Event reports
Das Politische Bildungsforum Bremen ging hier mit 21 Teilnehmern in einem Studienseminar der Frage nach den deutsch-italienischen Beziehungen in Geschichte und Gegenwart nach; diese wurden in Form von Vorträgen, Besichtigungen und Gesprächen präsentiert und diskutiert sowie anhand von Filmdokumentationen illustriert. Für die europäische Geschichte und Kultur ist der Comer See eine beispielhafte Region für wichtige Beziehungen zwischen Deutschen und Italienern. Die Region hat bedeutende Baumeister, Künstler und Dichter hervorgebracht. Von hier kam auch die Familie Brentano, aus der die Dichter Clemens und Bettina von Brentano hervorgegangen sind. Hier lebte zeitweilig Leonardo da Vinci, Giuseppe Verdi, Stendhal, Lord Byron, Franz Liszt; aber auch der Kaufmann und Mäzen Heinrich Mylius aus Frankfurt, auf dessen Wirken das heutige Deutsch-Italienische Zentrum Villa Vigoni zurückzuführen ist.
Dr. Christiane Liermann Traniello, wissenschaftliche Referentin in der Villa Vigoni, vermittelte bei ihrer Führung durch die Villa Vigoni und den Garten den einmaligen Eindruck von einer deutsch-italienischen kulturellen Symbiose, wie sie sich in der Geschichte der Familie Mylius-Vigoni manifestiert. Die Generalsekretärin des Deutsch-Italienischen Zentrums Villa Vigoni , Prof. Dr. Immacolata Amodeo, behandelte unter dem Thema „Literatur im deutsch-italienischen Diskurs“ am Beispiel des Sonetts als literarischer Gattung - vom Hofe Friedrichs II. über Petrarca, Andreas Gryphius und Rainer Maria Rilke bis zu Robert Gernhardt - und an einigen Beispielen der Prosa-Gattungen Drama bzw. Roman die deutsch-italienischen literarischen Beziehungen und stellte dar, wie die gattungsspezifischen, inhaltlichen und sprachlichen Ebenen von einer Literatur in die andere wanderten und zu einer vielfältigen Vernetzung kultureller Art führten. Als Quintessenz resümierte Amodeo, dass eine kulturelle Brücke wesentlich für die Identität Europas sei.
In Cadenabbia und Umgebung ist die Persönlichkeit Adenauers auch heute noch präsent. Der Schuster Pietro Redaelli aus Menaggio berichtete in einer Foto-Dokumentation über die menschliche Seite der Beziehung Konrad Adenauers zu den Einheimischen am Comer See und deren hohe Wertschätzung für den deutschen Kanzler. Bei seinem Vater bestellte Adenauer Lederschuhe, auf seine hohe Ferse zugeschnitten. Vater Redaelli beeindruckte den Kanzler mit seinem reichen kunstgeschichtlichen Wissen über die Region.
Christopher Beckmann, Mitarbeiter der Konrad-Adenauer-Stiftung mit Arbeitsschwerpunkt zeitgeschichtliche Forschung, kam in seinem Vortrag „Konrad Adenauer und die deutsche Frage“ zu dem Schluss, dass Adenauers Haltung zur deutschen Frage in der Rangfolge Europa - Nato - Abrüstung - Deutsche Einheit in freier Selbstbestimmung zu verstehen ist, die Wiedervereinigung also nur über ein geeintes Europa, über die Schritte Freiheit und Frieden zu erreichen war. Als weitere Wegbereiter der Wiedervereinigung sind historische Persönlichkeiten zu nennen wie Papst Johannes Paul II., Ronald Reagan, Michail Gorbatschow, George Bush sen. und Helmut Kohl.
Der Generalkonsul der Bundesrepublik Deutschland in Mailand Peter Dettmar betonte in seinem Vortrag über „Die deutsch-italienischen Kulturbeziehungen im Fokus“ die starke kulturelle Präsenz Deutschlands in Italien, die ein großes Potential zur Pflege, Förderung und Festigung der deutsch-italienischen Beziehungen darstelle. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt scheine diese Beziehung aber eher einseitig zu sein und treffe auf italienischer Seite auf weniger Widerhall. Besorgniserregend sei die zunehmende Skepsis gegenüber den Institutionen der EU und gegenüber der Glaubwürdigkeit der handelnden Politiker in Europa.
Am Pfingstsonntag besuchten die Teilnehmer die Messe in der Dorfkirche SS. Nabore e Felice, in der Konrad Adenauer regelmäßig die sonntägliche Messe besuchte.
Die Präsidentin der Deutsch-Italienischen Gesellschaft Bremen und Journalistin Sigrid Schuer behandelte - ausgehend von der Sehnsucht der Deutschen nach dem Land, wo “die Zitronen blühn” - in ihrem Vortrag “Italien im Wandel der Zeit: die Bremer Perspektive” das Verhältnis Bremens zu Italien. Sigrid Schuer gab einen Überblick über die Beziehungen zwischen der Hansestadt Bremen und Italien: im 19. Jh. verbrachten allein 20 Bremer Künstler längere Studienaufenthalte in Italien, unter ihnen z. B. der Landschaftsmaler Johann Georg Walte oder Ernst Willers. Der Marschendichter Hermann Allmers, Sohn eines wohlhabenden Bauern aus Rechtenfleth in der Wesermarsch, reiste 1858 mit Goethes “Italienischer Reise” im Gepäck nach Italien. Auch er fühlt sich hier in Arkadien, “am Ziel meiner Sehnsucht” und “glücklich, wie ich’s nur einmal in meinem Leben war, in den sonnigen Tagen der schönen, sorgenfreien Knabenzeit”. Seine begeisterten Eindrücke hielt er in dem Buch “Römische Schlendertage” fest. Im Rückblick sah Allmers den Italienaufenthalt als “Höhepunkt seiner Lebensbahn”. Unter den italienreisenden Bremer Künstlern des 19. Jahrhunderts ist auch Arthur Fitger zu nennen, der fünf Jahre nach Allmers nach Rom kam, dort zwei Jahre blieb und Zugang zum deutschen Künstlerkreis um Franz von Lenbach und Arnold Böcklin fand. Zu weiteren nach Italien reisenden Künstlern gehören Clara Rilke-Westhoff, Olga Bontjes van Beek und die Worpsweder Malerin Lisel Oppel. Stipendiaten der Villa Romana in Florenz waren u. a. die Worpsweder Maler Fritz Mackensen (1907) und Heini Linkshänder (1978). Förderung durch die Villa Massimo in Rom genossen u. a. die Maler Fritz Meckseper (1964), H. W. Sotrop (1965/66), Thomas Hartmann (1984/85) und Hartmut Neumann (1985/86). Der architektonische Einfluss Italiens lässt sich auch an der Weser-Renaissance (16. / 17. Jh.) ablesen; noch zu Beginn des 20. Jh.s wurde in Bremen das Neue Rathaus im Stil der italienischen (Neo)Renaissance erbaut.
Das Studienseminar rundete ein Bootsausflug über den mittleren Teil des Comer Sees mit eindrucksvollen Ausblicken: auf Bellagio mit den Villen Serbelloni und Melzi, auf Tremezzo mit der Villa Carlotta und auf Ossuccio mit der geschichtsträchtigen Insel Comacina. Die Rundfahrt endete mit einer Besichtigung der Villa Balbianello mit ihrem Garten.
Die Teilnehmer konnten sich des weiteren auf dem Gelände der Villa La Collina auch mit dem Boccia-Spiel vertraut machen, dem schon Adenauer mit großer Leidenschaft nachging.
Am Abreisetag erlaubte ein Abstecher nach Mailand noch einen kurzen Einblick in die Geschichte der Mailänder Scala und in die Baugeschichte des grandiosen Mailänder Doms.