Country reports
„Salut!“: Mit dieser schlichten Begrüßung auf Rumänisch gewann der Präsident der Vereinigten Staaten, George W. Bush, am 23. November 2002 die Sympathien der etwa 100.000 auf dem „Platz der Revolution“ im Zentrum von Bukarest auf ihn wartenden Rumänen und die mehreren Millionen TV –Zuschauer.
Die Stadt wurde für den hohen Besuch bereits Tage zuvor herausgeputzt, Straßen eilig ausgebessert, an den wichtigen Hauptstraßen, auf denen der Konvoi des amerikanischen Präsidenten fuhr, unzählige kleine und große amerikanische und rumänische Wimpel nebeneinander gehängt und viele Poster mit „Bun venit / Welcome“ am Wegesrand aufgestellt.
Der „Platz der Revolution“ wurde wie im Sommer 1997 mit Bedacht gewählt. Hier war der Sitz des ehemaligen Zentralausschusses der Kommunistischen Partei, hier sprach der ehemalige Diktator Nicolae Ceausescu zum letzte Mal im Dezember 1989 zu seinem Volk und mußte erkennen, daß es sich endgültig von ihm abwandte. Und von hier floh er mit dem Hubschrauber, ein Bild, das um die Welt ging.
Seit einigen Jahren stehen auf diesem Platz die Statuen der beiden großen Christdemokraten Iuliu Maniu und Corneliu Coposu. Maniu (1873 – 1953) war mehrfach zwischen 1930 – 1933 rumänischer Ministerpräsident, wurde von den Kommunisten am 29. Oktober 1947 verhaftet und zu lebenslanger Haft wegen „Hochverrats an der Arbeiterklasse und Verbrechen gegen die sozialen Reformen“ verurteilt, er starb sechs Jahre später im berüchtigten Gefängnis von Sighet.
Coposu (1914 – 1995) war sein politischer Berater; er wurde bereits im Juli 1947 verhaftet, aber erst 1957 wegen „Hochverrat gegen die Arbeiterklasse und Verbrechen gegen die sozialen Reformen“ zu lebenslanger Haft verurteilt. Nach 17 Jahren Einzelhaft wurde er freigelassen, stand jedoch unter ständiger Beobachtung. Coposu gründete nach dem Fall des Kommunismus die Christdemokraten neu und formte 1991 das Wahlbündnis Demokratische Konvention (CDR).
Das ganze Land konnte über TV – Direktübertragung Bushs Besuch in allen Einzelheiten mitverfolgen: Im Cotroceni – Palast, dem Sitz des rumänischen Präsidenten, wurde Bush mit dem höchsten Orden, dem „Stern Rumäniens“ mit Ordenskette, von Iliescu ausgezeichnet. Es folgten Gespräche zwischen den beiden Staatschefs, aber auch mit Premierminister Nastase und Vertretern des Kabinetts.
Währenddessen warteten über 100.000 Rumänen im Zentrum der Stadt und trotzten der schlechten Witterung: es war naß – kalt und windig, schlechter hätte es für diese Jahreszeit kaum sein können. Aber sie wurden für ihr Warten belohnt. Während der rumänische Staatspräsident seine Rede, in der er u. a. unterstrich, dass das Land weiterhin alle Anstrengungen unternehmen werde, um westliche Standards zu erreichen und seine Position als vertrauensvoller Partner auszubauen, betont nüchtern vortrug, lieferte Bush mehr als eine filmreife „Hollywood – Show“ ab: Er winkte während Iliescus Ansprache immer wieder der Menschenmenge zu, zeigte mit gestrecktem Daumen mehrfach das „OK“ – Zeichen und beobachtete ständig den Himmel, der zwischenzeitlich aufhellte und einen Regenbogen zeigte, den Iliescu aber nicht bemerkte.
Bush eröffnete seine Rede mit den Worten: „Salut ! Als wir angefangen haben, hier zu sprechen, erschien ein Regenbogen. Gott lächelt uns heute zu!“ Sehr emotional setzte der US – Präsident seine Rede fort: „Sollte irgendeine Gefahr oder Nation Euch bedrohen, dann stehen wir an Eurer Seite !“ Bush lobte die Bemühungen des Landes, Demokratie, freie Marktwirtschaft und freie Rechtsprechung zu etablieren, vergaß aber auch nicht, daran zu erinnern, dass diese Bemühungen fortgesetzt werden müssen, insbesondere auch der Kampf gegen die Korruption.
Auch hob er Rumäniens Beitrag zum Kampf der von den Vereinigten Staaten angeführten Anti–Terror–Koalition hervor und lobte dessen Engagement an der Seite der amerikanischen Truppen in Afghanistan: „Euer Land bringt moralische Glaubwürdigkeit in unsere NATO – Allianz. Ihr wisst Freiheit zu schätzen, weil Ihr ohne diese leben musstet. Ihr kennt den Unterschied zwischen Gut und Böse, weil Ihr das Gesicht des Teufels gesehen habt. Das rumänische Volk versteht, daß aggressive Diktatoren nicht beruhigt und nicht ignoriert werden können; man muß sich ihnen immer widersetzen.“
Interessant war der Hinweis auf Rumäniens mögliche Rolle in der NATO als Brücke zu Russland: „In dieser friedvollen Zukunft, welche wir aufbauen, wird Rumänien unser Leben in einer anderen Art stärken – als eine Brücke zum neuen Rußland.“ Diese Aussage wurde von der Menge jedoch nicht bejubelt und stieß auch in den Medienkommentaren nicht auf ein ungeteilt positives Echo. Angesichts der Tatsache, dass Rumänien häufig in seiner wechselvollen Geschichte stark unter russischem und sowjetischen Einfluss leiden musste – und unter anderem gerade deshalb der Beitritt in die Nato als westliches Verteidigungsbündnis auf über 70 %ige Zustimmung innerhalb der Bevölkerung stieß – war es von dem US – Präsident mutig, diese Vorstellung von einer zukünftigen Rolle Rumäniens öffentlich zu formulieren.
„Wir lieben Euch für die Tatsache, dass Ihr die Freiheit liebt“ stimmte das Publikum aber wieder versöhnlich, ebenso der Hinweis auf den geschichtsträchtigen „Platz der Revolution“, auf dem im Winter 1989 / 1990 viele, insbesondere junge rumänische Bürger starben, nicht zuletzt auch die generelle Erwähnung der vielen Bürger, die in den kommunistischen Gefängnissen umkamen.
Bushs Rede enthielt – bis auf den Hinweis auf die eventuelle Brückenfunktion Rumäniens zu Russland – alles, womit er die Herzen der Zuhörer gewinnen konnte, den Stolz der Rumänen verstärkte und was den Blick gemeinsam in die Zukunft zu richten erlaubte. Ob er allerdings auch die Herzen der Wende-Kommunisten erreichen konnte, die „die Jacke der Allianz ohne Probleme über die Jacke mit Hammer und Sichel zogen“, wie es Ovidiu D. Popica in seiner Analyse in der Tageszeitung Evenimentul Zilei vom 25.11.2002 formulierte, bleibt fraglich.
Sie, die zu kommunistischen Zeiten ohne die für die einfache Bevölkerung typischen alltäglichen Entbehrungen leben konnten, mögen sicherlich die eine oder andere Passage der Bush-Rede als unangenehm empfunden haben. Der Triumph aber, dass gerade sie das Land in die NATO führen konnten (und nicht die bürgerlich – liberale Regierung 1997), wird sie darüber hinweggetröstet haben. Und so herrschte ungeteilte Freude über die kurze Bush – Visite und die wenigen kritischen Kommentare wurden kaum registriert.