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Country reports

Slowakischer Wahlkampf in heißer Phase

by Frank Spengler, Christoph Thanei

Die Schlacht der Meinungsforscher inspiriert Koalitionsphanstasien

Der Wahlkampf zu den Parlamentswahlen am 20. - 21. September hat in der Slowakei seine Hitzephase erreicht. Die laufend neu produzierten Umfrageergebnisse verschiedener Institute lassen bei allen Abweichungen Trends erkennen.

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Beachtlich ist zweifellos der Niedergang der „Bewegung für eine Demokratische Slowakei" (HZDS) des umstrittenen ehemaligen Premierministers Vladimír Meciar. Die bis 1998 regierende Partei konnte auch nach der Wahlniederlage in den Umfragen immer eine Zustimmung in den letzten Jahren von bis zu 30 Prozent erzielen. Erst im Juli 2002 verlor die HZDS signifikant an Unterstützung durch die Wähler. Im September 2002 wiesen ihr die meisten Umfragen schon weniger als 20 Prozent zu. Sie verlor damit sogar ihren „traditionellen“ ersten Platz in der zersplitterten slowakischen Parteienlandschaft. Wie ist dieser deutliche Popularitätsverlust zu erklären?

Weniger ausschlaggebend dafür dürfte die Verhaftung des ehemaligen Geheimdienstchefs und Meciar-Vertrauten Ivan Lexa am 14. Juli in Südafrika und seine Auslieferung an die slowakische Justiz gewesen sein. Die bisher treuen HZDS-Wähler halten die Strafverfolgung Lexas ohnehin für ein „politisches Spiel", bei dem Justiz und Polizei von der Regierung angeblich „missbraucht" würden. Sie lassen sich anscheinend auch nicht durch aktuelle Medienberichte beeinflussen, die seit der Verhaftung Lexas vermehrt auf seine kriminellen Verwicklungen - hinter denen, so wird spekuliert, auch Meciar selbst stehen könnte - hinweisen. Politische Beobachter gehen davon aus, dass durch die Medien die Wähler an die „Verfehlungen" der Meciar-Regierung erinnert würden. Sie seien möglicherweise nun eher bereit, an die Wahlurnen zu treten, um eine Rückkehr Meciars an die Macht zu verhindern.

Ob dieser Trend der „Slowakischen Demokratischen und Christlichen Union" (SDKÚ) unter Führung des Premierministers Mikulás Dzurinda und der von dem Parlamentsvizepräsidenten Pavol Hrusovský geführten „Christlich-Demokratischen Bewegung“ (KDH) zu Gute kommen wird, ist aber eher fraglich: Lexa wurde mittlerweile aus formaljuristischen Gründen wieder auf freien Fuß gesetzt. Der für die Polizei zuständige Innenminister Ivan Simko gehört der SDKÚ an und Justizminister Ján Carnogurský ist Mitglied der KDH.

Mehr geschadet hat der HZDS vermutlich die seit Monaten andauernde Diskussion um Millionenbeträge zum Ankauf der „Privatvilla“ Meciars, deren Herkunft der Oppositionspolitiker nicht erklären will. Seine Anhängerschaft besteht zu einem wesentlichen Teil aus Mitgliedern der unteren Einkommensgruppen, die bisher darauf bauten, dass der von ihnen verehrte Parteichef seinen persönlichen Vorteil hinter das „Wohl der Nation" gestellt habe. Ungeklärte Kronenbeträge in Millionenhöhe für eine Privatvilla passen daher nicht in dieses Bild und könnten manche Anhänger Meciars am Image des „selbstlosen Landesvaters" zweifeln lassen.

Die entscheidende Ursache des Erosionsprozesses der HZDS-Wählerschaft war jedoch die Abspaltung eines Teils der HZDS unter Führung des ehemaligen Parlamentspräsidenten Ivan Gasparovic im Juli 2002.

Der ehemals treue Verbündete Meciars war bisher der zweitpopulärste Politiker der HZDS. Die von ihm gegründete „Bewegung für Demokratie" (HZD) ist für viele Kenner der politischen Szene bisher nur eine Kopie der „HZDS ohne Meciar". Nicht nur den Parteinamen, sondern auch das Programm hat Gasparovic fast unverändert von seiner Ex-Partei mitgenommen. Als Parlamentspräsident hat er bis 1998 alle umstrittenen Meciar-Entscheidungen loyal mitgetragen. Dennoch ist anzunehmen, dass in einigen Parteizentralen der Meciar-Gegner nach Unterschieden zwischen beiden Parteien gesucht wird. Denn die HZD könnte als „Wild-Card“ in den Koalitionsstrategien von Meciars Gegnern eingesetzt werden.

Dass die neue Partei ihre Wählerstimmen fast ausschließlich der HZDS wegnimmt, ist für die demokratischen Kräfte von großer Bedeutung. Nach der Parlamentswahl wird die HZD möglicherweise gerade jene Zahl an Mandaten zusammenbringen können, die es leichter machen würde, eine Regierung mit weniger gegensätzlichen politischen Überzeugungen zu bilden.

Die Umfrageverluste der HZDS sind größer als der Zuspruch für die HZD. Diese werden in den Umfragen sehr unterschiedlich zwischen knapp unter fünf bis maximal neun Prozent angegeben. Der Konflikt Meciar-Gaparovic hat aber auch eine der bisher größten Stärken der HZDS empfindlich getroffen: Die eher in ländlichen Regionen angesiedelten HZDS-Anhänger wiesen bisher eine höhere Wahldisziplin auf als die Meciar-Gegner. Bei niedriger Wahlbeteiligung, wie bei den Regionalwahlen im Jahr 2001, war die HZDS daher besonders stark. Bei der mit 84 Prozent höchsten Wahlbeteiligung im Jahr 1998 erzielte sie hingegen ihr schlechtestes Ergebnis und musste die Regierungsmacht abgeben.

Nun aber könnten viele verunsicherte bisherige Meciar-Wähler ins Lager der Nichtwähler abwandern. Dass sich Meciar und Gasparovic gegenseitig Privatisierungs-Bereicherungen vorwarfen, hat nämlich auch unter den treuesten Meciar-Verehrern Zweifel darüber geweckt, ob an den „unbewiesenen Verleumdungskampagnen" der Gegner nicht doch etwas Wahres sein könnte.

An zweiter Stelle hinter der HZDS rangiert in den Umfragen schon seit mehr als zwei Jahren die Partei „Smer (Richtung) - Der Dritte Weg" des ehemaligen Mitglieds der slowakischen Linkspartei SDL Robert Fico. Dieser will seine Partei nicht in ein Links-Rechts-Schema einordnen (daher der Parteibeiname „Der Dritte Weg"), nennt aber dennoch Tony Blair und Gerhard Schröder als mögliche „Vorbilder" für seine politische Ausrichtung.

Bei den Wählern ist er vor allem wegen seiner Kampagnen gegen Korruption und Kriminalität beliebt (eine klare Mehrheit würde sich laut Umfragen für ihn entscheiden, wenn der Premierminister direkt gewählt würde). Medien, die den konservativen und rechtsliberalen Parteien nahe stehen, allen voran die auflagenstarke Tageszeitung „Sme", werten ihn aber als Populisten ab.

Für einige mögliche Koalitionspartner ist Fico immer noch eine unbekannte Größe, da er sich in wichtigen Politikfeldern nicht klar festlegen will. Politiker der Regierungsparteien äußern vor allem Kritik an seinen euro-skeptischen Äußerungen und nationalistischen Untertönen, die eine mögliche Zusammenarbeit in einer gemeinsamen Regierung erschweren würden.

Stabilitätsanker der Regierung war die christlich-demokratisch orientierte „Partei der Ungarischen Koalition" (SMK), die 1998 als Zusammenschluss von drei ungarischen Parteien gegründet wurde und seitdem fast die gesamte ungarische Minderheit in der Slowakei vertritt.

Da die slowakischen Ungarn traditionell eine höhere Wahldisziplin aufweisen, kann die SMK mit mehr Stimmen rechnen als dem ungarischen Bevölkerungsanteil (knapp zehn Prozent) entspräche. Erfreulich für die Situation der Minderheit ist, dass die aggressiv anti-ungarisch auftretende „Slowakische Nationalpartei" (SNS) und die von ihr abgespaltene „Wahre Slowakische Nationalpartei" (PSNS) sich gegenseitig so viele Stimmen wegnehmen, dass sie möglicherweise beide unter der Fünfprozenthürde bleiben werden.

Ebenfalls an der Sperrklausel scheitern werden nach allen Umfragen die Linksparteien SDL, SDA, SDSS und SOP. Lediglich die slowakischen Kommunisten (KSS) könnten bei einer geringen Wahlbeteiligung den Sprung in die Volksvertretung schaffen. Sollte dies nicht gelingen, ergäbe sich wahrscheinlich nach den Wahlen die für ein postkommunistisches Land ungewöhnliche Situation, dass keine eindeutige Linkspartei im Parlament vertreten wäre.

Vor allem der mögliche Erfolg der HZD und die sich abzeichnenden Verluste der HZDS haben die Koalitionsüberlegungen jener Parteien, die realistische Chancen auf eine Regierungsbeteiligung haben, neu belebt. Eine wichtige Rolle kommt in diesem Zusammenhang Staatspräsident Rudolf Schuster zu, denn derjenige, der mit der Regierungsbildung beauftragt wird, hat einen strategischen Vorteil: Er kann Angebote an mögliche Koalitionspartner machen. Politische Beobachter gehen davon aus, dass zunächst Fico von dem Staatspräsidenten Schuster mit der Regierungsbildung beauftragt wird. Sie gehen davon aus, dass Fico entweder Führer der stärksten Partei sein wird oder zumindest der zweitstärkste hinter Meciars HZDS, mit der aber keine Partei zusammenarbeiten will.

Für Fico wird es aber nicht einfach sein, eine Parlamentsmehrheit hinter sich zu bringen. Es ist nur schwer vorstellbar, dass er als Vertreter des „Dritten Weges“ einer aus mehrheitlich Mitte-Rechts-Parteien (SDKÚ, SMK, KDH und ANO) bestehenden Regierung vorstehen wird.

Beteiligt er die rechtsliberale „Allianz des Neuen Bürgers" (ANO) des Medienmagnaten Pavol Rusko und /oder die HZD mit an einer Koalition, braucht er nicht alle drei „bürgerlichen Kernparteien“ der jetzigen Regierung (SDKÚ, KDH und SMK) für eine ausreichend starke Anti-Meciar-Koalition. Es ist nicht ausgeschlossen, dass er sich daher zunächst an die ungarische Minderheit wenden könnte. Deren Forderungen sind, nach eigenen Aussagen, in der letzten Legislaturperiode nur unzureichend erfüllt worden.

Die Beteiligung der SMK an einer Regierung ist hinsichtlich der Bedeutung der Minderheitenfragen in Europa – aber auch in den Vereinigten Staaten von Amerika – für jeden zukünftigen slowakischen Premierminister von besonderer politischer Relevanz. Andererseits ist die Zusammenarbeit mit der HZD äußerst problematisch, da dadurch der angestrebte Beitritt des Landes zur NATO, insbesondere durch bereits geäußerte Bedenken der Amerikaner, gefährdet sein würde.

Ein weiteres Szenario wäre, dass die drei bürgerlichen Kernparteien sich mit ANO auf eine Anti-Meciar-Koalition ohne Fico einigen.

Auch für diese Kombination könnte zumindest theoretisch die HZD, trotz der Glaubwürdigkeitsprobleme, ein möglicher (evtl. Tolerierungs-) Partner sein. Eine solche Koalition gegen die beiden voraussichtlich stärksten Parteien Smer und HZDS wäre dann möglich, wenn die HZDS sehr stark verlieren und Fico deutlich unter seinen besten Umfragewerten bleiben würde. Dass Ficos Partei nicht so gut in den Wahlen abschneiden könnte, ist durchaus möglich. Die Anhänger von SMER lassen sich politisch nicht so binden wie die Wähler von HZDS, SMK und KDH. Ihre Wahlbeteiligung ist von vielen unsicheren Faktoren abhängig. Dass Fico mittlerweile in scharfen Konflikt zu Ruskos populären Fernsehsender TV Markiza (wegen dessen offener Parteinahme für ANO) geraten ist, könnte sich für ihn auch weiter negativ auswirken.

Zu berücksichtigen bei allen Zahlenspielen ist, dass durch die Anzahl der vielen kleinen Parteien, die die Sperrklausel nicht überwinden werden, evtl. mehr als 20 Prozent der Stimmen den anderen Parteien zugeordnet werden.

Eine entscheidende Rolle in allen Koalitionsüberlegungen kommt den drei Mitgliedsparteien der Europäischen Volkspartei (EVP) zu. Sollten SDKÚ, SMK und KDH fünf Minuten nach Schließung der Wahllokale erklären, dass sie nur gemeinsam in eine Regierung eintreten werden, ist die Wahrscheinlichkeit sehr groß, dass der nächste Premierminister wieder aus ihren Reihen kommen wird.

Sollte Fico sich an einer solchen Regierung beteiligen, würde letztlich das gleiche politische Spektrum - aber vertreten durch weniger Parteien - wie im Jahre 1998 die Regierung bilden. Das dazu gehörende Personalpaket (Premierminister, Parlamentspräsident, Minister und (evtl.) Staatspräsident) sollte ausreichen, damit auch ambitionierte slowakische Politiker sich eine persönliche Option für die Zukunft offen halten könnten.

Umfragewerte der wichtigsten Parteien vor den slowakischen Parlamentswahlen vom 20. – 21. September 2002

Die folgende Tabelle zeigt die Ende August (Focus) bzw. Anfang September (MVK und ÚVVM) veröffentlichten Umfrageergebnisse von drei Meinungsforschungsinstituten. In den Nationalrat (Parlament) kommen nur Parteien, die mindestens fünf Prozent der gültigen Stimmen erreichen (in der Tabelle durch Fettdruck hervorgehoben).

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