Symbolträchtige Kooperation zwischen Griechenland und Deutschland
2021 fiel der Startschuss für eine symbolträchtige Kooperation, die die rechtskonservative Regierung von Premierminister Kyriakos Mitsotakis mit der Volkswagen Group einging. Die deutsch-griechischen Beziehungen waren in den zehn Jahren der griechischen Finanzkrise schwer belastet. Auch wenn sich die Zusammenarbeit zwischen Athen und Berlin verbessert hat, wird vor allem das wirtschaftliche Engagement Deutschlands in Hellas öffentlich kaum wahrgenommen. Obwohl Deutschland der größte Handelspartner ist, werden Investitionen aus den USA oder anderen Ländern deutlich mehr „gehyped". Umso bedeutsamer auch für die bilateralen Beziehungen ist jetzt dieses zukunftsträchtige Projekt, Astypalea zur ersten intelligenten und nachhaltigen Insel mit Energieautonomie zu machen.
"Smart and Sustainable Island"
In vier Schritten soll dies gelingen. Der erste Schritt betrifft den Austausch privater PKWs und des öffentlichen Fuhrparks der Insel durch Elektrofahrzeuge. Auch der einzige Krankenwagen der Insel wird elektrisch betrieben werden. Dafür hat die griechische Regierung das Programm „e-astypalea" gestartet, das den Kauf eines Elektroautos zum Produktionspreis subventioniert, während gleichzeitig die Kosten für die Installation von Ladestationen in Haushalten und Unternehmen übernommen werden.
Der zweite Schritt zielt auf die Umstrukturierung des Verkehrs auf der Insel ab. Mittels einer neu entwickelten Handy-App wird „ride-hailing", also die Bestellung einer Fahrt, und „ride-sharing", zusammen mit anderen Fahrgästen, ausschließlich für E-Autos eingeführt. Gleichzeitig soll damit die Nutzung privater PKWs minimiert werden.
In einem weiteren Schritt soll die Energieerzeugung und Speicherung fast vollständig auf grüne Technologien umgewandelt werden, nämlich durch die Installation von umfangreichen Solar- und Windenergieanlagen, aber auch von Batteriespeichern. Bis 2026 sollen dadurch mehr als 80 % des Bedarfs der Insel durch erneuerbare Energien gedeckt werden.
Schließlich betrifft der vierte Schritt die ganzheitliche Verbesserung des Straßennetzes mit dem Ziel, den Umstieg auf fahrerlose Fahrzeuge vorzubereiten.
Public Private Partnership für innovative Ideen
Am 2. Juni 2022 waren Premierminister Mitsotakis und der Vorstandsvorsitzende von Volkswagen, Dr. Herbert Diess, in Astypalea, um den Fortschritt des Projekts zu begutachten. Mitsotakis betonte die Wichtigkeit der Partnerschaft zwischen der öffentlichen Hand und der Wirtschaft: „Unsere Regierungen können allein nicht erfolgreich sein und der Privatsektor kann nicht alle Antworten auf die Fragen (der grünen Transformation) haben. Im Kampf gegen den Klimawandel will Griechenland ein Leader sein, kein Follower."
Der Vorstandsvorsitzende von VW ergänzte: „Politik, Wirtschaft und Gesellschaft tragen eine gemeinsame Verantwortung für die Eindämmung des Klimawandels. Unser langfristiges Ziel ist eine 100% klimaneutrale Mobilität für alle. Und Astypalea wird zeigen, dass dies bereits heute möglich ist. Elektromobilität und intelligente Mobilität werden die Lebensqualität verbessern und gleichzeitig einen Beitrag zu einer klimaneutralen Zukunft leisten."
Darum also die medienwirksamen Auftritte vor paradiesischem Hintergrund und die Aufmerksamkeit, die das Projekt mittlerweile nicht nur im In-, sondern auch im Ausland generiert. Aber wird der wirtschaftliche Erfolg des Projekts die Entwicklung der griechischen Volkswirtschaft sichtbar beeinflussen? Wird Volkswagen deutlich mehr Autos verkaufen? Die Bedeutung des Projekts auf Astypalea liegt in erster Linie darin, dass es ein Fenster öffnet zu einer grüneren und sauberen Zukunft. Es ist ein bedeutsames Beispiel für die Bemühungen der griechischen Regierung, innovative Technologien einzusetzen, einen innovativen Gesetzesrahmen zu schaffen, um eine nachhaltige und umweltfreundliche Entwicklung zu fördern und gleichzeitig eine grüne Initiative für Energieversorgung und -Sicherheit zu erreichen. So könnte die Insel zum Ausgangspunkt für die Entwicklung größerer Projekte werden, die nicht auf einen Punkt in der Ägäis beschränkt sind.
"Top-Down" anstelle von "Bottom-Up"
Doch wie sieht die Inselbevölkerung das Projekt, das nach klassischer „Top-Down"-Manier aufgezogen wurde? Nikos Komeneas, der Bürgermeister der Insel hebt hervor: „Inmitten der Energiekrise sind die Augen der Welt auf uns gerichtet. In Astypalea wird Geschichte geschrieben, denn die Nachhaltigkeitsperspektive kann für jedes Reiseziel einen Weg in die Zukunft darstellen." Und so zeigen zwar örtliche Umfragen bei den knapp 1500 Menschen eine grundsätzliche Bereitschaft zum Umstieg auf E-Mobilität, aber wie auch in Deutschland und anderswo sind die Anschaffungskosten eines Neuwagens und die fehlenden Lademöglichkeiten die wichtigsten Einwände. Auch sind örtliche Unternehmer wie Autovermieter, aber auch Hotel- und Restaurantbetreiber in Sorge, wie sie mögliche Verluste durch den Umstieg auf Elektro ausgleichen können. Konzepte von Seiten der Kommune zu möglichen Hilfsmaßnahmen liegen noch nicht vor.
Doch gerade die weltweit stark steigenden Energiekosten, die die Menschen auf dem abgelegenen Eiland ohne Stromkabelverbindung ans Festland überproportional treffen, könnten der entscheidende Faktor zur erfolgreichen Umsetzung des Projekts werden. Mit durchschnittlich über dreihundert Sonnentagen im Jahr und starken Winden in der Ägäis ist die Ausgangslage für den Ausbau von Photovoltaik, Wind- und evtl. Wellenkraft fast überall in Hellas erfolgsversprechend.
Traumurlaub ohne schlechtes Gewissen
Nicht zuletzt die Aussicht auf einen emissionsfreien Urlaub für klimabewusste Europäer dürfte dem Tourismus auf Astypalea einen Schub geben und damit auch den fast ausschließlich vom Tourismus abhängigen Inselbewohnern. Das klassische Bild von Sonne, Strand und Meer, weißen kykladischen Würfelhäusern und tiefblauem Himmel, ungestört von laut knatternden Mopeds oder blauen Wolken alter Dieselmotoren und dafür nur einige hochmoderne, gut klimatisierte und lautlos dahingleitende E-Fahrzeuge: Wer würde nicht gerne seinen nächsten Urlaub in Astypalea verbringen wollen?
Das Pilotprojekt zeigt, dass nicht nur die Kreativität der Privatwirtschaft, sondern auch die der Politik gefragt ist, sowie die Offenheit der Bevölkerung, um dem Ziel der Klimaneutralität näher zu kommen. Premier Mitsotakis betont: "Wir stehen an erster Stelle, wenn es um Innovation und Technologie bei der smarten Mobilität geht und wenn es darum geht, den Gesetzesrahmen dafür anzupassen."
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