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Die rund 30 Teilnehmer setzen sich aus europapolitisch interessierten Bürgern, Experten und Politikern aus Brandenburg zusammen, so dass ein offener Austausch entsteht. Im Gespräch mit dem Ersten Botschaftsrat der Polnischen Botschaft in Deutschland, Tomasz Badowski, ging es um die Ursachen des gespannten deutsch-polnischen Verhältnisses, die von polnischer Seite auch durch historische Fragen bedingt sind, um den Umgang mit Streitthemen (Nord Stream, Russlandpolitik, EU-Flüchtlingspolitik, EU-Rechtsstaatsverfahren u.a.) und den Status als Nachbar oder Partner. Da Herr Badowski während des gesamten Seminars anwesend war, konnten die besprochenen Fragen immer wieder auch aus einer polnischen Perspektive gespiegelt werden, was zu einem tatsächlichen deutsch-polnischen Europadialog führte.
Der Parl. Staatssekretär Michael Stübgen referierter als Vertreter der Bundesregierung über die Agrarpolitik, die nach wie vor mehr als ein Drittel des EU-Haushalts ausmacht, was schließlich jenseits konkreter Einzelfragen der Steuerung und Gewichtung auch zu der grundsätzlichen Frage führte, ob es noch zeitgemäß sei, dass die Union zu einem wesentlichen Teil eine „Agrargenossenschaft“ ist.
Barbara Richstein MdL legte die Auswirkungen der EU-Haushaltsplanungen für Brandenburg und die Möglichkeiten der Einflussnahme von Seiten der Landespolitik auf die Europapolitik dar. Mit Blick auf die EU-Parlamentswahlen ging es auch um Überlegungen, wie das Interesse der Bürger für diese Wahl geweckt werden könne angesichts früher sehr niedriger Wahlbeteiligung bei EU-Wahlen in Brandenburg und wie man sich im Wahlkampf am besten mit der AfD als europakritischer Partei auseinandersetzen könne.
Am zweiten Tag erläuterte Dr. Hardy Ostry, der Leiter des KAS-Büros Brüssel, die Planungen des deutschen EU-Haushaltskommissars, Günther Oettinger, für den EU-Finanzrahmen 2010-27 und seine möglichen Auswirkungen auf Beiträge und Programme sowie die Reformbemühungen in der EU seitens der Kommission und des Französischen Präsidenten. Eine Diskussion entspann sich etwa über die Frage, welche Kompetenzen man konkret an die Nationalstaaten zurückverlagern könne, was oft gefordert wird, und wo ein intensivere Zusammenarbeit in der Union sinnvoll und möglich wäre, z.B. in der Außen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik. Grundsätzlich wurden die Reformszenarien auf ihre Auswirkungen und Umsetzungsmöglichkeiten hin kritisch erwogen. Wie bereits im vergangenen Jahr votierten die Hälfte der Teilnehmer für eine Kombination von einer EU der verschiedenen Geschwindigkeiten mit einer Vertiefung der Zusammenarbeit in der EU. Die andere Hälfte sprach sich für eine Konzentration auf den Binnenmarkt (Wirtschaftsunion) bzw. für ein Weiter-wie-bisher aus, einer plädierte im Sinne der Subsidiarität für weniger Kompetenzen für die Union bei größerer Effizienz.
Abschließend wurden mit dem zuständigen Referatsleiter Mittelosteuropa im Kanzleramt, Knut Abraham, die Entwicklungsmöglichkeiten im südosteuropäischen Bereich (Balkan, Türkei) und in Osteuropa (Ostpartnerschaft) analysiert, wobei Fragen der Erweiterung der Union im Kontext gleichzeitiger Reform und Vertiefung der Gemeinschaft besprochen wurden. Dabei kam die Debatte auch zu der Frage, ob nicht nach dem Brexit eine neue Politik der Westpartnerschaft der EU notwendig sei.
Angeregt wurde, das Seminar nächstes Jahr in Warschau an der Deutschen Botschaft stattfinden zu lassen, wohin Knut Abraham als Gesandter im Juli wechselt. So stand am Ende ein Auf-Wiedersehen in Warschau.