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Die wichtigste Erkenntnis der Schwedenwahl: Demokratische Parteien sind in der Lage, populistische Einflüsse zu begrenzen. Allerdings stellt sich die Frage, warum nicht früher. Auffällig ist, dass sowohl die Sozialdemokraten (Socialdemokraterna) mit 28,4 Prozent als auch die konservative Moderate Sammlungspartei (Moderaterna) mit 19,8 Prozent trotz Verlusten – die Sozialdemokraten fuhren das schlechtestes Ergebnis seit mehr als 100 Jahren ein – zu den Gewinnern der Wahl gerechnet werden müssen. Beide Parteien hatten in den zurückliegenden Wochen in allen Umfragen weitaus schlechtere Ergebnisse erzielt als am Wahltag selbst. Interessant dürfte sein, ob in einer noch stattfindenden Analyse festgestellt werden kann, was den Ausschlag dafür gegeben hat. Die rechtspopulistischen Schwedendemokraten (Sverigedemokraterna) blieben dagegen mit 17,6 Prozent der Stimmen trotz Zugewinnen deutlich hinter den eigenen Erwartungen zurück. Dennoch könnte die politische Landschaft des nordeuropäischen Landes nach dieser Wahl grundlegend verändert werden, da keiner der beiden traditionellen Blöcke über eine eigene Mehrheit verfügt und die Regierungsbildung entsprechend schwierig werden dürfte.
Weder sozialdemokratisches noch konservatives Lager kommt auf eigene Mehrheit
Zwar war schon die bisherige Regierung des sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Stefan Löfven im Parlament neben dem Koalitionspartner der Grünen (Miljöpartiet de Gröna) auch von Stimmen der Linkspartei (Vänsterpartiet) sowie einer gewissen Kooperation mit den Parteien des bürgerlichen Blocks abhängig. Aufgrund der steigenden Zustimmung für die Schwedendemokraten, die von beiden Blöcken als nicht kooperationswürdig angesehen werden, könnten die Hürden für eine Kooperation nun jedoch höher werden. Nicht zuletzt deswegen betonte Ministerpräsident Löfven am Wahltag bereits, dass die „schädliche Blockpolitik“ beendet werden sollte und alle demokratischen Kräfte eine Verantwortung für die Zukunft und Stabilität der schwedischen Demokratie hätten. Die bürgerliche „Allianz für Schweden“, welcher neben den Moderaterna auch die Zentrumspartei (Centerpartiet), die Liberalen (Liberalerna) sowie die Christdemokraten (Kristdemokraterna) angehören, konnte ihren Stimmenanteil zusammengerechnet zwar leicht steigern, kommt jedoch ebenfalls nicht auf eine Mehrheit und wäre im Falle einer Regierungsbildung ebenfalls auf die Stimmen der Schwedendemokraten oder einer Partei des linksgerichteten Blocks abhängig. Ulf Kristersson, Spitzenkandidat der Moderaterna hatte sich am Wahltag nochmals deutlich von den rechtspopulistischen Schwedendemokraten abgegrenzt und eine Zusammenarbeit sowie Gespräche über eine mögliche Regierungsbildung grundsätzlich ausgeschlossen. Ebenso wie das linksgerichtete Lager will die Allianz nach eigenen Aussagen auch eine Situation wie im Nachbarland Dänemark vermeiden, in dem die rechtspopulistische Dänische Volkspartei (Dansk Folkeparti) zwar nicht an der Regierung beteiligt ist, aufgrund der Abhängigkeit der Regierung von den populistischen Stimmen die politische Agenda jedoch deutlich nach den eigenen Vorstellungen mitgestalten kann.
Gespräche über Regierungsbildung bereits am Montag angelaufen
Sollten beide politischen Blöcke bei ihren Aussagen bezüglich der Schwedendemokraten verbleiben, müsste es einem der beiden Lager gelingen eine Partei des jeweils anderen Bündnisses zum Wechsel zu motivieren, um eine stabile (Minderheits-) Regierung bilden zu können. Die Gespräche über eine mögliche Regierungsbildung wurden bereits am Montag – und damit nur wenige Stunden nach Schließung der Wahllokale – durch Ministerpräsident Löfven aufgenommen. Der Fokus liegt zu diesem Zeitpunkt vor allem auf der Rolle der Allianz, die sowohl von links als auch von rechts umworben wird. Während der sozialdemokratisch geführte Block vor allem die Zentrumspartei und die Liberalen umwirbt, mit denen es in manchen Politikfeldern Schnittmengen gibt, forderte der Vorsitzende der Schwedendemokraten, Jimmy Åkesson, den Spitzenkandidat der Moderaten, Ulf Kristersson, noch in der Wahlnacht dazu auf, den bisherigen Ministerpräsidenten gemeinsam zu stürzen. Bislang hat sich jedoch nach der Wahl noch keine Seite zu möglichen Schritten in diese Richtungen geäußert. Sollte keine Partei die bisherigen Blockgrenzen überschreiten und die Schwedendemokraten weiterhin isoliert bleiben, wäre zudem eine blockübergreifende Regierung denkbar. Diese hat in Schweden jedoch so gut wie keine Tradition, wurde bislang ausschließlich in Zeiten großer Krisen angewendet – zuletzt während des Zweiten Weltkriegs – und würde das etablierte politische System beenden. Mit dem sogenannten Dezemberabkommen 2014 hatte die bürgerliche Allianz bereits in der letzten Legislatur die Regierung gestützt, nach dem ein Streit über den Haushaltsentwurf beigelegt werden konnte. Dieses Abkommen wurde seitens der Wähler kritisiert und war mit ausschlaggebend für einige Verluste der Moderaten, obwohl es bereits kurze Zeit später wieder gekündigt wurde.
Erste Entscheidungen fallen in zwei Wochen
Wenn in den kommenden Tagen die Stimmen der im Ausland lebenden Schweden das Wahlergebnis komplettieren, wird die letztliche Prozent- und Stimmenverteilung feststehen. Alle politischen Parteien müssen dann maßgebliche Entscheidungen darüber treffen, wie sie sich im Zuge einer möglichen Regierungsbildung positionieren. In zwei Wochen steht dann der erste wichtige Termin an, wenn der neugewählte Reichstag erstmals in Stockholm zusammentritt. Sollte es bis dahin keine Mehrheit gegen den aktuellen Regierungschef geben, bliebe Stefan Löfven geschäftsführend im Amt und würde die Geschicke des Landes mindestens bis zur Bildung einer neuen Regierung weiterführen. In der aktuellen Situation könnte er dies bereits als kleinen Erfolg werten. Auch hier wird die Rolle der Allianz maßgeblich sein.
Zentrum-Peripherie-Unterschiede in der Zustimmung zu verschiedenen Parteien
Betrachtet man die Zustimmungswerte der Parteien in verschiedenen Regionen, so wird deutlich, dass alle Parteien über Hochburgen verfügen und in anderen Regionen einen verhältnismäßig schweren Stand haben. Die Sozialdemokraten konnten ihre besten Ergebnisse in Nordschweden einfahren, wo sie traditionell stark sind, jedoch in einigen Kommunen auch deutlich an die Schwedendemokraten verloren. In der Mitte und im Süden des Landes kamen sie zumeist auf gute Durchschnittswerte. Die Moderaten erhielten in den Regionen um Stockholm und Göteborg die meiste Zustimmung und schnitten in der südlichen Hälfte des Landes besser ab als im Norden. Die Schwedendemokraten waren wie bereits bei vorherigen Urnengängen vorwiegend in ländlichen und strukturschwächeren Regionen am erfolgreichsten. Neben starken Zustimmungswerten im südlichen Schweden – vorwiegend im Großraum Malmö – gelang es der Partei auch in Nordschweden ihren Stimmenanteil auszubauen. Die Christdemokraten, die lange Zeit unter der für den Einzug in den Reichstag notwendigen 4-Prozent-Hürde lagen, hatten die Hochburgern im südlichen Zentrum des Landes sowie in einigen Regionen Nordschwedens. Auch hier lässt sich feststellen, dass die Partei im ländlichen Schweden traditionell einen besseren Stand hat als in größeren Städten.
Wahlbeteiligung nimmt im Vergleich zur Vorwahl leicht zu
Die in Schweden traditionell hohe Wahlbeteiligung kam auch am vergangenen Sonntag wieder zum Tragen. Von den gut 7,5 Millionen wahlberechtigten Schweden gaben rund 6,3 Millionen Menschen ihre Stimme ab, was einer Wahlbeteiligung von 84,4 Prozent entspricht. Damit stieg die Wahlbeteiligung im Vergleich zur Reichstagswahl 2014 um einen Prozentpunkt an. Während in einigen Regionen ein deutlicher Zuwachs der Wählerstimmen registriert wurde, ging die Wahlbeteiligung in anderen Regionen jedoch zurück. Ausschlaggebend für die hohe Wahlbeteiligung ist, dass in Schweden an einem Tag alle Wahlen zu den Parlamenten auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene stattfinden.
Fazit
Schweden steht vor einer schwierigen Regierungsbildung. Der im Vorfeld erwartete Rechtsruck ist weniger stark ausgefallen als von vielen Beobachtern befürchtet, dennoch ist die Rolle der Schwedendemokraten nicht zu unterschätzen. In den kommenden Tagen werden nun vor allem die Allianzparteien beraten müssen, wie sie sich im Prozess der Regierungsbildung positionieren wollen und wie sie mit Gesprächsangeboten der politischen Linken und der politischen Rechten umgehen werden. Die erste Sitzung des neuen Reichtags in zwei Wochen kann und wird dabei ein erstes Stimmungsbild wiedergeben. Das klassische und in Schweden seit Jahrzehnten etablierte Blocksystem gerät durch den Wahlausgang unter Druck. Ob es bestehen bleiben kann, ist fraglich. Die kommenden Tage und Wochen könnten daher einige Neuerungen in der politischen Landschaft Schwedens mit sich bringen.