Event reports
Herr Sender, warum unterstützt die Konrad-Adenauer-Stiftung ausländische Studierende?
Die Konrad-Adenauer-Stiftung bietet grundsätzlich zwei verschiedene Stipendien-Programme an. Das erste sind Deutschland-Stipendien, mit denen wir jungen Studierenden ein Master-Studium oder eine Promotion an einer Hochschule in Deutschland ermöglichen. Vor wenigen Wochen konnten wir gerade fünf neue belarussische Studierende in dieses Programm aufnehmen. Die nächste Ausschreibung hierfür folgt eventuell schon Ende 2017. Aber die Anzahl dieser Stipendien wird überschaubar bleiben und ist viel geringer als etwa die des DAAD. Diese Stipendien vergeben wir für Belarussen, die sich fachlich in Deutschland qualifizieren und damit einen Beitrag zur Entwicklung von Belarus leisten wollen. Die Stipendiaten sollen die Bundesrepublik Deutschland kennenlernen, damit soll dieses Programm auch generell zum interkulturellen Dialog, zur Bildung internationaler Netzwerke und zur Internationalisierung der Hochschulen beitragen.
Das zweite Stipendien-Programm sind die sogenannten Sur-Place-Stipendien, die wir für Belarus gerade erst eingeführt haben und die in Form eines Programmes systematisch und möglichst dauerhaft angeboten werden sollen. Sur-Place-Stipendien sollen belarussische Master- und PhD-Studierende während ihres Studiums in Belarus vor Ort unterstützen, also nicht im Ausland. Wir schließen allerdings die EHU in Vilnius ein, da diese für viele junge Belarussen nach wie vor sehr interessant ist. Für unsere Sur-Place-Stipendien haben wir deutlich mehr Plätze als für ein Stipendium in Deutschland. Durch meine vielen Reisen und Veranstaltungen in Belarus habe ich in den letzten Monaten erfahren, dass eine große Zahl von jungen Talenten gern in Belarus bleiben und hier etwas für die Entwicklung ihres Landes tun möchte. Diese Studierenden möchten wir unterstützen. Unsere Sur-Place-Stipendien sollen dazu beitragen, dass sich hochbegabte junge Studierende in Belarus noch stärker auf ihr weiterführendes Studium konzentrieren können und dadurch die Zivilgesellschaft stärken.
Was würden Sie auf den Vorwurf antworten, dass Stipendien die Abwanderung von Fachkräften aus Belarus unterstützen?
Die von uns nun angebotenen Stipendien mit dem Namen Sur-place dienen genau dem Ziel, die künftigen Spezialisten im Land zu halten. Sie richten sich ja an Studierende, die in Belarus ihre Qualifikation verbessern wollen. Natürlich ist zu erwarten, dass manche der Stipendiaten nach ihrer Förderung durch uns auch im Ausland tätig sein werden, weil wir ja durch begleitende Seminare auch die internationale Vernetzung unserer Stipendiaten unterstützen. Die meisten jungen Menschen, mit denen ich jedoch in Belarus gesprochen habe, wollen aber in ihrem Land bleiben, bei ihrer Familie und bei ihren Freunden. Das wünschen wir uns auch als Konrad-Adenauer-Stiftung. Wir wollen einen Beitrag dafür leisten, dass die Zivilgesellschaft in Belarus stärker wird, aber auch, dass wir das Verständnis zwischen Belarus und den EU-Mitgliedsstaaten stärken. Daher besteht unser Sur-place-Stipendium nicht nur aus einem monatlichen Stipendium, sondern auch aus einem begleitenden Seminarprogramm. Hier werden wir unter anderem Qualifikationen im Bereich Öffentliches Auftreten und Diskussionsführung vermitteln und das Fachwissen über die EU und weltpolitische Fragen erhöhen. Das Wissen über die internationalen Prozesse muss in Belarus in den jungen Bevölkerungsteilen dringend erhöht werden, wenn Belarus mehr wirtschaftlichen Austausch mit dem Westen anstrebt.
Wer ist ein idealer Kandidat für Ihre Stipendien? Welche Empfehlungen haben Sie für die Bewerbung?
Wir suchen zuallererst Menschen, die über ein christlich-demokratisches Weltbild verfügen und die sich für ihr Land, ihre Gesellschaft und ihre Mitmenschen einsetzen wollen. Dies kann im Bereich der Politik, der Wirtschaft, der Wissenschaft, der Medien oder im Kulturbereich sein. Wer allerdings Verantwortung übernehmen möchte, der sollte natürlich über bestimmte persönliche Qualifikationen verfügen. Die sind gute überdurchschnittliche akademische Leistungen, ein belegbares und substanzielles Engagement für andere, beispielsweise in gesellschaftlichen Organisationen und ein aktives und professionelles Auftreten. Wir erwarten auch die Bereitschaft, Neues zu lernen und Stereotype über Bord zu werfen. Wer als Mensch nur immer still in seinem Kämmerchen sitzt und glaubt, dass sich die Herausforderungen in Belarus, in Deutschland, der EU und weltweit von alleine lösen, der wäre bei uns falsch. Wir suchen aktive junge Talente, die aus allen gesellschaftlichen Bereichen kommen.
Die KAS Stipendien umfassen nicht nur eine Förderung von Universitätsstipendien, sondern auch eine Reihe von weiteren Seminaren und Projekten. Wie beeinflussen diese Aktivitäten die Entwicklung der talentierten Jugend?
Außerhalb unseres Stipendienprogramms bieten wir eine Vielzahl von Seminaren an, beispielsweise zur Außen- und Sicherheitspolitik, zur Bildung, oder der Wirtschaft. Der Schwerpunkt dieser Veranstaltungen liegt auf der Information, beispielsweise dazu, wie wir in Deutschland auf Belarus blicken oder die Sicherheitslage in der Region. Wir informieren auch dazu, wie das deutsche Bildungs- und Wirtschaftssystem funktioniert oder wie bei uns Politik gemacht wird. Ich glaube, dass dies ausgesprochen wichtig ist, da ja die Regierung der Republik Belarus den westlichen Vektor stärken möchte. Diese Stärkung kann nach meiner Einschätzung allerdings nur dann erfolgreich sein, wenn auch die Gesellschaften mehr übereinander wissen. Politik wird im Westen nicht nur von der Regierung gemacht, sondern ist Ergebnis eines gesamtgesellschaftlichen Prozesses. Möchte man die Beziehungen zwischen Belarus und der Europäischen Union verbessern, muss man wissen, wie Politik, Wirtschaft, Soziales und Kultur bei uns funktioniert. Hierüber sprechen wir jedes Jahr mit Dutzenden Interessierten aus Belarus. Ähnliches tun wir übrigens in insgesamt rund 100 Ländern weltweit.
Herr Sender, Sie waren auch Stipendiat der Stiftung. Wie hat das Ihr Leben und Ihre Karriere beeinflusst?
Wissen Sie, ich wurde ja in der DDR geboren und war 13 Jahre alt, als die Mauer fiel. In der DDR hatte man es kaum gelernt einen eigenen Standpunkt zu entwickeln und Sachen kritisch oder konstruktiv zu hinterfragen. Auch wusste man kaum, was sich wirklich in der Welt abspielt. Als ich dann mit 21 Jahren in das Stipendienprogramm der Konrad-Adenauer-Stiftung aufgenommen wurde, öffnete sich mir eine neue Welt. Ich sah, dass die große Welt voller interessanter Entwicklungen ist, die ich nicht kannte. Und ich lernte, mir zu diesen Entwicklungen eine eigene Meinung zu bilden. Auch konnte ich lernen, wie man ein eigenes weltweites persönliches Netzwerk aufbaut - nicht nur für die Karriere, sondern auch für eine gute Integration in die Gesellschaft. Weiterhin haben mir die Seminare der Stiftung ganz besonderes und praktisches Wissen über Fragen von Politik, Gesellschaft und Wirtschaft vermittelt, die ich so an der Universität oder durch Selbststudium mir nicht aneignen konnte. Für meine persönliche Karriere waren dies ganz wichtige Schritte und ich bin sicher, dass ich in meinem Leben nicht so erfolgreich gewesen wäre, hätte ich nicht diese Unterstützung der Stiftung erhalten. Heute in meiner Funktion als Leiter des Auslandsbüros Belarus möchte ich etwas hiervon zurückgeben und auch anderen jungen Menschen die Chance auf eine bessere persönliche Entwicklung geben.
Welche Erfolgsgeschichten von KAS-Stipendiaten gibt es?
Viele unserer Stipendiaten aus Deutschland aber auch aus allen anderen Ländern, in denen wir aktiv sind, nehmen heute führende Funktionen in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft sowie im Bereich der Kultur ein. Das alles sind Erfolgsgeschichten, die aber nicht nur den Altstipendiaten selbst für ihr persönliches Leben nutzen. Denn der größte Teil der Altstipendiaten ist auch nach dem Stipendium noch gesellschaftlich aktiv und tritt für die Werte ein, für die auch wir als Stiftung stehen: Freiheit, Frieden, Sicherheit, Gerechtigkeit, europäische Integration, Demokratie und Menschenrechte. Das ist die eigentliche Erfolgsgeschichte: dass Tausende Altstipendiaten weltweit für unsere gemeinsamen Werte eintreten und sich dadurch verbunden sind.
Welches Potenzial sehen Sie in der belarussischen Jugend? Was muss getan werden, um dieses Potenzial zu aktivieren?
Natürlich wissen wir alle, dass die individuellen Entwicklungsmöglichkeiten für junge Leute in Belarus heute noch geringer als in den EU Mitgliedstaaten sind. Dabei muss vor allem die wirtschaftliche Entwicklung in Belarus Sorgen machen. Wir haben zwar einerseits eine Reihe wirklich hervorragender Unternehmen mit tollen Arbeitsplätzen, aber diese Plätze stehen noch nicht im Verhältnis zum tatsächlichen Potenzial des Landes. Belarus muss daher heute herausarbeiten, welche Wachstumstreiber mittelfristig für die Wirtschaft bestehen, damit die personellen Potenziale des Landes besser genutzt werden. Konkret: Wo und in welchen Spezialgebieten werden die künftigen Eliten von Belarus arbeiten? Im Vergleich mit anderen Ländern der Region bietet Belarus zwar wesentliche Vorteile. Damit meine ich zum Beispiel das gute Bildungsniveau, ein stabiles Sozialsystem und eine hervorragende Infrastruktur. Ich glaube, dass es auch diese Aspekte sind, die viele junge Menschen aus Belarus an ihre Heimat binden. Aber ich sehe noch, dass diese Potentiale zu wenig genutzt werden. Nicht wenige junge Belarussen, mit denen ich spreche, wünschen sich im wirtschaftlichen Bereich schlicht mehr Möglichkeiten in ihrem Land. Ich glaube, dass es für Belarus auf Dauer von Nachteil ist, wenn dieser Eindruck bei den jungen Leuten besteht. Man kann nicht einerseits viel in die Bildung investieren und dann andererseits dieses Wissen im Arbeitsleben zu wenig abrufen.
Zur Person:
Wolfgang Sender leitet seit 2015 das Auslandsbüro Belarus der Konrad-Adenauer-Stiftung mit Sitz in Vilnius. Der Politikwissenschaftler war zuvor über viele Jahre für die deutsche Bundesregierung und den Deutschen Bundestag tätig. Dabei war er unter anderem leitender Projektmanager für das deutsche Sprachdiplom der Kultusministerkonferenz (DSD) das auch in Belarus angeboten wird. Wolfgang Sender hat an der Freien Universität Berlin zu Fragen der russischen Außenpolitik promoviert.
Anmerkung zu den Stipendien:
Die Sur-Place-Stipendien der KAS Belarus für Master- und PhD-Studierende werden kontinuierlich vergeben. Es bestehen keine festen Bewerbungstermine. Die Stipendien der KAS sind keine reinen finanziellen Zuwendungen, sondern schließen begleitende fachliche Seminare und Seminare zur Persönlichkeitsentwicklung ein. Weitere Informationen erhalten Sie hier: