Ralf Altenhof, Leiter der KAS Bremen, leitete die Veranstaltung mit einigen Fakten zur Clankriminalität ein. So hätten beispielsweise in Nordrhein-Westfalen Clanmitglieder über 14.000 Straftaten innerhalb von drei Jahren begangen. In Bremen würden 3.500 Personen Clans angehören, wovon 1.800 Mitglieder mit dem Gesetz schon in Konflikt geraten seien. Dem müsse Einhalt geboten werden, so Altenhof. Dafür müsse man der Verharmlosung, vor allem von der linken Seite, wo schon der Begriff „Clan“ als ausgrenzend abgelehnt werde, argumentativ entgegentreten, stellte Altenhof klar, bevor er Islamwissenschaftler Dr. Ralph Ghdaban sowie den Moderator Dr. Oğuzhan Yazıcı, CDU-Fraktionssprecher für Recht in der Bremischen Bürgerschaft, vorstellte.
In seinem Vortrag nannte Ghadban historische Entwicklungen, die zur Ausbildung von Clanstrukturen in Deutschland beigetragen hätten. Zum einen kamen in den 1950er und 1960er Jahren Gastarbeiter nach Deutschland, die zwar eine Arbeitserlaubnis erhielten, um deren Integration man sich jedoch nicht bemüht habe. Man dachte, die Migranten würden sich im freiheitlich-demokratischen System automatisch anpassen, so Ghadban.
Zum anderen flohen während des libanesischen Bürgerkriegs (1975-1990) islamische Migranten, darunter auch der libanesische Clan Mhallami, nach Deutschland. Die Flüchtlinge erhielten nur Duldungen, aber keine Fürsorge. Durch die Verschärfung des Asylrechts bestand für sie keine Schulpflicht, aber Arbeitsverbot, und Sozialleistungen wurden gekürzt. Sie wurden dadurch an den Rand der Gesellschaft gedrängt und so wurde die Clansolidarität verstärkt. „Verdrängung statt Integration“, nannte Ghadban diese Entwicklung.
Ghadban, der selbst im Libanon aufwuchs, stellte auch den kulturellen Hintergrund der Clans dar. In ihren Herkunftsländern agierten die Familien als Gruppe, da eine Gruppe dort eine Schutzfunktion bot. Dieses Verständnis hätten sie mit nach Deutschland genommen, doch hier brauchte man keine Schutzfunktion mehr, der Staat übernahm diese. Da die Ausländer, verdrängt an den Rand, aufeinander angewiesen waren, blieben sie in Gruppen. Doch laut Ghadban könne man nur ein Individuum, aber keine Gruppe, integrieren.
Der Clan entwickelte sich am gesellschaftlichen Rand zur kriminellen Organisation. Denn die Clanmitglieder entdeckten die Vorteile von Gruppenauftritten in einer individualisierten Gesellschaft. Durch Rudelbildung waren sie anderen überlegen. Sie sahen Deutschland Ghadban zufolge als „Beutegesellschaft“ an, Privateigentum kannten sie nicht. Nach und nach entstand eine Parallelgesellschaft, in denen die Clanmitglieder nach ihren eigenen Werten und Regeln lebten. Der Staat wurde als Hindernis für ihre Beutegesellschaft gesehen. Durch Erpressungen und Auftreten in einer großen Gruppe konnten sie Druck ausüben und es gelang ihnen teilweise, die Staatsgewalt zu übergehen.
In der an den Vortrag anschließenden Diskussion wurden unter anderem Lösungsansätze angesprochen. So plädierte Ghadban für Aussteigerprogramme für Clanmitglieder. Denn man werde in einen Clan hineingeboren, die Familienmitglieder hätten keine andere Wahl. Natürlich seien nicht alle Clanmitglieder kriminell, aber alle würden ihre Familienmitglieder decken, betonte Ghadban. Insbesondere Jugendliche und Frauen müssten Unterstützung für einen Ausstieg erhalten. Doch Frauen sind in islamischen Familien wichtig für die Endogamie, also das Heiraten innerhalb der Familie. Im Islam darf der Mann vier Ehefrauen, gleichzeitig aber unendlich viele Frauen als Sklaven haben. Eine Infrastruktur zum Aussteigen für Frauen gibt es nicht, da diese mehrere Jahre begleitet werden müssten – das könne niemand derzeit gewährleisten.
Ghadban stellte weiter klar, dass mehr gegen das Vorgehen der Clans unternommen werden müsse. In Schulen müsse Präventionsarbeit geleistet werden sowie mehr Aufmerksamkeit gegeben sein. Wenn junge Mädchen zwangsverheiratet würden und aus Schulen verschwänden, unternehme niemand etwas. Das Jugendamt müsse eingeschaltet werden und im Allgemeinen benötigten Polizei und Justiz mehr Mittel. In der Realität jedoch verstärkte sich das Problem der Clankriminalität seit den 90 Jahren sogar, da in dieser Zeit verboten wurde, Ethnizität und Kriminalität in Verbindung zu setzen. „Das hat die Clankriminalität unsichtbar gemacht“, schlussfolgerte Ghadban.
Nach einigen Fragen an Ghadban aus dem angeregten Publikum, bedankte sich Ralf Altenhof bei allen Beteiligten für das Interesse an diesem „wichtigen, aber bisher vernachlässigten Thema“.