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Country reports

Warten auf die nationalen Wahlen

by Dr. Thomas Helfen
Nach dem Abschluss der fünften Nachwahl für den Senat und der erfolgten Wahl des neuen Gouverneurs von Bangkok richtet sich der Blick auf die anstehenden nationalen Parlamentswahlen. Noch ist Premierminister Chuan Leekpai im Amt, aber der Druck auf die Regierung wächst, das Unterhaus aufzulösen und vorzeitig Neuwahlen abzuhalten.

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Die Aussicht, bei der anstehenden Unterhauswahl im Herbst Amt und Würden zu verlieren, lähmt die thailändische Regierung, lässt sie aber zugleich krampfhaft an der Macht festhalten. Chuan Leekpais Regierung bewegt nicht mehr viel, spielt vielmehr auf Zeit. Ihre Weigerung, das eingetretene politische Vakuum durch vorzeitige Neuwahlen aufzulösen, begründet sie mit der Notwendigkeit, zumindest das neue Wahldurchführungs- sowie das Haushaltsgesetz noch im Parlament verabschieden zu wollen. Mehr wird ihr wohl auch kaum gelingen.

Der neue Senat vor der Konstituierung

Dem nach der neuen Verfassung erstmals gewählten Senat kommen umfangreiche Kontroll- und Amtsenthebungsrechte zu. So versuchten nicht wenige Kandidaten, sich mit Stimmenkauf und sonstigem Wahlbetrug die einflussreichen Positionen zu erkämpfen. Die nationale Wahlkommission ging konsequent, aber technisch nicht immer unumstrittenen gegen diversen Wahlbetrug und Stimmenkauf vor. So konnten die schlimmsten Auswüchse verhindert werden. Der Preis war allerdings, dass immer wieder neue Runden der Senatswahl durchgeführt werden mussten.

Am 22. Juli fanden zuletzt nur noch in der Nordostprovinz Ubon Ratchathani die mittlerweile fünften und voraussichtlich letzten Nachwahlen zum Senat statt. Die meisten Stimmen errang Frau Wilawan Tanwattanapong. Nchdem sie bei den zweiten und vierten Nachwahlen wegen Unregelmäßigkeiten noch disqualifizert wurde, erhielt sie diesmal die notwendige Bestätigung durch die Nationale Wahlkommission. Damit kann das thailändische Oberhaus nach fünf Wahlrunden und 145 Tagen endlich zusammentreten und so die eingetretene Blockade des Gesetzgebungsprozesses beendet und überfällige Richterberufungen vorgenommen werden.

Gerade im Hinblick auf das politische Vakuum aufgrund der anstehenden Unterhauswahlen kommen den ersten Initiativen des neuen Senats wichtige Bedeutung und Signalfunktion zu. Politiker und Parteien werden versuchen, über "ihre" Senatoren werbewirksame Akzente zu setzen. Ob sich der Senat bis zum Ausgang der Unterhauswahlen unter diesen Bedingungen zu einer eigenständigen politischen Kraft wird entwickeln können, ist jetzt noch nicht abzusehen.

Bangkoker Gouverneurswahlen als Testwahl

Eine andere Wahl wurde ebenfalls mit großer Spannung erwartet: die Neuwahl des Gouverneurs von Bangkok am 23. Juli. Diese Wahl galt als "Testwahl" für die spätestens im November anstehenden Unterhauswahlen. Der bisherige parteiunabhängige Amtsinhaber Bhichit Rattakul hatte trotz realistischer Chancen, wieder gewählt zu werden, auf eine erneute Kandidatur verzichtet. So wurden die Wahlen zum wichtigsten Bürgermeisterposten des Landes bereits früh als Probelauf für die Chancen der Hauptkonkurrenten um das Amt des Premierministers wahrgenommen.

Thaksin Shinawatra, Vorsitzender der neu gegründeten Thai Rak Thai Party, und gewichtigster Herausforderer von Premierminister Chuan Leekpai konnte früh die populäre Bangkoker Parlamentsabgeordnete Sudarat Keyuraphan gewinnen, während sich die regierende Democrat Party unter Chuan Leekpai schwer tat, einen zugkräftigen Kandidaten zu finden und schließlich den zunächst unabhängig kandidierenden Bangkoker Parlamentsabgeordneten ihrer Partei, Thavatchai Sajakul, nominierte.

Selbst ins Rennen ging Samak Sundaravej, Vorsitzender der Prachakorn Thai Party, und mehrmaliger Minister in verschiedenen Kabinetten. Er war angetreten, um nach langen Jahren auf der nationalen Ebene nunmehr in die lokale Politik einzusteigen. Er galt als zweifellos im politischen Geschäft erfahren, aber zugleich als politisch rechtslastig, kompromisslos und als Vertreter der alten Politikergarde. Kandidatin der Chart Pattana Party war Paveena Hongsakul. Sie warb mit einem Programm zur Förderung von Kleinunternehmen und zur Lösung der Verkehrs- und Infrastrukturprobleme Bangkoks.

Bangkok galt immer schon als Schlüssel zum Erfolg auf nationaler Ebene. So leben nicht nur rund zehn Prozent der thailändischen Wählerschaft in dieser Stadt, die Wähler haben sich hier auch einen Ruf der Unabhängigkeit und der Bereitschaft zum schnellen politischen Präferenzwechsel erworben. Während sich traditionell weite Landstriche fest in den Hände bestimmter Parteien oder Mandatsträger befinden und über Stimmenkauf gehalten werden, muss Bangkok immer wieder neu erkämpft werden, da Stimmenkäufe nur in den wenigen ländlich geprägten Außenbezirken möglich sind. Die politische Stimmung in Bangkok gab oftmals den Ausschlag, welche Partei aussichtsreiche Chancen besitzt, den Premierminister in einer Vielparteienkoalition zu stellen.

So ist es verständlich, dass Thaksin Shinawatra als der zentrale Herausforderer von Premierminister Chuan Leekpai bereits früh in den Wahlkampf seiner Kandidatin Sudarat Keyuraphan investierte. Er hoffte, ein Sieg bei den Gouverneurswahlen werde das Fanal für seinen kommenden Parlamentssieg sein. Lange vor der offiziellen Bewerbungsfrist fanden sich bereits Plakate im Megaformat mit dem Bild von Sudarat Keyuraphan entlang der Stadtautobahnen und an markanten Plätzen der Stadt. Aber auch Thavatchai Sajakul ging mit eigener Buswerbung früh ins Rennen.

Als der offizielle Wahlkampf begann, lagen Sudarat und Samak in etwa gleich auf, gefolgt von Thavatchai und weiteren Kandidaten. Wenige Tage vor der Wahl am 23. Juli führte der Prachakorn Thai Parteiführer Samak in den Umfragen vor der Kandidatin der Thai Rak Thai Party Sudarat. Mit deutlichen Abständen folgte der Kandidat der Democrat Party, Thavatchai Sajakul.

So kam der Wahlsieg Samaks zwar nicht unerwartet, allerdings fiel er überraschend deutlich aus: Von den rund 2,2 Millionen abgegebenen Stimmen erhielt Samak knapp über 1 Million, Sudarat folgte auf Platz 2 mit rund einer halben Million, Thavatchai von der Democrat Party erzielte immerhin noch eine Viertel Million Stimmen. Auf Platz vier und fünf kamen die unabhängigen Kandidaten Winai Sompong und Kalaya Sophonpanich, gefolgt von der Chart Pattana Party Kandidatin Paveena Hongsakul.

Politisches Fazit

Für die Kontrahenden in der bevorstehenden Parlamentswahl lässt sich folgendes politisches Fazit ziehen: Die Democrat Party ist mit einem blauen Auge davon gekommen und hat trotz eines weniger attraktiven Kandidaten zumindest einen Achtungserfolg erzielen können. Die Prachakorn Thai Party von Samak und mit ihr andere kleinere Parteien haben Hoffnung geschöpft, in den anstehenden Wahlen neben den großen Parteien doch noch bestehen zu können.

Die Thai Rak Thai Party hat trotz massivster Werbung einen heftigen Rückschlag erlitten und erfahren müssen, dass man - zumindest in Bangkok - einen Wahlsieg nicht erkaufen kann. Sudarat war als das junge Gesicht mit der neuen Politik unter der Flagge der 1997 gegründeten Partei Thai Rak Thai angetreten und hat überdeutlich gegen einen exponierten Vertreter der alten Politikergarde verloren. Vor drei Jahren war Thai Rak Thai mit dem versprechen angetreten, eine saubere Alternative zur geldgesteuerten Politik und dem grassierenden Stimmenkauf zu bieten. Nachdem die Partei in den letzten Monaten durch Abwerbung und "Aufkauf" von Parlamentariern anderer Parteien bereits unrühmlich von sich reden machte, hat ausgerechnet Thai Rak Thai als einzige Partei in einem Bangkoker Randbezirk versucht, durch massiven Stimmenkauf die Gouverneurswahlen in Bangkok für ihre Kandidatin zu gewinnen. Der Glanz der neuen Alternative Thai Rak Thai ist vorschnell erloschen.

Chuan Leekpai und seine Democrat Party gelten als verbraucht. Der eingetretene politische Stillstand beginnt internationale Investoren abzuschrecken, der große wirtschaftliche Aufschwung stellt sich nicht ein. Dennoch will Chuan Leekpai das Parlament erst auflösen, wenn das Wahlrechts- sowie das Haushaltsgesetz im Parlament verabschiedet sind. In der Zwischenzeit wächst gleichwohl der Druck, vorzeitige Neuwahlen abzuhalten, weiter.

Die Entscheidungsschlacht zwischen Premierminister Chuan Leekpai und Thaksin Shinawatra scheint nur die Aussicht auf die Wahl des kleineren Übels zu bieten. Ob sich bis zu den Unterhauswahlen im Herbst für den Posten des Regierungschefs ein chancenreicher Außenseiterkandidat wie in Bangkok finden wird, ist mehr als ungewiss. Bis dahin werden sich die Parteistrategen den Kopf zerbrechen und die Demoskopen ihre Prognosen stellen. Das letzte Wort aber wird der Wähler haben.

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