Country reports
KAS-Außenstellenleiter Dr. Bernhard Lamers berichtet dazu aus Belgrad:
1. Die Wahlbeteiligung lag mit 53,57% unter der Beteiligung des Jahres 2001, bei der ca. 64% zur Wahl gingen. Die Erklärung liegt insbesondere im Wahlboykott der serbischen Bevölkerung, die fast vollständig dem Aufruf zum Boykott durch die serbische Regierung und die Serbisch Orthodoxe Kirche folgte. Präsident Tadic hatte eine Wahlempfehlung mit Bedingungen für einen späteren Verbleib im Parlament gegeben. Die Wahlen verliefen ohne Zwischenfälle.
2. Der prozentuale Anteil der Stimmen, die auf die einzelnen Parteien entfielen, weicht nur wenig von dem Wahlergebnis des Jahres 2001 ab, eine Ausnahme ist das Ergebnis für die Bürgerinitiative ORA des Journalisten und Unternehmers Veton Surroi, der ein besseres Ergebnis erwartet hatte. Auch er setzt sich für die Unabhängigkeit ein, gilt aber als gemäßigt und verfügt über gute Kontakte und eine gewisse Akzeptanz auch in serbischen Kreisen. Bei der Regierungsbildung könnte Surroi eine entscheidende Rolle zufallen.
3. Als Wahlsieger muss Präsident Rugova gesehen werden, der trotz aller Schwierigkeiten mit seiner LDK wieder stärkste politische Kraft geworden ist. Sein Wahlversprechen, das Kosovo in den nächsten Jahren in die Unabhängigkeit zu führen, ist eine Messlatte, die nicht nur über seine persönliche politische Zukunft entscheidet, sondern auch die Stabilität beeinflussen wird. Ohne Fortschritte in dieser für alle Kosovoalbaner wichtigen Frage kann es leicht zu einer Radikalisierung im Kosovo kommen. Gleichzeitig ist zu befürchten, dass Zugeständnisse für eine Unabhängigkeit durch die serbische Regierung in Serbien zu einer Stärkung der radikalen Kräfte führen können.
4. UNMIK Chef Soren Jessen-Petersen fand nach den Wahlen deutliche Worte der Kritik gegenüber Belgrad als dem „Blockierer von Fortschritt und eines Schrittes nach vorn“ und machte gleichzeitig deutlich, dass ohne „dramatische Verbesserungen“ für die serbische Minderheit Verhandlungen über die Zukunft Kosovos nicht beginnen werden und forderte zu einem „konstruktiven Dialog auf politischer Ebene“ auf. Die Wahlen haben noch einmal deutlich vor Augen geführt, dass die Lösung der Statusfrage einer dringenden Aufnahme von Gesprächen bedarf. Die klaren Worte des britischen EU-Ministers Denis McShane, dass das Kosovo nicht ins Jahr 1999, 1989 und schon gar nicht ins Jahr 1389 zurückkehre sind als deutliches Signal zu werten, welche Option nicht in Frage kommt.
Vizepremierminister Miroljub Labus forderte inzwischen die serbischen politischen Parteien auf, eine Diskussion über den endgültigen Status des Kosovo zu beginnen und äußerte, dass der Dezentralisierungsplan der serbischen Regierung, einstimmig im serbischen Parlament angenommen, in die richtige Richtung ginge, aber mehr getan werden müsse. Ohnehin scheint Bewegung in Überlegungen zur Gestaltung der Zukunft gekommen zu sein. Der Präsident der serbischen Regierung, Vojislav Kostunica, hat zwischenzeitlich eine parteienübergreifende Runde einberufen und Gespräche mit Pristina angekündigt. Die geringe Wahlbeteiligung der Serben wird als ein Votum interpretiert, bei den anstehenden Dezentralisierungs- und Statusverhandlungen durch Belgrad vertreten zu werden.
5. Noch ist unklar, ob die serbischen Vertreter ihr Mandat annehmen. Die Regierungsverhandlungen ziehen sich weiter hin. Neben einer Wiederauflage der jetzigen Koalitionsregierung wäre auch eine sich auf LDK und ORA stützende Regierung mit einer starken Opposition denkbar.
Ergebnis der Wahlen:
2004 | 2001 | |
LDK (Demokratische Liga des Kosovo) | 45,40% | 45,65% |
PDK (Demokratische Partei des Kosovo) | 28,90% | 25,70% |
KP (Koalition Rückkehr) | 11,34% | |
AAK (Allianz für die Zukunft des Kosovo) | 8,40% | 7,83% |
KDTP (Türkische Demokratische Partei des Kosovo) | 1,38% | 1,00% |
PShDK (Albanische Christlich-Demokratische Partei Kosovas) | 1,81% | 0,98% |
ORA | 6,20% | |
PD (Partei der Gerechtigkeit) | 1,00% | 0,57% |
Demokratische Union | 0,72% | |
Bündnis Vakat | 0,71% | |
LPK (Volksbewegung des Kosovo) | 0,65% | 0,56% |
PLK (Liberale Partei Kosovas) | 0,50% | |
ADK (Demokratische Alternative Kosovas) | 0,47% | |
UNIKOMB (UNIKOMB) | 0,37% | |
Nationale Front | 0,37% | |
IRDK (Neue Demokratische Initiative des Kosovo) | 0,36% | 0,50% |
PSDK (Sozialdemokratische Partei Kosovas) | 0,33% | 0,23% |
Fuad Ramiqi | 0,31% | |
SDA (Bosnakische SDA) | 0,30% |
Alle übrigen Parteien erreichten weniger als 0,30% der Stimmen.
Sitzverteilung:
2001 | 2004 | |
LDK (Demokratische Liga des Kosovo) | 45 | 47 |
PDK (Demokratische Partei des Kosovo) | 26 | 30 |
KP (Koalition Rückkehr) | 22 | |
AAK (Allianz für die Zukunft des Kosovo) | 7 | 9 |
ORA | 7 | |
PShDK, PD, LPK und PLK | 5 | |
Serbische Liste für Kosovo und Metohija | 8 | |
Bürgerinitiative Serbien | 2 | |
Sonstige | 20 | 12 |