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Damals war nach einem Bericht der International Crisis Group (ICG) bekannt geworden, dass die Waffenproduktionsfirma „Orao“, die in der Stadt Bijelina in der Republika Srpska (einer der zwei Entitäten des Staates Bosnien und Herzegowina) in unmittelbarer Nähe zu Serbien liegt, über Jahre in Kooperation mit einer serbischen Firma illegal Rüstungsgüter in den Irak exportierte und damit direkt das UN-Waffenembargo unterlief. In seiner Amtszeit als Präsident der Republika Srpska von November 2000 bis Oktober 2002 war Mirko Sarovic verfassungsgemäß der Oberkommandierende der RS-Armee und politischer Verantwortungsträger für Militärangelegenheiten.
Mit seinem Rücktritt gab Sarovic dem monatelangen Druck der Internationalen Gemeinschaft und des Office of the High Representative (OHR) in Bosnien und Herzegowina nach, politische Verantwortung für die „Affäre Orao“ zu übernehmen. Es waren jedoch nicht nur die Waffenlieferungen der Firma „Orao“ an den Irak, für die im Oktober zwar unter anderen der Verteidigungsminister der RS sowie der Chef des Generalstabs der RS von ihren Posten abgesetzt wurden, jedoch kein Vertreter der politischen Führungsspitze der RS.
Der Druck hatte seit dem 7. März noch einmal erheblich zugenommen, nachdem die SFOR bei einer Razzia in den Räumen des Generalstabs und des Militärgeheimdienstes der Armee der Republika Srpska auf der Suche nach Hinweisen auf das logistische und finanzielle Unterstützernetzwerk des flüchtigen mutmaßlichen Kriegsverbrechers und ehemaligen Führers der bosnischen Serben, Radovan Karadzic, stattdessen kodiertes Material über umfangreiche Spionageaktivitäten gegen die NATO, das OHR und andere Internationale Organisationen, sowie Beweismaterial über die Bedrohung geschützter Zeugen beim Haguer Kriegsverbrechertribunal beschlagnahmte. Dies wurde am Tag vor dem Rücktritt von Sarovic bekanntgegeben.
Sarovic kam mit dem Rücktritt der unweigerlich drohenden Amtsenthebung durch den Hohen Repräsentanten Paddy Ashdown bis zum Ablauf des Ultimatums am 2. April zuvor, der ihm den Schritt unmissverständlich nahegelegt hatte. Ashdown konnte es somit unterlassen, von seinen durch den Peace Implementation Council (PIC) erteilten Vollmachten zur Amtsenthebung von einheimischen Politikern Gebrauch zu machen, die sich nachweislich der Obstruktion des Daytoner Friedensabkommens schuldig machen. –Sarovic-- hält sich durch seinen freiwilligen Rücktritt zugleich die Option offen, zu einem späteren Zeitpunkt erneut ein politisches Amt zu bekleiden, was ihm durch Amtsenthebung dauerhaft untersagt bliebe.
Die „Affäre Orao“ wie auch die Spionageaktivitäten der RS-Armee wiesen beide, so der Hohe Repräsentant bei der Pressekonferenz am 2. April, symptomatisch auf die systematische Schwäche der zivilen Kontrolle über die Armeen in Bosnien und Herzegowina hin. Beide Fälle seien ein Zeichen dafür, dass man häufig in der RS die Entität mit einem Staat verwechsle. Ashdown lobte Sarovics Entscheidung als „verantwortungsvoll“.
Der Hohe Repräsentant nahm den Rücktritt Sarovics zum Anlass, eine Reihe von Maßnahmen anzuordnen, die den militärischen Komplex in Bosnien und Herzegowina effektiver ziviler Kontrolle unterstellen sollen. Er veranlasste Änderungen in den Verfassungen sowie den Verteidigungsgesetzen beider Entitäten (besonders der RS), die jeweils auf Eigenstaatlichkeit, Souveränität oder Unabhängigkeit hinweisende Formulierungen enthalten. Weiter löste er den Obersten Verteidigungsrat der RS auf. Dieser Rat wirkte als beratendes Gremium gegenüber dem Präsidenten der RS, der beispielsweise bevollmächtigt ist den Ausnahmezustand auszurufen. Das Gremium bezieht seine Bedeutung vor allem aus der Autorität seiner Mitglieder (RS-Premierminister, RS-Parlamentsvorsitzender, RS-Präsident, RS-Verteidigungsminister, Oberbefehlshaber der RS-Armee, Vorsitzender des RS-Verteidigungsausschusses, serbisches Mitglied der BuH-Präsidentschaft), untersteht jedoch keinerlei parlamentarischer Kontrolle.
Des weiteren sind nun alle hochrangigen Vertreter der Armeen angewiesen, ihre offiziellen Auslandsreisen beim Außenministerium des Gesamtsstaates sowie dem Generalsekretär des erst kürzlich auf gesamtstaatlicher Ebene eingerichteten „Standing Committee on Military Matters“ (SCMM) anzumelden. Der Generalsekretär des Ausschusses soll bis zum nächsten Jahr, so steht ebenfalls nach inoffiziellen Informationen zur Diskussion, - dies ist nicht explizit in der OHR-Pressemitteilung genannt -, den Status eines vollen Mitglieds des Ministerrates des Gesamtstaats erhalten.
Weiter werden bis Jahresende Zusätze zu bzw. Änderungen der Verfassungen und Gesetze der Entitäten von einer Kommission bestehend aus Vertretern des OHR und der OSZE ausgearbeitet, die mit den Erfordernissen für den Beitritt zur NATO Partnership for Peace (PfP) zur Übertragung der Kontrolle über die Armeen von den Entitäten auf gesamtstaatliche Ebene in Einklang sind. Die Präsidenten und Premierminister beider Entitäten sind aufgefordert, bis 30. April ein Konzept für die Unterstellung der Waffenproduktion unter zivile Kontrolle vorzulegen. Der Entwurf eines gesamtstaatlichen Gesetzes über Waffenproduktion sowie Waffenhandel ist dem SCMM und dem Ministerium für Außenhandel und Wirtschaftsbeziehungen in Auftrag gegeben. Bis Jahreswechsel haben die Armeen beider Entitäten unter internationaler und lokaler Supervision neue Finanzstrukturen sowie Konzepte zur weitergehenden Demobilisierung, zur Zerstörung von Waffen, Munition und unsicherer Lagerstätten, zum Abbau paralleler Strukturen (bosniakischer und kroatischer) in der Föderationsarmee anzunehmen.
Bei den genannten Reformvorhaben, die in die durch das Dayton-Abkommen und seine lokale Adaption geschaffenen Kompetenzen und quasistaatlichen Befugnisse auf Entitätsebene eingreifen und diese gesamtstaatlichen Autoritäten übertragen, wird damit zu rechnen sein, dass der Hohe Repräsentant von seinen Vollmachten, Entscheidungen qua Dekret für rechtsgültig zu erklären, wieder Gebrauch machen wird.
Seit Amtsantritt von Lord Paddy Ashdown Ende Mai 2002, des mittlerweile 4. Hohen Repräsentanten in Bosnien und Herzegowina, wurden durch das OHR 13 Mandatsträger ihrer Ämter enthoben, sowie 86 Gesetze, Verfassungs-, bzw. Gesetzeszusätze erlassen.