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„Wir hatten sehr gute Diskussionen“, betonte die amtierende konservative Ministerpräsidentin, Erna Solberg (Høyre), nach dem Abschluss der Gespräche, welche im südnorwegischen Moss stattgefunden hatten. Zwar habe es Meinungsverschiedenheiten gegeben, die Stimmung sei alles in allen jedoch sehr positiv gewesen. Dieser Einschätzung schlossen sich in der Folge auch die Parteivorsitzenden der rechtspopulistischen Fortschrittspartei (Fremskrittspartiet), Siv Jensen, sowie der Liberalen (Venstre), Trine Skei Grande, an .
Minderheitsregierung benötigt Stimmen der Christdemokraten
Die drei Parteien kommen im norwegischen Parlament (Storting) nun auf 80 von 169 Sitzen und sind damit auch weiterhin auf die Unterstützung der Christdemokraten (Kristelig Folkeparti) angewiesen, welche eine gemeinsame Regierungsbeteiligung mit der Fortschrittspartei wie bereits vor vier Jahren von Beginn an ausschlossen und damit auch Erna Solbergs Ziel einer (Mehrheits-) Regierung aller bürgerlich-konservativen Parteien im Land zunichtemachten . Minderheitsre-gierungen sind in Norwegen – anders als in Deutschland – jedoch nichts Ungewöhnliches und haben sich in den vergangenen Jahrzehnten im politischen Alltag des Landes etabliert. Vor der Wahl im September 2017 hatte Erna Solberg in einer Zwei-Parteien-Koalition mit der Fortschrittspartei regiert und war bei Parlamentsabstimmungen von den Liberalen und den Christdemokraten geduldet und unterstützt worden.
Parlamentswahlen weisen bürgerlich-konservatives Lager als Sieger aus
Bei den Parlamentswahlen im vergangenen September hatte das bürgerlich-konservative Lager eine knappe Mehrheit erhalten, wodurch Erna Solberg als erste konservative Politikerin seit mehr als 30 Jahren im Amt bestätigt worden war. Die oppositionellen Sozialdemokraten (Arbeiderpartiet) waren zwar stärkste politische Kraft geworden, konnten aufgrund größerer Verluste im linksgerichteten Lager jedoch keine eigene Regierung bilden.
Liberale und Fortschrittspartei verbuchen Verhandlungserfolge
Im Laufe der nun abgeschlossenen zwölftägigen Koalitionsverhandlungen konnten beide kleineren Koalitionspartner Verhandlungserfolge erzielen und einige ihrer Kernforderungen im Koalitionsvertrag platzieren. So versicherte Siv Jensen, dass Norwegen seine restriktive Einwanderungspolitik weiter verschärfen werde und nannte enge Grenzen für den Familiennachzug geflüchteter Personen, höhere Hürden zur Erlangung der norwegischen Staatsbürgerschaft sowie ein Burkaverbot als Beispiele . Die Liberalen konnten Ölbohrverbote vor der Küste der Inselketten der Lofoten und Vesterålen durchsetzen, welche aufgrund der Unabsehbarkeit der Folgen für die Umwelt vor allem in der betroffenen Region sehr umstritten waren. Auch die mögliche Einführung einer CO2-Abgabe wurde maßgeblich von Venstre mitgestaltet .
Norwegen soll weltbestes Land zum Leben werden
Die alte und neue Regierungschefin zeigte sich mit dem Verhandlungsergebnis sehr zufrieden und versprach allen Bürgerinnen und Bürgern, gute gemeinsame Lösungen für die norwegischen Herausforderungen zu finden. Ziel der Regierung sei es, Norwegen zum weltbesten Land zum Leben zu machen, so Solberg weiter. Dafür werde man vor allem versuchen, neue Arbeitsplätze zu schaffen, die Armut im Land weiter zu reduzieren und im Land lebende Migranten besser in den norwegischen Arbeitsmarkt zu integrieren. Das Königreich mit seinen rund 5,2 Millionen Einwohnern gilt bereits jetzt als am weitesten entwickeltes Land der Erde und profitierte in den vergangenen Jahrzehnten vor allem von hohen Staatseinnahmen durch Öl und Gasvorkommen vor seinen Küsten. Nachdem die Wirtschaft im Zuge des allgemeinen Preisverfalls der Rohstoffe vorrübergehend ins Stocken geraten war, wächst sie jüngsten Erhebungen zufolge jedoch wieder .
König Harald V. ernennt neues Kabinett vier Tage nach Einigung
Die Frage nach der Aufteilung der Ressorts sowie der Zuordnung der Ministerposten wurden während den Verhandlungen ausgeklammert und erst nach deren Abschluss genauer geklärt. Die Konservativen besetzen neben der Ministerpräsidentin nun neun Mi-nisterposten, darunter das Außen- und das Verteidigungsministerium. Die Fort-schrittspartei wird mit sieben Ministern in der Regierung vertreten sein, darunter die Ressorts für Finanzen sowie Justiz, innere Sicherheit und Immigration. Die neu in die Regierung gekommenen Liberalen besetzen drei Ministerien, darunter das für sie wichtige Ressort für Klima und Umwelt. Die neue Regierung wurde vier Tage nach Abschluss der Koalitionsverhandlungen von König Harald V. ernannt und beginnt ihre Arbeit mit sofortiger Wirkung .
Fünf neue Gesichter ergänzen bekanntes Regierungspersonal
Personell ergeben sich im Vergleich zur letzten Regierung einige Veränderungen. Neben fünf neuen Ministern kam es auch auf fünf weiteren Positionen zu Verschiebungen, bei denen Minister neue Zuständigkeiten zugewiesen bekamen. Entsprechende Veränderungen der Ressortzuschnitte wurden bereits im Zuge der Koalitionsverhandlungen beschlossen und anschließend konsequent umgesetzt. So wird die bisherige konservative Verteidigungsministerin Ine Eriksen Søreide dem neuen Kabinett als Außenministerin angehören, während der ehemalige Minister für EU- und EWR-Angelegenheiten, Frank Bakke-Jensen, zukünftig Verteidigungsminister ist. Da das neue Kabinett aus neun Ministerinnen und zehn Ministern besteht, wird Norwegen auch weiterhin der Zielsetzung gerecht, das Verhältnis zwischen Männern und Frauen in der Regierung auf ausgeglichenem Niveau zu halten . Die Tatsache, dass mit den Posten des Ministerpräsidenten, sowie des Außen- und des Finanzministers gleich drei Schlüsselpositionen der neuen Regierung von Frauen besetzt werden, war nach Bekanntgabe der Entscheidungen von der nationalen und internationalen Presse hervorgehoben worden.
Fazit
Über vier Monate nach den Parlamentswahlen hat Norwegen eine neue Regierung. Neben den beiden bisherigen Koalitionspartnern (Høyre und Fremskrittspartiet) konnte Ministerpräsidentin Solberg mit der liberalen Venstre eine weitere Partei des bürgerlich-konservativen Spektrums in die Regierung holen. Entscheidend dürfte jedoch weiterhin auch die Rolle der Kris-telig Folkeparti sein, welche die Minderheitsregierung stützen muss, damit diese Gesetzesvorhaben durchsetzen zu kann. Dass eine stabile Regierung auf dieser Grundlage dennoch möglich ist, haben die vergangenen vier Jahre gezeigt, in denen die Regierung sich auf zwei Parteien stützen musste, welche nicht Teil der Koalition waren. Die Umbildung des Kabinetts auf den Posten des Außen- und Verteidigungsministers lässt darauf schließen, dass Norwegen auf internationaler politischer Ebene auch weiterhin einen sicherheitspolitischen Fokus verfolgen wird und dabei sowohl die europäische, als auch die transatlantische Komponente zusammen-denken wird. Ob sich durch den Einbezug der Liberalen nennenswerte Unterschiede im Vergleich zur vorhergehenden Regierung einstellen werden, bleibt noch abzuwarten.
Das Kabinett Solberg II im Einzelnen:
Erna Solberg (Høyre), Ministerpräsidentin;
Siv Jensen (Fremskrittspartiet), Ministerin für Finanzen;
Trine Skei Grande (Venstre), Ministerin für Kultur;
Jan Tore Sanner (Høyre), Minister für Bildung und Integration;
Ketil Solvik-Olsen (Fremskrittspartiet), Minister für Transport und Kommunikation;
Monica Mæland (Høyre), Ministerin für lokale Verwaltung und Modernisierung;
Bent Høie (Høyre), Minister für Gesundheit;
Ine Eriksen Søreide (Høyre), Ministerin für Auswärtige Angelegenheiten;
Sylvi Listhaug (Fremskrittspartiet), Ministerin für Justiz, Öffentliche Sicherheit und Immigration;
Torbjørn Røe Isaksen (Høyre), Minister für Handel und Industrie;
Per Sandberg (Fremskrittspartiet), Minister für Fischerei;
Anniken Hauglie (Høyre), Ministerin für Arbeit und soziale Angelegenheiten;
Linda Cathrine Hofstad Helleland (Høyre), Ministerin für Kinder und Gleichheit;
Jon Georg Dale (Fremskrittspartiet), Minister für Landwirtschaft und Lebensmittel;
Frank Bakke-Jensen (Høyre), Minister für Verteidigung;
Terje Søviknes (Fremskrittspartiet), Minister für Öl und Energie;
Åse Michaelsen (Fremskrittspartiet), Ministerin für Gesundheitswesen und Senioren;
Ola Elvestuen (Venstre), Minister für Klima und Umwelt;
Nikolai Eivindssøn Astrup (Høyre), Minister für Internationale Entwicklung;
Iselin Nybø (Venstre), Ministerin für Forschung und Hochschulbildung;
Den vollständigen Länderbericht über die Regierungsbildung in Norwegen können Sie als PDF herunterladen.