Country reports
Noch ist das Ergebnis der Parlamentswahl in Mazedonien vom 15. September nicht offiziell bestätigt, doch zeichnet sich nach den ersten Auszählungen ein überraschend deutlicher Sieg der postkommunistischen SDSM über die bisherige Regierungskoalition aus national-konservativer VMRO-DPMNE und der liberalen LP ab.
Zwar deuteten bereits in den letzten Wochen alle Umfragen auf die bevorstehende Ablösung von Premierminister Ljubcho Georgievski und seiner Regierungsmannschaft hin, doch fällt die Niederlage unerwartet deutlich aus. Nach Auszählung von drei Vierteln der Wahlbezirke liegt das Bündnis „Für Mazedonien“ bestehend aus SDSM, LDP und einer Reihe von kleineren Parteien vor der VMRO-DPMNE und LP, die unter dem Motto „Kopf hoch – Mazedonien für Dich“ auf Stimmenfang gingen.
Mit der sich abzeichnenden Niederlage erhält die Partei VMRO-DPMNE die Quittung für die ausufernde Korruption, die Bevorzugung von Parteimitgliedern beim Kauf der privatisierten Staatsbetriebe und den Nepotismus bei der Vergabe von Jobs in Verwaltung und Ministerien sowie bei der Ausschreibung von Aufträgen von Seiten des Staates.
Trotz ihrer vor vier Jahren gemachten Versprechungen, den korrumpierten Staatsapparat zu reformieren und den „wind of change“, der bereits Anfang der neunziger Jahre die kommunistischen Regime in den meisten Ländern Ost- und Südosteuropas hinfort wehte, nun endlich nach Mazedonien zu bringen, adaptierten die neuen Machthaber des bürgerlichen Lagers die Regierungspraktiken der Postkommunisten. Vielmehr noch ermöglichte die Phase der Öffnung des Staates für ausländische Investoren und den Verkauf der wenigen lukrativen Staatsbetriebe (z.B. der Telefongesellschaft "Makedonski Telekomunikacii" oder der Ölraffinerie "Okta") neue finanzielle Dimensionen. Hinzu kam die gegen Ende der Legislaturperiode zunehmende Entfremdung der Regierung von ihrem Wahlvolk sowie das überhebliche Auftreten zahlreicher Anhänger von VMRO-DPMNE.
Dabei hatte gerade die Regierung unter Georgievski seit 1998 einige wichtige Reformen begonnen, für die Mazedonien von der Europäischen Union mit der Unterzeichnung eines Assoziierungs- und Stabilisierungsabkommen im Frühjahr 2001 belohnt wurde. Neben der überfälligen Privatisierung der abgewirtschafteten Staatsbetriebe sind insbesondere bei der Reform des aufgeblähten Verwaltungsapparats einige nennenswerte Fortschritte erzielt worden.
Erwähnenswert sind darüber hinaus die Reformen im Bereich der lokalen Selbstverwaltung sowie des Hochschulwesens, die bereits vor dem Ausbruch der Krise des vergangenen Jahres auf den Weg gebracht waren, jedoch durch die Angriffe der UCK auf mazedonische Einrichtungen im Norden und Nordwesten des Landes zunächst gestoppt wurden. So sind auf diese Weise durch den von Außen ins Land getragenen Konflikt auch durchaus lobenswerte Ansätze der Regierung untergegangen.
Darüber hinaus lastete durch die Berücksichtigung auch jener Reformprojekte im Ohrider Rahmenabkommen vom 13. August 2001, die sich teilweise bereits in der Phase der Implementierung befanden, seitdem der Beigeschmack der Niederlage an. Aus mazedonischer Sicht war dies umso bitterer, da das Gros der Bevölkerung sich sicher war, die albanischen Terroristen ohne fremdes Einmischen auf dem Schlachtfeld besiegen zu können. So waren schnell in der internationalen Gemeinschaft, allen voran in den Amerikanern, die Schuldigen für das Entstehen der Krise ausgemacht, die im Kosovo nie die UCK unter ihre Kontrolle bringen konnten. Nachdem schließlich auf massiven Druck von Seiten der EU und der USA die Regierung zur Unterzeichnung des Rahmenabkommens gedrängt worden war, mutete das Abschlussdokument für viele Mazedonier ohnehin wie ein Versailler Vertrag an, dessen Inhalt ihnen oktroyiert worden war.
Gegen den Vorwurf, die nationalen Interessen des Staates nicht zu verteidigen, gepaart mit der ausufernden Korruption war die ursprünglich als nationalistisch eingestufte Partei VMRO-DPMNE schließlich machtlos. Die Niederlage Georgievskis kommt letzten Endes weder überraschend noch besonders unverdient. Es bleibt allerdings zu sagen, dass die Regierung aus VMRO-DPMNE und Partnern nicht vieles anders gemacht hat als die nun wiedergewählten Sozialdemokraten, die bereits von 1992 bis 1998 durch Misswirtschaft Zweifel an ihrer Regierungsfähigkeit aufkommen ließen.
So wird schlussendlich das mazedonische Volk als der eigentliche Verlierer aus der Wahl hervorgehen, da ihm bislang noch keine politische Kraft den dritten Weg zwischen SDSM und VMRO-DPMNE aufzeigen konnte.
Positiv an den Wahlen ist ihr fairer und bislang reibungsloser Verlauf zu vermerken. Durch eine intensive Kampagne im Vorfeld und die Entsendung von 800 OSZE-Beobachtern werden diese Wahlen als die demokratischsten und friedlichsten in die mazedonischen Geschichtsbücher eingehen. Bereits in der Nacht hat Premierminister Georgievski die Niederlage seiner Partei eingestanden und den Sozialdemokraten zum Sieg gratuliert. Auch dies kann durchaus als Hinweis auf eine mögliche Veränderung der politischen Kultur verstanden werden, die für die Zukunft hoffen lässt.
Auf albanischer Seite lässt sich für den Augenblick ein guter Vorsprung der Demokratischen Union für Integration (DUI) des ehemaligen UCK-Führers Ali Ahmeti vor der Demokratischen Partei der Albaner (DPA) erkennen. Auch hier sind die Wahlen bis auf wenige kleinere Zwischenfälle friedlich und fair verlaufen. Bemerkenswert ist auf albanischer Seite, dass es der DPA trotz der sehr viel nationalistischeren Kampagne offensichtlich nicht gelungen ist, die Popularität Ali Ahmetis zu brechen.
Es wird sich nun in den möglicherweise folgenden Koalitionsverhandlungen mit der SDSM herausstellen, welche politischen Ziele sich tatsächlich hinter der auf Integration und Ausgleich bedachten Fassade des ehemaligen Terroristen verbergen. Arben Xhaferi, der bislang unumstrittene Führer der albanischen Bevölkerungsminderheit in Mazedonien wird sich jedenfalls zunächst einmal auf die Zeit in der Opposition einstellen müssen. Auch der dritten albanischen Partei, der Partei der demokratischen Prosperität (PDP) ist voraussichtlich der Einzug ins Parlament gelungen. Mit ihren drei oder vier Abgeordneten wird sie wohl in den nächsten vier Jahren jedoch keine allzu große Bedeutung erlangen.