Referendums, bezweifelt eine Wirkung des Boykotts. Vor dem Referendum hatte er in einem Zeitungsinterview von einem Erfolg für das Movement-System bei mehr als 60 Prozent gesprochen - ob sich diese Zahl auf die tatsächliche numerische Zustimmung für das Movement-System oder die Wahlbeteiligung bezieht, war nicht eindeutig auszulegen.

Politische Kommentatoren in der Hauptstadt Kampala gehen jedoch davon aus, das lange Schweigen sei als "Schock" während der letzten Monate des Movement auf die geringe Wahlbeteiligung zu interpretieren, zumal Präsident Museveni intensivsten Wahlkampf betrieben habe. Da stellt sich die Frage nach dessen Wirkung, und der Spekulation darüber, wie die Wahlbeteiligung wohl ohne massiven Wahlkampf ausgefallen wäre. Verschaffen Museveni und seinem Movement-System 51,1 Prozent Wahlbeteiligung ausreichend Legitimation für eine Politik des "Weiter-So"? Eine Frage die Museveni positiv beantwortet, die jedoch in den nächsten Tagen und Wochen die politische Debatte in Uganda bestimmen dürfte und über sein künftiges politisches Schicksal und das seines Landes entscheiden wird.

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Moritz Sprenker

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