Asset Publisher

Country reports

Wahlkampf 2004 in Südafrika

by Dr. Thomas S. Knirsch, Peter Fray

Wettrennen mit bekanntem Sieger

Zehn Jahre ist es her, da in Südafrika am 27.04.1994 die ersten freien Wahlen stattgefunden haben. Während die Vorbereitungen für die Feierlichkeiten zu diesem historischem Datum auf Hochtouren laufen, werden am 14. April 2004 die dritten demokratischen Wahlen stattfinden.

Asset Publisher

Südafrika ist heute ein stabiles Land, dass in vielen Bereichen große Fortschritte gemacht hat. Es steht aber immer noch vor ernsthaften Problemen, die dringende Lösung erfordern. Der ANC hat sich unbestreitbar große Verdienste in den 10 Jahren seiner Regierung erworben: Neben den demokratischen Errungenschaften hat Südafrika heute eine stabile Wirtschaft mit geringer Inflation, es wurden 1,6 Millionen neue Häuser für einkommensschwache Bevölkerungsschichten errichtet, 70% aller Haushalte sind an das Stromnetz angebunden und 9 Millionen der Haushalte haben jetzt einen Wasseranschluss. Dennoch steht die Mehrzahl der Südafrikaner noch immer vor einem Berg ungelöster Probleme: einer Arbeitslosenrate von 40%, 5,3 Millionen mit HIV/AIDS infizierten Menschen und einer extrem hohen Kriminalitätsrate, um nur einige zu nennen.

Politische Parteien sind ihrem Mandat nach Interessen- und Ideengemeinschaften, die Programme und Personen zur Abstimmung stellen, um auf diese Weise die Regierungsmehrheit zu erlangen. Welche Konzepte haben die Parteien, den Herausforderungen der Zeit zu begegnen? Untersucht werden folgend die Wahlprogramme der fünf größten südafrikanischen Parteien: African National Congress (ANC), Democratic Alliance (DA), Inkatha Freedom Party (IFP), New National Party (NNP) und United Democratic Movement (UDM), um ein generelles Bild der politischen Stimmung in Südafrika zu skizzieren sowie die Problemlösungskompetenz der Parteien nachzuzeichnen. Daneben sollen aber auch die Chancen für neu gegründete Parteien wie etwa der Independent Democrats dargestellt werden.

Die politische Landschaft vor den Wahlen

Während der ANC nach den Wahlen im Jahre 1999 66,4% der Stimmen erreichte, konnte er dieses Ergebnis im Jahr 2002 sogar noch weiter zu seinen Gunsten ausbauen. Grund dafür war die positive Entscheidung des südafrikanischen Verfassungsgerichts vom 04. Oktober 2002 über einen ergänzenden Gesetzesentwurf zur Verfassung, der es den Abgeordneten während der laufenden Legislaturperiode ermöglichte, in andere Parteien zu wechseln und dabei ihren Sitz im Parlament zu behalten. Durch das Zustandekommen von verschiedenen Koalitionen zwischen den Oppositionsparteien während der Kommunalwahlen im Jahr 2000 und dem darauf folgenden Auseinanderbrechen dieser Wahl-Allianzen relativ kurz nach den Wahlen führte dieses neue Gesetz zu einer Flut von Parteiübertritten der Abgeordneten. In den Länderparlamenten und auf Kommunalebene fanden 555 Parteiwechsel, hauptsächlich zu Gunsten des ANC, statt. In der Nationalversammlung (NA) errang der ANC durch den Wechsel von Abgeordneten die Zweidrittel-Mehrheit. Gegenwärtig ergibt sich folgende Sitzverteilung:

Parteien in der NA Wahlen 1999Parteiwechsel 2002
ANC266275
DA3846
IFP3431
UDM144
ACDP67
Neue Parteien5
Minderheitenparteien1412
GESAMT31

Die stärkste Partei in Südafrika ist der ANC. Gegenwärtige Meinungsumfragen rechnen damit, dass der ANC wohl auch diese Wahl mit mehr als 60% der Stimmen für sich entscheiden kann. Der ANC zieht dadurch sehr siegesgewiss, selbstbewusst und entspannt in den aktuellen Wahlkampf. In seinem Wahlkampfmanifest A People's Contract to Create Work and Fight Poverty hat sich der ANC für die nächsten 5 Jahre vorgenommen, die Arbeitslosigkeit und Armut um die Hälfte zu reduzieren, das Gesundheitssystem zu verbessern und die Kriminalität verstärkt zu bekämpfen.

Die Richtung des ANC-Manifests wurde durch das am 18.02.2004 vorgestellte Haushaltsbudget von Finanzminister Trevor Manuel mit realistischen Zahlen untermauert. Neben moderaten Steuerkürzungen, die alle Teile der Bevölkerung entlasten, werden erhebliche neue Zuwendungen in den Bereichen HIV/AIDS (R 2,1 Milliarden), Kriminalitätsbekämpfung (R 1,9 Milliarden), R 6 Milliarden für black economic empowerment initiatives, Unterstützung der Landwirtschaft (R 1,45 Milliarden) und Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (R 3,5 Milliarden) eingesetzt. Das Budget zielt damit auf die Ankurbelung der Wirtschaft durch Steuerkürzungen sowie auf ausländische Investitionen. Eine Steuersenkung kurz vor der Wahl und die angekündigten neuen Zuschüsse in den verschiedensten Bereichen werden es der Opposition noch schwerer machen, die Mehrheit bei den Wahlen für die ANC-Regierung ernsthaft zu gefährden; zumal der ANC mit der Vorstellung des Haushalts viele Forderungen der Oppositionsparteien aufgegriffen hat.

Der Hauptkonkurrent des ANC um die Wählergunst ist die DA. Hervorgegangen ist die Allianz bei den Kommunalwahlen 2000 aus einem Zusammenschluss der Democratic Party (DP), der Federal Alliance (FA) und der New National Party (NNP). Im Jahr 2001 wiederum verließ die NNP die Allianz. Die DP errang bei den Wahlen 1994 ein Ergebnis von 1,7% der abgegebenen Stimmen und 7 Sitze im Parlament. Sie konnte dies im Jahr 1999 erheblich steigern und mit einem Ergebnis von 9,6% insgesamt 38 Sitze in der Nationalversammlung besetzen. Durch Parteienübertritte gewann sie weitere Sitze im Parlament. Sie wurde damit zur größten Oppositionspartei. Diesen Zugewinn an neuen Stimmen kann man vor allem dem aggressiven Wahlkampfstil des Parteiführers Tony Leon zuschreiben, sowie dem Versuch der Partei ein Forum für alle Südafrikaner zu sein. Traditionell war die DP die politische Heimat weißer Liberaler, sie verstand es aber in den letzten Jahren auch konservative Weiße und Schwarze aus der Mittelklasse mit ihrem Wahlprogramm anzusprechen.

Wahlmanifeste und Slogans der Opposition

Der Wahlkampfauftakt der DA für die Wahlen im April und die Vorstellung des aktuellen Wahlmanifestes SA Deserves Better fand am 21.02.2004 in Soweto statt, was darauf schließen lässt, dass verstärkt schwarze Wählerschichten angesprochen werden sollen; das Wahlbündnis mit der IFP könnte diese Theorie weiter bestätigen. Inhaltlich greift die DA vor allem Versäumnisse der ANC-Regierung in den Bereichen Arbeitslosigkeit, Kriminalität und HIV/AIDS auf, und versucht durch die Vorstellung eigener Programme (z.B. liberale Arbeitsmarktgesetze) Alternativen anzubieten. Da die DA bislang hauptsächlich von weißen Südafrikanern gewählt wird, attackiert sie gezielt die NNP und ist damit zu einem der Hauptkonkurrenten der NNP um die Gunst von weißen Wählerstimmen geworden.

Die NNP, im Jahre 1996 hervorgegangen aus der National Party, die in den Wahlen 1994 noch 20,4% der Stimmen und damit 82 Sitze im Parlament gewinnen konnte, verbuchte im Wahljahr 1999 nunmehr nur noch 6,9% und 28 Sitze. Durch Parteiwechsel musste die NNP weitere Stimmverluste hinnehmen, und hat in der aktuellen Nationalversammlung noch ein Kontingent von 20 Sitzen. Die Gründe für diesen Stimmenverlust bei den Wählern sind u.a. darin zu finden, dass im Jahr 1999 viele weiße Wähler lieber der DP ihre Stimme gaben als der neu konstituierten NNP. Weiterhin schaffte es die NNP nicht, über eine Million ehemaliger NP-Wählern zu motivieren, die den Wahlen aus Enttäuschung über den Kurswechsel der Partei fernblieben. Sogar in ihrer ehemaligen Hochburg, in der Provinz Western Cape, musste sie erhebliche Stimmenverluste hinnehmen und konnte nur durch eine Koalition mit dem ANC an der Regierung bleiben.

Während die NP versuchte, durch die Neugründung als NNP die Fesseln der Geschichte abzulegen, wird sie von den meisten, vor allem schwarzen Wählern, immer noch als die Partei der Apartheid angesehen. Und auch das Logo einer aufgehenden Sonne kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die NNP in diesem Wahlkampf um ihr politisches Überleben kämpft. Aus diesen Gründen hat sich die NNP für den Wahlkampf 2004 in eine Wahlallianz mit dem ANC begeben und wird sich darauf konzentrieren, den Wahlkampf im Western Cape zu gewinnen. Das Wahlkampfprogramm Let Us Be Your Voice konzentriert sich u.a. auf die Themen Arbeitslosigkeit, Bildung, Kriminalitätsbekämpfung (u.a. durch die Wiedereinführung der Todesstrafe) und Verbesserung des Gesundheitssystems.

Die IFP versuchte in den letzten Jahren unter der Führung von Dr. Mangosuthu Buthelezi das Bild einer Zulu-Nationalisten/Traditionalisten-Partei abzulegen und sich das Image einer Partei zu geben, die landesweit Pluralismus, Freiheit und ethnische Identität fördert. Nichtsdestotrotz bleibt die eigentliche Machtbasis der Partei die Provinz KwaZulu-Natal. In dem Wahljahr 1994 konnte die IFP landesweit 10,5% und damit 43 Sitze in der Nationalversammlung erringen. 1999 verlor sie leicht und erreichte nur 8,6% und damit 34 Sitze. Aktuell ist sie im Parlament mit 31 Abgeordneten vertreten. Das Partei-Manifest für die diesjährigen Wahlen Real Development Now: Let's Make a Difference - Together orientiert sich an den sechs Themen: HIV/AIDS, Korruption, Arbeitslosigkeit/wirtschaftliches Wachstum, Armutsbekämpfung, Kriminalität und Außenpolitik, wobei der Schwerpunkt auf bessere HIV/AIDS-Programme gelegt ist. Ansonsten sind zwischen dem Wahlprogramm der IFP und des ANC wenig Unterschiede zu erkennen.

Der Wahlkampf der IFP und des ANC in der Provinz KwaZulu-Natal wird mit großem Interesse verfolgt, vor allem da es nach einigen Umfragen der ANC schaffen könnte, die Machtbasis der Inkatha zu erodieren. Die noch Anfang Februar gehegte Hoffnung, dass es in diesem Wahlkampf in KwaZulu-Natal friedlich und fair zugehen würde, ist größtenteils geschwunden, da es bereits gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen Anhängern der beiden Parteien gab.

Außenseiter bei der Wählergunst

Die UDM hat seit ihrer Gründung im Jahr 1997 versucht beide Wählergruppen (Weiße und Schwarze) anzusprechen. So hat sie sowohl von enttäuschten ANC-Anhängern wie von ehemaligen NP-Sympathisanten Stimmen für sich gewinnen können. Während sie bei den Wahlen 1999 noch 14 Sitze im Parlament erringen konnte, sind diese durch Parteiübertritte auf 4 Sitze geschrumpft. Das Manifest der UDM Better Future Plan attackiert vor allem das black economic empowerment der Regierung, verspricht zero tolerance gegenüber Kriminellen und bessere Maßnahmen in Bezug auf HIV/AIDS. Die Wahlkampagne der UDM ist darauf ausgerichtet, die Fehler der ANC-Regierung hervorzuheben.

Die neu gegründete Partei Independent Democrats (ID) ist eigentlich eine Ein-Personen-Partei. Gegründet von Patricia de Lille (ehemaliges Mitglied des Pan Africanist Congress) versucht diese Partei frischen Wind in die Parteienlandschaft zu bringen. Die ID setzt im Wahlkampf mit dem Slogan Back to Basics vor allem auf die Person von Patricia de Lille und die Themen HIV/AIDS und Korruptionsbekämpfung. Das allgemeine Layout der Internetseite der Partei und die verwendete Sprache lassen darauf schließen, dass vor allem junge Wähler für die Sache der ID begeistert werden sollen. Inwiefern sich das positiv auf das Wahlergebnis niederschlagen wird, bleibt abzuwarten.

Darüber hinaus haben sich etwa 140 weitere Parteien zur Wahl registrieren lassen. Ob sich tatsächlich auch antreten werden, bleibt fraglich. Ihre Aussichten, auf die politische Landschaft Südafrikas, abgesehen von wenigen Ausnahmen (ACDP, FF+), größeren Einfluss zu nehmen, ist gering.

Wahltrends und Prognosen 2004

Die generellen Wahlkampfthemen, die den Wahlkampf 2004 bestimmen, sind Arbeitslosigkeit, Kriminalität und HIV/AIDS. Daneben wird von einigen Oppositionsparteien auch das Thema Korruptionsbekämpfung deutlich angesprochen.

Die Wählerunterstützung für den ANC scheint nach den jüngsten Meinungsumfragen stabil zu sein. Demnach sieht es so aus, dass der ANC weiterhin mit einer überwältigenden Unterstützung durch die Wählerschaft rechnen kann. Ob es allerdings zu einer Zweitdrittel-Mehrheit reichen wird, ist die eigentlich interessante Frage dieses Wahlkampfes. ANC-Anhänger sind in allen Provinzen und allen Altersgruppen stark vertreten. Mehr als sieben von 10 ANC-Wählern sind nicht im formellen Sektor beschäftigt, 94% der ANC-Wähler sind schwarz, 5% farbig, 1% weißer oder indischer Herkunft. Besonders groß ist der Anteil von ANC-Sympathisanten in dörflichen und ländlichen Gebieten. Aber auch ein Großteil der urbanen schwarzen Bevölkerung unterstützt den ANC, oder sympathisiert zumindest mit ihm. Weiterhin scheint es, dass ANC-Anhänger, die sehr unzufrieden mit der Arbeit der Regierung sind, es eher vorziehen sollten nicht zur Wahl zu gehen, anstatt ihre Stimme einer anderen Partei zu geben.

Die Rolle, die Erst- oder Jungwähler einnehmen werden, kann für Überraschungen sorgen, die sich zu Ungunsten des ANC auswirken könnten. Vor allem weil der ANC, wie auch die meisten anderen Parteien, versäumt hat, die Jungwähler richtig anzusprechen oder ihren Stellenwert besonders hervorzuheben. Das die Jugendlichen nicht unbedingt unter Politikverdrossenheit leiden, wie es in den Medien oft suggeriert wird, lässt sich vor allem anhand der Statistiken zur Wahlregistrierung erkennen, wonach sich 72% in der Altersklasse von 18 bis 24 Jahren bereits haben registrieren lassen.

Die DA kann laut Meinungsumfragen bis zu 2 Prozentpunkten dazu gewinnen und wird demnach ein Ergebnis um die 10% erwarten können. IFP und NNP werden von den Meinungsforschern bei knapp 4% gesehen. Die UDM könnte nach den Umfragen 2% erhalten und die ID ein Ergebnis um die 1%.

Die Hauptwahlkämpfe werden in den beiden Provinzen Western-Cape und KwaZulu-Natal geführt. Die Meinungsumfragen sehen dabei die ANC/NNP-Koalition im Western Cape bei knapp unter 50%, was bedeuten würde, dass in Zukunft eine dritte Partei der Koalition beitreten müsste. In der Provinz KwaZulu-Natal sieht es nach Umfragen so aus, dass der ANC 50% erreichen könnte, wobei die Allianz aus IFP und DA nur auf 30% kommen würden. Falls die Meinungsumfragen sich bewahrheiten sollten und der ANC wiederum eine sehr deutliche Mehrheit erringen sollte, zuzüglich eines deutlichen Sieges in den beiden Provinzen Western Cape und KwaZulu-Natal, wird das nicht ohne Folgen für die politische Kultur Südafrikas bleiben. Die von einigen Kommentatoren geäußerte Befürchtung, dass Südafrika auf dem Weg zu einem de facto Ein-Parteien-Staat sei, würde ein derartiges Wahlergebnis nur unterstreichen.

Asset Publisher

Contact

Moritz Sprenker

Moritz Sprenker

Consultant for digitalisation and qualification abroad

moritz.sprenker@kas.de +49 160 5165048
Country reports
April 13, 2004
read now

comment-portlet

Asset Publisher