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Auf dem Weg in die Gedenkstätte des Lagers Neuengamme, in dem 1938 erstmals Häftlinge untergebracht wurden und das 1940 zu einem KZ wurde, begrüßte Ralf Altenhof, Leiter der Konrad-Adenauer-Stiftung Bremen, die Teilnehmer. Hierbei betonte er, wie wichtig es der KAS sei, dass Jugendliche Geschichte auch auf einer emotionalen Ebene erleben. „Authentische historische Orte“ zu besuchen und Zeitzeugen einzuladen, sei grundlegend für die historische und politische Bildung. Gleichzeitig dürften Kenntnisse und Fakten nicht zu kurz kommen. Er hoffe, dass dieser Tag den Schülerinnen und Schülern „lange in Erinnerung bleiben wird“.
„Anders als unsere Führungen begannen die Geschichten der Häftlinge nie am Lagertor. Die Geschichten beginnen da, wo die Menschen herkommen“, so Bernd Schroller, Besucherbetreuer der Gedenkstätte. Über 90 Prozent der KZ-Insassen seien nicht aus Deutschland, sondern den besetzten Gebieten in ganz Europa gekommen. Viele von ihnen überlebten die Fahrt, zusammengepfercht in dreckigen Wagons, nicht. Diejenigen, die es überlebten, sahen sich einer „Entmenschlichung“ ausgesetzt, die sich durch eine vollständige Enthaarung sowie die Reduzierung auf eine Nummer ausdrückte. Diese Nummer, auf welche die Häftlinge sofort zu reagieren hatten, war oftmals der erste Brocken Deutsch, den sie lernten.
Ein KZ sei im Dritten Reich ein „Statussymbol“ gewesen, so Schroller. Gerade weil der Hamburger Hafen komplett umgebaut werden sollte, bemühte man sich in Hamburg ein KZ zu bekommen. Die Insassen sollten Ton abbauen und zu Ziegeln brennen. Mit Voranschreiten des Krieges wurden sie aber auch in der Waffenproduktion und in über 90 Außenlagern, unter anderem auch in Bremen, eingesetzt.
„Vernichtung durch Arbeit“, dieses Motto wurde von der SS rigoros umgesetzt. Die Insassen verhungerten aufgrund immer knapper werdender Rationen, starben an Krankheiten, die durch die katastrophalen hygienischen Umstände begünstigt wurden, oder sie wurden wahllos und oft zum Spaß der Wärter ermordet. In den Tongruben betrug die Lebenserwartung eines Häftlings etwa 100 Tage. Etwas bessere Chancen hatte man in den Firmen der Privatindustrie, wie zum Beispiel der heute noch aktiven Waffenfirma „Walther“. Ökonomisch habe es sich einfach nicht gelohnt, alle drei Monate neue Arbeiter auszubilden. Dennoch überlebte lediglich jeder zweite der insgesamt 100.000 Insassen des Lagers.
Die SS, die im Gegensatz zur Wehrmacht komplett aus Freiwilligen zusammengestellt war, überwachte die Konzentrationslager. In Neuengamme gab es insgesamt circa 4500 Wärter. Nach dem Krieg wurde gerade einmal 300 von ihnen der Prozess gemacht. 100 wurden freigesprochen. Unter den 200 Verurteilten befand sich auch Otto „Tull“ Harder. Der ehemalige Spieler des HSV und Kapitän der deutschen Fußballnationalmannschaft trat bereits 1933 als überzeugter Nationalsozialist in die SS ein. Er arbeitete einige Zeit in der Verwaltung des KZ Neuengamme, bevor er 1944 Lagerführer eines Außenlagers in Hannover wurde. Nach dem Krieg wurde er zu 15 Jahren Haftstrafe verurteilt, von denen er fünf Jahre absaß. Danach konnte er problemlos wieder in sein Versicherungsgeschäft einsteigen und wurde noch einige Male als „Sportheld“ gefeiert. Zuletzt, so Schroller, bei der Heim-WM 1974, als die Stadt Hamburg als Austragungsort eine Broschüre mit Vorbildern für die Jugend herausgab. Mit dabei, ein doppelseitiges Portrait von Harder, das einen Tag vor der offiziellen Verteilung aus allen 100.000 Exemplaren herausgerissen wurde.
Neben ihren vielen Fragen bekamen die Schülerinnen und Schüler auch die Möglichkeit, sich durch das Vorstellen der Biografie eines Insassen aktiv zu beteiligen. In einer Abteilung der Ausstellung konnten sie speziell zu den persönlichen Geschichten der Häftlinge recherchieren. Die Gründe für eine Inhaftierung reichten von der politischen Gesinnung bis hin zur sexuellen Ausrichtung.
Insgesamt fiel das Resümee der Schülerinnen und Schüler über den KZ-Besuch positiv aus. So berichtete Sofia, eine Schülerin des Ökumenischen Gymnasiums, davon, dass ihr insbesondere die personifizierte Ausrichtung der Ausstellung sowie die häftlingsorientierte Vorstellung des KZs Neuengamme sehr gut gefallen habe.
Der 16-jährige Lauritz hatte ähnlich wie seine Mitschülerin Sofia nur lobende Worte für seinen ersten Gedenkstättenbesuch, im Laufe dessen er zum ersten Mal davon erfuhr, dass auch Homosexuelle und politisch Verfolgte in den Lagern interniert wurden.
Timo von der Europaschule SZ Utbremen war bereits in einer anderen KZ-Gedenkstätte und empfand die Führung in Neuengamme als deutlich anregender, da die Informationen hier auf einer emotionaleren, persönlicheren Ebene vermittelt wurden. Gerade für Jugendliche, die sich noch nicht ausgiebig mit dem Thema beschäftigt hätten, sei ein Besuch der Gedenkstätte Neuengamme zu empfehlen.